Review

Ich muss zugeben, dass ich mit gemischten Gefühlen an diesen Animationsfilm heranging. Denn in letzter Zeit gab es echt viel Crap im Animationssektor: Das Motto war: Hauptsache visueller Overkill. Eine zuckersüße oder rührende Geschichte, Momente zum Freuen oder Weinen, liebe Charaktere ? Ach drauf geschissen. Denn immerhin müssen wir im Optikwahnsinn immer mehr bieten, als andere Studios es uns vor gemacht haben. Ich sag dazu nur eins: Schach besteht aus zwei Farben und ist das beste Spiel der Welt. Ich brauche kein Spiel mit 3 Mio. Farben, das einfach keinen Spaß auf mehr macht. Und so ist es auch bei Filmen.
Die absoluten Abkacker waren "Madagascar 3" und "Die Croods", viel Optik, nix dahinter. Was soll das?
Auch der 2012 erschienene "Ice Age 4" war nicht der Hammer und genau dieses Blue Sky Studio, das den vierten Teil der "Ice Age"-Reihe "verbrochen" hatte, war auch für "Epic - Verborgenes Königreich" verantwortlich.

Ich will keinen Hehl daraus machen. Der Einstieg fiel mir relativ schwer. Denn in "Epic" gibt es zwei verschiedene Welten. Die der Menschen und die gleichzeitig existierende Parallelwelt der Beschützer des Waldes. Diese Wesen sind so klein und für den normalen Menschen nur mit Spezialgeräten sichtbar. Zudem läuft die Echtzeit in der Welt der Fabelwesen wesentlich schneller und so bewegen sich (aus der Sicht der Waldgeschöpfe) die Menschen (von den Waldmenschen "Trampler" genannt) in Zeitlupe. Ich dachte mir: Mmmmh, wie soll das funktionieren, dass beide zu einem Strang verschmelzen? Aber genauso wie meine Sorgen im Vorfeld unbegründet waren, wurde dies auch hier gut gelöst.



Nach langer Zeit besucht Mary (gesprochen von Josefine Preuß) ihren Vater (Stefan Krause)  wieder und möchte nach kurzem Aufenthalt am liebsten wieder direkt zurück in die Großstadt.  Denn er ist immer noch der verrückte Professor Bomba und von dem Glauben besessen, dass  da draußen im Wald kleine Lebewesen existieren. Mit allerlei HighTech-Equipment hat er sein Anwesen und die Umwelt ausgestattet, aber noch nie eines dieser Lebewesen gesehen. Diese Vernarrtheit hat ihn schon seine Ehe gekostet. Als Mary sich ein Taxi rufen will, aber keinen Handyempfang hat, begibt sie sich durch den Wald Richtung Straße. Doch so weit kommt es nicht. Denn sie wird unterwegs durch ein Unglück geschrumpft und in die Welt der Fabelwesen telepotiert. Dort tobt ein erbitterter Kampf von den Wächtern des Waldes gegen den bösen Herrscher Mandrake (Christoph Waltz). Königin Tara (Alexandra Wilcke) muss nach hundert Jahren mit einer Knospe eine neue Königin auserwählen. Doch während Mandrake´s Angriff mit seinen Schergen, den Boggans, wird sie getötet und gibt die Knospe mit ihrem letzten Atemzug an Mary weiter. Kann Mary in dieser etwas anders tickenden Welt es schaffen, das verborgene Königreich vor dem Untergang zu bewahren?



Den Anfang macht die Welt der Fabelwesen und der typische visuelle Overkill ist das Erste, was ich bemerkte. Innerlich schrie mein Bauchgefühl:"Oh Dude, warum schon wieder?". Skurrile Figuren gaben wieder den Ton in hektischen Flugsequenzen an. Auf der anderen Seite werden Mary und ihr Vater, ruhig und gemütlich wie es sein sollte, vorgestellt - und man schließt sie direkt ins Herz, auch wenn man teilweise Mitleid mit dem Professor  empfinden kann. Wie ich im Vorwort bereits erwähnte, war der Einstieg, eine knappe Viertel Stunde, gewöhnungsbedürftig. Bis Mary in diese Welt hineingezogen wurde und somit beide Welten aufeinanderprallten.
 In einer kurzen Eingewöhnungszeit, dass es eben hektisch zu geht, brachte man sehr nette Figuren in dem Film unter: Den Held und Anführer der Leafmen, Ronin (gesprochen von Tobias Kluckert, der u.a. die Synchronstimme Bradley Cooper, Seth Rogen und auch dem "He-Man" verleiht), der stets als Beschützer an der Seite von Mary ist. Die beiden Schnecken Mub und Grub als absolut geniale Sidegags, die immer wieder für einen herzlichen Lacher gut waren (Die etwas beleibte Nacktschnecke Mub wird von Oliver Kalkofe gesprochen. Die schlanke zierliche Weinbergschnecke Grub von Oliver Welke). Der Lausebengel und Love-Interest Nod (Raúl Richter) rundet die Hauptcharaktere ab.
Man muss schon sagen, dass alle Figuren ihre ganz eigenen Ansichten und Eigenschaften besitzen und sich im gesamten Filmverlauf hervorragend ergänzen.

Die Story ist zwar nicht so episch, wie es der Filmtitel verspricht, sondern bewegt sich auf altbewährten Pfaden, was das Sammelsurium an aberwitzigen Charakteren jedoch vergessen macht. Der klassische Gut-gegen-Böse-Kampf verläuft gefällig und rasant, hat viele lustische und auch traurige Szenen zu bieten. Und vorallem Szenen, die mein Herz berührt haben. Ein richtiges Feelgood-Movie eben.
So reiht sich ein Höhepunkt an den nächsten, ich könnte mich gar nicht entscheiden, welche Szene mich am meisten begeistert, bewegt oder zum Lachen gebracht hat.
Was mich ein klein wenig traurig machte, ist, dass es nicht das Mega-mega-HappyEnd gab und der Film noch stundenlang so hätte weitergehen können (oh gott, jetzt höre ich mich schon an wie ein Weichei). Vorhersehbarkeit, wie es andere sehen, konnte ich hier keine ausmachen. Okay, das der Film nicht im Bösen endet, keine Zombies oder nukleare Anschläge drin vorkommen, das wusste ich auch. Aber sonstige Schwächen? No way.


"Epic - Das verlorene Königreich" ist eine weitere Adaption des Kinderbuchautors William Joyce, der auch die Vorlage zu "Hüter des Lichts" geschrieben hat, der mir (fast) genauso gut gefallen hat. Zufall?
Ich sage nein - der gute Mann hat es einfach drauf, kindgerechte Geschichten mit wunderbaren Charakteren und wichtigen Botschaften zu schreiben und Blue Sky Studio eben die Fähigkeiten, seine Werke auf die große Leinwand zu adaptieren. Wem nicht die Optik am wichtigsten ist (obwohl sie auch in "Epic" einen Augenschmaus darstellt) sondern viel Wert auf eine herzerwärmende Story legt mit anschließendem Heulen wie ein Schlosshund, ist hier bestens aufgehoben. Und als netter Nebeneffekt denkt man auch mal wieder an die Umwelt (und damit meine ich nicht den ach so dollen Dosenpfand der Pfeifenpartei). So FÜHLT sich großes Animationskino an.

9/10

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