Was das moderne Bollywood betrifft, gibt es zwei Filme, die man kennen sollte: den belanglosen Weichspüli-Film "In Guten wie in Schweren Tagen", welcher nun wirklich nicht den Hauch einer Geschichte auf fast vier kurzweilige Tränenrührende Stunden zu strecken vermag. Und dann gibt es den ungleich ambitionierteren Film "Lagaan".
Beide Filme stehen für Bollywoods Creme-de-la-Creme.
Lagaan ist ein Film, der auf sehr vielen Ebenen funktioniert, als Kolonialdrama, als Sportlerfilm, als Sozialkritischer Film, der das altertümliche Kastendenken verurteilt, als Film, der die Völkerverständigung und das Verzeihen in den Vordergrund stellt.
Und gleichzeitig bleibt Lagaan dennoch ein Film für die einfachen Leute, für das Volk und behält es sich vor, auch mal trivial sein zu dürfen.
Manchmal ist er derart simpel gestrickt, dass er den gemeinen Briten als supergemeinen Briten darstellt. Und der gute Inder hat irgendwie auch immer das letzte Wort, welches auch noch verdammt schwer wiegt.
Abgesehen hiervon kann man Lagaan aber dennoch uneingeschränkt empfehlen, die Musicaleinlagen halten sich sehr im Rahmen und dass es im Endeffekt um Kricket geht und man diesen Sport hier nicht kennt, schadet auch nicht, denn man muß das nicht verstehen um zu wissen worum es geht.
Diesen Umstand umgeht der Film ziemlich geschickt, indem das Publikum im Film auch immer erklärt kriegt, was gerade passiert oder was nötig ist, um vielleicht doch noch zu gewinnen.
Worum es in dem Film geht?
Die indischen Bauern müssen jährlich Abgaben von ihrer Ernte an die britischen Kolonialherren leisten, doch in diesem Jahr hat es nicht geregnet und die Briten wollen das dreifache an Abgaben. es geht also um die bloße Existenz der gesamten Region.
Die Briten bieten den Bauern also ein Kricket-Spiel an, sollten die Bauern gewinnen müssen sie nichts zahlen.
Das Problem: Die Bauern haben noch nie Kricket gespielt und kennen das Spiel nicht.
In diesem Rahmen entwickelt sich ein unglaublich intensiver Showdown, der für die Engländer vielleicht nach Spaß aussieht, für die Inder jedoch alles ist, was sie am leben halten würde.
Auch hier muß man die unglaublich gelungene Inszenierung hervorheben, die immer wieder den Zuscahuer im Unklaren darüber läßt, wer denn nun gewinnen wird.
Lagaan ist in diesem Sinne vielleicht am ehesten der erste ernst zunehmende Bollywood-Blockbuster seit langer Zeit, der nicht nur ein paar pubertierende Mädchen, die sich nach buntem Kitsch versehren, ansprechen dürfte.
In keinster Weise spielt er in einer Liga mit Ghandi oder dem indischen Monumentalfilm Mother India, aber er ist sehr unterhaltsam und fantastisch gemacht.
Wie gesagt einige Abstriche für den Revanchismus gegenüber den Briten oder dass es für die Engländerin, die den Indern hilft kein Happy End gibt. Aber ansonsten ein wirklich nettes Filmchen, das auch wirklich was zu sagen hat.
Dass er ins Oscar-Rennen geschickt wurde, zeigt nur wie gut der Film tatsächlich war, denn im Gegensatz zu den englischsprachigen Filmen, sind die nichtenglischsprachigen nominierten Filme meistens wirklich gut bis sehr gut.
8 Punkte