Kontemporärer Trash – THE ASYLUM (10)
100 DEGREES BELOW ZERO
(100 DEGREES BELOW ZERO)
Richard Schenkman (als R. D. Braunstein), USA 2013
Vorsicht – dieses Review enthält leichte SPOILER!
100 Degrees Below Zero (hierzulande mit feinem Titelanhang als 100° Below Zero – Kalt wie die Hölle geführt) lief mir gestern Abend rein zufällig über den Weg, und da dieser Film sowohl das von mir hoch geschätzte Subgenre des Katastrophentrashs vertritt als auch von meiner kalifornischen Lieblings-Ramschbude „The Asylum“ produziert wurde, durfte ich mich gleich doppelt von ihm angesprochen fühlen. Hier gab's also kein Halten mehr.
Die Katastrophe vom Dienst ist diesmal wie so oft ein Vulkanausbruch, der allerlei Erdbeben auslöst (oder ein Erdbeben, das allerlei Vulkanausbrüche auslöst, es ist schnuppe) – und zwar mitten in Europa. Also die Erdbeben – die Vulkane bleiben noch, wo sie sind (zum Beispiel in Island). Die von ihnen ausgestoßenen Rauch- und Aschewolken sind hier aber dennoch das Salz in der Katastrophensuppe, denn ihr Ausmaß ist so gewaltig, dass sie die Sonne verdunkeln, und dies, so weiß zumindest der Wissenschaftler Dr. Goldschein zu prognostizieren, mindestens für die Dauer von zwei Jahren. Zwei Jahre ohne Sonnenlicht bedeuten aber, da liegt man selbst im Hause Asylum richtig, dass es mit der globalen Temperatur demnächst kräftig abwärts gehen wird.
Zumindest die europäische Temperatur will allerdings nicht tage- oder wochenlang warten und marschiert sofort zielstrebig in den Keller – was unsere Helden alsbald zu spüren bekommen. Dies sind einerseits der Ex-US-Air-Force-Pilot Steve Foster und seine frisch angeheiratete zweite Frau Lacey und andererseits seine aus der recht frisch geschiedenen ersten Ehe (arrgh!) stammenden Spät-Teenie- oder Früh-Twen-Kinder (arrrgh!) Ryan und Taryn, die sich gerade in Paris aufhalten, wo Taryn ihren dort studierenden Bruder besucht. Genau einmal darf man jetzt raten, worum sich die Handlung im Folgenden drehen wird – richtig: Steve und Lacey müssen die Kinder suchen und sich dann mit ihnen in Sicherheit bringen. Gütiger Himmel! Lässt sich denn irgendwo noch ein einziger Katastrophenfilm mit einem anderen Handlungsgerüst finden?
Na ja – sei‘s drum. Wie es der Zufall und das Skript wollen, sind Vater und Neo-Schwiegermutter nun gerade unterwegs, und zwar mit dem Kleinflugzeug in Richtung Flitterwochen. Da kann man auch schnell mal in Paris vorbeischauen und die Kids einsammeln. Oder? Nein, kann man nicht, denn die erwähnten Aschewolken zwingen das Pärchen zur Landung in London. Flugverkehr ist unter diesen Bedingungen nicht mehr möglich. Egal – dann geht’s eben mit dem Auto weiter. Und schon düsen Steve und Lacey, die auch unter widrigen Umständen ihren Humor nicht verlieren, mit einem roten Kleinwagen im dicksten Schneetreiben (wie gesagt, das Wetter hat‘s eilig) in Richtung Frankreich. Unterwegs haben sie sogar noch Zeit, das Nummernschild zu wechseln, denn anstelle eines ungarischen (ganz Europa wird hier von Budapest und ein paar umliegenden Landstrichen gedoubelt) trägt der Kleinwagen irgendwann plötzlich ein schwarzes mit weißer Schrift.
Auch egal – unser (erstes) Heldenpärchen erreicht durch den just unmittelbar hinter ihnen einstürzenden Euro-Versorgungstunnel französisches Territorium. Dort schneit und stürmt es aber noch viel mehr als jenseits des Kanals, was schließlich dazu führt, dass Steve und Lacey auf freiem Feld einen Unfall bauen und zu Fuß weitermüssen. Ihr Ziel ist eine französische Basis der US-Streitkräfte, von wo aus sie per Helikopter nach Paris gebracht werden sollen – eine Hilfe, die ihnen von Steves ehemaligem Kampfgefährten Colonel Dillard vermittelt wurde, der seinerseits in einem Drei-Quadratmeter-Büro im deutschen Geilenkirchen (!) sitzt und warum auch immer in der gegenwärtigen Situation ziemlich viel zu sagen hat (so laufen die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaftler bei ihm ein!). Nach einem anstrengenden, aber immer noch mit Humor genommenen Fußmarsch über verschneite Berge und durch einen verschneiten Wald erreichen Steve und Lacey tatsächlich die gesuchte Basis, und da Steve bekanntermaßen in der Air Force gedient hat, kann er den bereitgestellten Helikopter auch gleich selbst fliegen, als der vorgesehene Pilot von einem herabstürzenden Rieseneiszapfen durchbohrt wird.
Während all dessen irrt unser zweites Heldenpärchen, das es schließlich auch noch gibt, etwas orientierungslos durch Budapest, ähm ... Paris und sucht den Eiffelturm, denn dort will sich die Familie treffen (eigentlich ist der gar nicht so schwer zu finden, denn er wurde so ziemlich in jede Budapest-Ansicht hineinkopiert). Auch Ryan und die mit einem knappen T-Shirt denkbar ungünstig bekleidete Taryn müssen sich mit den Wetterkapriolen auseinandersetzen – so stürzen plötzlich ein paar Dutzend fußballgroße Hagelkörner vom Himmel. Nachdem Taryn eins davon gleich volley ins nächste Stadtviertel gekickt hat, beruhigt sich die Lage aber erstaunlich schnell: Schon in der Folgeeinstellung ist die Straße wieder sauber und trocken, und unsere Spät-Teens oder Früh-Twens können ihre an zunehmend nervtötenden Dialogen reiche Suche nach dem Eiffelturm (und warmer Kleidung, es wird Zeit!) fortsetzen.
Nach einigem Heckmeck und gefühlt dreihundert Aufenthalten auf dem Erdboden erreichen sie und eine von Ryan unterwegs aufgegabelte junge Französin tatsächlich das Pariser Wahrzeichen und steigen hinauf – eine ganz schlechte Idee, denn in einem Asylum-Film ist es natürlich Ehrensache, dass der Turm in wenigen Minuten einstürzen wird. Wie gut, dass Steve und Lacey schon mit ihrem Helikopter unterwegs sind ...
Mmh. Ich bin noch am Überlegen, inwieweit ich mich über 100 Degrees Below Zero aufregen oder auch lustig machen soll, denke aber, dass Richard Schenkmans (oder laut Pseudonym R. D. Braunsteins) Arbeit kein allzu großes Theater wert ist. Wir haben hier einen nachgerade klassischen Asylum-Streifen mit allen typischen Schwächen und allen, ähm ... nun ja, Stärken kann man nicht direkt sagen – nennen wir‘s „trashigen Vorzügen“.
Über die erneute unverfrorene Verwurstung des immergleichen „Geschiedene Eltern müssen ihre Teenie-Kinder suchen und retten“-Plots habe ich mich bereits weiter oben angemessen geärgert und will nicht noch einmal darauf eingehen. Gerade wenn man sich dem Genre des Katastrophenfilms verschrieben hat, muss man ohnehin auf diese Unsitte eingestellt sein, denn es wird auch in Zukunft noch zahllose Filme aus allen Preisklassen geben, die ihrem Publikum den gleichen Pfeffer auftischen. (Überdies muss dem Streifen angerechnet werden, dass er eher da war als ungefähr zwölfhundertneunzig andere, die einem in den letzten Jahren mit dem gleichen Familienzusammenführungs- und Teeniekinderrettungskitsch auf die Nerven gegangen sind.) Blicken wir also lieber zur Habenseite von 100 Degrees Below Zero, die tatsächlich nicht gänzlich verwaist ist. So findet man hier ein Personal vor, mit dem sich vergleichsweise gut leben lässt – vor allem mit den Eltern. Im Fall der Kids ist etwas Toleranz und Trash-Erfahrung schon eher gefragt, vor allem bei der Rezeption von Schauspiel und gesprochenem Wort, aber man möchte sie immerhin noch nicht gleich auf den Mond schießen. Auch der Tonfall stimmt: Hundertprozentig ernst nimmt sich der vorliegende Film nicht, und das ist ausgesprochen wohltuend. Hinzu kommt ein nahezu durchgehend hohes Tempo – aber in diesem Punkt brennt bei Asylum-Filmen generell nur sehr selten etwas an. Ja, das ist ein Lob aus objektiver Sicht. Um jetzt aber keinen falschen Eindruck zu erwecken: 100 Degrees Below Zero ist und bleibt natürlich lausige Billig-Grütze, an die sich nur ein handverlesenes Publikum heranwagen sollte. Ob man zu dem gehört, hat man jedoch spätestens nach ein paar Dialogen und den ersten grottigen Trickeffekten herausgefunden – und kann notfalls rechtzeitig die Flucht ergreifen.
Damit ist auch schon die Optik angesprochen, bei der sich erwartungsgemäß ein paar Reserven zeigen. Richard Schenkmans respektive R. D. Braunsteins inzwischen nicht mehr ganz frische Arbeit kommt mit reichlich trostlosen Bildern im TV-Format daher, was zum Teil an wenig attraktiven Schauplätzen (die allerschönsten Straßen Budapests bekommt man hier natürlich nicht zu sehen) und darüber hinaus an einer in der Kinder-Plotlinie fast durchgehend eingesetzten blaugrauen Überfilterung liegt, die vermutlich Kälte suggerieren soll (und auch die tatsächlich vor Ort gedrehte finale Eiffelturm-Sequenz verschandelt). Tricktechnisch bewegt sich 100 Degrees Below Zero weitgehend im Asylum-Mittelmaß, was nichts anderes heißt, als dass es eine ganze Reihe miserabler CGI-Effekte zu bestaunen gibt – auch wenn man aus David Michael Latts Effektabteilung schon Schlimmeres gesehen hat. Besonders weit daneben sind hierbei traditionell die durch Beben hervorgerufenen „Risse“ in Straßen und Gebäuden.
Auch die Darstellerleistungen sind kein Fall für Genießer. Mit Jeff Fahey und John Rhys-Davies kreuzen hier zwar sogar zwei richtig bekannte Leute auf, aber retten können sie auch nichts. Das gilt vor allem für den Letztgenannten, der als Colonel Dillard eine erbärmliche Vorstellung abliefert (schon die viel zu große Uniform will ihm überhaupt nicht stehen). Jeff Fahey macht derweil als Steve zumindest einen sympathischen Eindruck, was auch für Judit Fekete gilt, die an seiner Seite als Lacey zu sehen ist. Mit den beiden reist man ausreichend gern durchs eisige Mitteleuropa. Im Fall der Kids geht es derweil schauspielerisch beängstigend weit bergab, wobei sich Sara Malakul Lane als Taryn noch halbwegs würdevoll hält und auch guten Willen zeigt, während Marc Ewins als Ryan nicht nur mies spielt, sondern auch durchweg mies gelaunt zu sein scheint. Vielleicht liegt das daran, dass er sich in ungefähr jeder zweiten seiner Szenen auf den Boden werfen muss („Erdbeben“ ...) – was sich, wenn man erst einmal darauf aufmerksam geworden ist, zu einem veritablen Running Gag entwickelt. Sara Malakul Lane, den Namen vergisst man nicht so schnell, habe ich indes schon in einigen anderen Werken der unteren Preisklasse gesehen (zuletzt deutlich jünger im Steven-Seagal-Heuler Belly of the Beast) – wenn ich mich recht entsinne, aber noch nie mit Sommersprossen. Möglicherweise haben die hier einen besseren Auftritt verhindert. Erwähnt sei noch Zsófi Trecskó als von Ryan aufgegriffene Französin – bei ihr reicht's, dass sie attraktiv aussieht, da sie nichts anderes zu tun hat, als Ryan und Taryn hinterherzurennen. Der Score stammt schließlich vom Asylum-Hauskomponisten Chris Ridenhour persönlich und gehört zu seinen besseren Arbeiten, weil er nicht mit dem üblichen synthetischen Einheitsbrei, sondern mit angenehm zurückhaltenden und auch zurückhaltend instrumentierten Klängen (bis hin zum Toy-Piano-Solo) daherkommt. Es wird zwar vornehmlich nur ein und dasselbe Motiv durchgenudelt, aber wie gesagt: Es ist ein weithin angenehmes.
Und schon habe ich einen weiteren Asylum-Streifen gesehen – bleibt die Frage, ob er es wert war. Die lasse ich erst einmal Frage sein und konstatiere, dass 100 Degrees Below Zero ebenso anspruchs- wie sinnfreier und sträflich ideenarmer Katastrophentrash aus der C-Klasse ist, der bei allen massiven und ursprungstypischen Problemen immerhin für sich verbuchen kann, ausgesprochen flott daherzukommen, ein paar schöne unfreiwillige Lacher zu liefern und nicht unsympathisch zu sein. Das muss reichen, und aus der Sicht des Trash-Freunds reicht es auch – obgleich die vom Titel reißerisch angekündigten hundert Grad minus natürlich ein leeres Versprechen sind. Aber zurück zur Frage: Ja, er war es wert, wenn auch knapp. Was ich gesehen habe, war solider Asylum-Durchschnitt – begeistern wollte mich das als inzwischen allzu erfahrenen Katastrophentrashkomplettisten zwar nicht, aber für einen entspannten Abend hat‘s gereicht.
PS: Tatsächlich erschien im Jahr 2005 ein vermutlich ähnlich gelagerter, auf jeden Fall aber ähnlich übel beleumundeter kanadischer Film, der sich des fast identischen deutschen Titels Eiskalt wie die Hölle erfreut (im Original Absolute Zero) – und ebenfalls Jeff Fahey (!!) als Hauptdarsteller aufzuweisen hat! Sachen gibt’s ...
Objektiv 3 von 10 Punkten.