Wir schreiben das Jahr 1975. Der Geschäftsmann und Ölsucher Robert Harper befindet sich mit seinem Freund Ralph, sowie einem Pilot und dessen Frau auf dem Weg zur philippinischen Hauptstadt Manila.
Als sie unterwegs mit ihrem Kleinflugzeug auf der Insel Mindanao einen Zwischenstopp einlegen, finden sie das zugehörige Basislager im Urwald verlassen vor. Einzig eine blutüberströmte Waffe, die von Eingeborenen zu stammen scheint, zeugt von schrecklichen, vergangenen Geschehnissen.
Schon kurz darauf bricht die Dämmerung herein und die Gruppe sieht sich gezwungen, bis zum nächsten Tag in der Einöde auszuharren. Als in der folgenden Nacht die Freundin von Charlie, dem Piloten, verschwindet, machen sich die drei Männer auf die Suche nach der Vermissten. Bei der Unternehmung tappt Charlie bald in eine Falle und stirbt einen höchst unerfreulichen Tod. Ziemlich schockiert verlieren Robert und Ralph die Orientierung und gelangen schliesslich an einen Fluss, wo Ralph vermeintlich einen Wasserfall hinunterstürzt.
Der völlig entkräftete Robert ist von nun an auf sich alleine gestellt. Nachdem er, hilflos und von Hunger getrieben, offenbar ungeniessbare Pilze isst, bricht er endgültig zusammen. Just als er wieder zu sich kommt, wird er von einem Kannibalenstamm (offenbar der letzte seiner Art, wie es bereits der Titel suggeriert) gefangengenommen und - in der Annahme, der Fremde sei ein Vogelmensch und könne fliegen - in eine Art überdimensionalen Vogelkäfig gesperrt. Während der folgenden Gefangenschaft muss Robert verschiedene Demütigungen und Grausamkeiten überstehen.
Schliesslich gelingt ihm zusammen mit dem attraktiven Eingeborenenmädchen Pulan, die er sich gefügig macht, die Flucht aus der Zufluchtsstätte der Primitiven. Verfolgt von den wütenden Kannibalen hat er nur ein Ziel: Er muss das Flugzeug erreichen und aus dieser Hölle entkommen.
Die Geschichte an sich ist nicht neu, sie folgt mehr oder weniger dem, was Umberto Lenzi ein paar Jahre zuvor bereits in seinem IL PAESE DEL SESSO SELVAGGIO durchexerzierte. Ruggero Deodatos ULTIMO MONDO CANNIBALE schildert den Kampf des Menschen gegen die archaische Übermacht der Natur, wo jegliche Regeln der zivilisierten Welt ausser Kraft scheinen. Fressen und Gefressen werden - immer wieder beispielhaft dargestellt an verschiedenen sich gegenseitig verzehrenden Tiere - und das Recht des Stärkeren sind hier unmissverständlich das Motto. ULTIMO MONDO CANNIBALE liegt somit durchaus in der latent rassistischen und vom Sozialdarwinismus geprägten Tradition der Mondo-Filme eines Jacopettis oder auch in der eines amerikanischen Westernklassikers wie MAN CALLED HORSE von Elliot Silverstein - bei dem die Indianer nur dank der überlegenen Kraft des weissen Mannes zum Sieg geführt wurden.
So verwundert es kaum, dass auch bei Deodato der zivilisierte Mensch, zwar geschunden, aber letztlich doch als Sieger aus dem Klassenkampf hervorgehen darf.
Nicht minder geschmacksunsicher ist die Darstellung des Eingeborenenstamms ausgefallen. Bereits im Vorspann skizziert Ruggero Deodato die nachfolgenden Ereignisse als wahre Gegebenheiten und rückt sein ULTIMO MONDO CANNIBALE damit in die Nähe des Dokumentarfilms. Tatsächlich beschränkt sich der Hauptteil des Werks auf die wort- und kommentarlose Bebilderungen des Gemeinschaftslebens der Sippe, sowie auf vermeintlich authentische Stammesrituale. Der Bilderbogen an Absonderlichkeiten umfasst unter anderem die Geburt eines Kindes mit anschliessender Kindstötung, die Schlachtung und Verspeisung eines Krokodils, eine versuchte Vergewaltigung, die Folterung eines Stammesangehörigen ohne sichtbaren Grund und zu guter Letzt den recht drastisch dargestellten Verzehr von Menschenfleisch - der dem Film auch die Einordnung in das Kannibalenfilm-Genre einbrachte.
Der Eingeborene ist bei Deodato ganz Tier - reduziert auf seine archaischen Urinstinkte ohne moralisches oder ethisches Gewissen. Ein Tier, das man an der Leine führt und nur durch eine Vergewaltigung gehorsam machen kann (beides wird bildlich wiederum recht anschauliche illustriert).
Obwohl sich Deodato für seine Darstellung des Stammes auf einen Bericht im National Geographic (über einen angeblichen Kannibalenstamm auf den Philippinen) beruft und das Filmteam die Dreharbeiten tatsächlich im Dschungel bei einem indigenen Volksstamm verbrachte, ist das Endprodukt ganz auf das Bedürfnis eines sensationslustigen und nach morbider Exotik dürstenden Kinopublikum ausgerichtet.
So ist Mondo Cannibale in seiner drastischen Bebilderung des Stammeslebens in letzter Konsequenz genau so manipulativ und verklärend wie der zehn Jahre spätere entstanden THE MISSION von Roland Joffé - der uns, zwar völlig konträr zu ULTIMO MONDO CANNIBALE, das Leben der indigenen Bevölkerung als idealisierter Kitsch mit Reiseführer-Romantik zeigen wollte. Wobei mir von den geschilderten Herangehensweisen diejenige von Ruggero Deodato noch als die ehrlichere und weniger rassistische erscheint.
Bizarr ist bei ULTIMO MONDO CANIBALE auch die Verbindung von Exotik mit allerlei nackten Tatsachen. Der Umstand, dass die Eingeborene allesamt nackt herumlaufen, macht sich Deodato zu nutzen, um dem Zuschauer ein Sammelsurium von erotisch bis abnormen Szenen zu präsentieren: So gibt es etliche Penisse und Brüste in Grossaufnahmen zu bewundern, eine verzweifelte Bitte um Essen führt aus einem Missverständnis heraus zu einem „Hanjob" und der Held bändigt das Stammesmädchen Pulan schliesslich durch eine Vergewaltigung - der widerwärtige Höhepunkt ist in dieser Hinsicht wohl das Urinieren dreier Knaben auf den geschundenen Körper des Filmhelden (woran ziemlich sicher nichts gestellt wurde).
Dass all diese Szenen nur dem (höchst spekulativen) Selbstzweck und nicht einem aufklärerischen Plädoyer für das Verständnis fremder Kulturen dienen, versteht sich von selbst.
Trotz all den aufgezählten Widerwärtigkeiten, übt die Selbstfindungsreise von Harper - eine Art Rückkehr zu den Urkräften der Menschheit und die Überwindung der ungezähmten Natur - auf den Zuschauer unstrittig eine gewisse Faszination aus. In einer kurzen Sequenz gleich zu Beginn diskutiert Harper mit Ralph darüber, wie schmal doch der Grat der zivilisierten Welt zu den brutalen Primitiven ist. Um in dieser unzivilisierten, archaischen Welt zu überleben, wandelt sich Harper vom ängstlichen Grossstädter selbst zu einem Wilden. Er legt zunehmend den Deckmantel der Zivilisation ab, irrt fortan nackt durch den Dschungel und wird - indem er letzten Endes selbst vor Vergewaltigung und Kannibalismus (auch wenn er die Innereien nur in den Mund nimmt und nicht schluckt) nicht mehr zurückschreckt - selbst zum Tier. Ob ein Mensch eine Bestie ist oder werden kann, so könnte man den Film durchaus deuten, hängt wohl nicht von seiner Genetik, sondern von den Umständen ab, in der dieser hineingeboren wird. Der Mensch passt sich nur den Äusserlichkeiten an; er adaptiert sich an die Natur oder an Extremsituationen. Das Tier, wenn man so will, steckt in jedem von uns.
Unklar bleibt jedoch, ob der finale Einblender - dass Harper nach der Flucht aus dem Dschungel heute mit Frau und Kind glücklich auf einer Farm lebt - als purer Zynismus oder widerwärtiger Kitsch zu werten ist.
Auf jeden Fall gewinnt ULTIMO MONDO CANNIBALE durch diese Selbstentfremdungsgeschichte von Robert Harper erstaunlich an Tiefe und erinnert in seiner Thematik etwas an John Boormans ähnlich angelegten DELIVERANCE - jedoch ohne je dessen Brillanz und Schlagkraft zu erreichen; dafür ist das Endprodukt in sich dann doch zu widersprüchlich und unbeholfen.
Das Thema Kannibalismus schwebt zwar ständig in der Luft, ist für den Film aber eher nebensächlich und wird erst am Schluss in zwei kurzen Sequenzen bildlich dargestellt. Das unschöne Bild des Menschenfressers ist hier letztlich nur eine etwas drastische und leicht sozialdarwinistisch angehauchte Allegorie auf den angesprochenen brutalen, täglichen Überlebenskampf in der freien Wildnis.
Nicht nur durch den Verzicht auf ausgedehnte Fressorgien unterscheidet sich ULTIMO MONDO CANNIBALE von den späteren Lenzi-Reissern EATEN ALIVE oder CANNIBAL FEROX, sondern auch durch seine formalen Qualitäten: Ruggero Deodatos Kameramann Marcello Masciocchi gelingen einige atemberaubende Aufnahmen des südostasiatischen Dschungels; die Kamera rauscht in hypnotischen Bildern durch das Dickicht, durch Höhlenkomplexe oder hinweg über Wasserfälle und zieht den Zuschauer stets ins Geschehen mit ein. Man glaubt diesen Wald selbst riechen zu können, man spürt die Schwüle, den Dampf und diese überall lauernden, allgegenwärtigen Gefahren.
In seinen besten Momenten funktioniert der Film komplett ohne Worte. Als aussenstehender Betrachter sehen wir, wie Harper gefangen genommen wird, oder wie er dem Wahnsinn nahe durch die Wildnis rennt - und lauschen dazu einzig den markdurchdringenden Schreien der Eingeborenen oder der beeindruckenden Geräuschkulisse des Dschungels.
Der grossartige italienische Theaterdarsteller Massimo Foschi ist in der Rolle des Robert Harper schlicht eine Wucht. Mit Bewunderung und einer gehörigen Portion Mitleid muss man mit ansehen, was dieser Mann alles über sich ergehen lässt. Selbst für das Befummeln seines Penisses durch ein paar neugierige Eingeborene ist er sich nicht zu schade. Sowas darf man wohl getrost als vollen Körpereinsatz bezeichnen! Da das Filmteam um Deodato die Dreharbeiten tatsächlich im unwirtlichen malaysischen Dschungel unter nicht ungefährlichen Bedingungen verbrachte, liegt die Vermutung nahe, dass vieles was Foschi an Angst, Wahnsinn und Zerrissenheit ausstrahlt, nicht nur gespielt, sondern durchaus auch real war. Auf jeden Fall ist eine derartig faszinierende und eindringliche Charakterdarstellung für das europäische Exploitationskino der damaligen Zeit doch eher ungewöhnlich.
Der Rest des Casts ist nebensächlich: Ivan Rassimov setzt als Ralph einige Akzentpunkte und Me Me Lai glänzt - ebenfalls mit vollem Körpereinsatz - als wahrscheinlich einzig hübsches Eingeborenenmädchen des gesamten Films.
Die angesprochenen formalen und schauspielerischen Qualitäten sorgen dafür, dass ULTIMO MONDO CANNIBALE bis zum Schluss ein durch und durch ernster und düsterer Film bleibt, der nie auch nur ein klein wenig in die Trash-Gefilde einiger seiner späteren Genre-Kollegen abzurutschen droht. Dieser Umstand steht in krassen Widerspruch zu seinem teilweise doch geschmacklos-voyeuristisch und eindeutig kolonialistisch gefärbten Inhalt. Trotz aller Abstrusitäten und dem latenten Rassismus bleibt Deodatos Werk eben auch eine wunderschön verpackte, zum Teil durchaus bissige Gesellschaftssatire und definitiv ein zu Unrecht etwas verkannter, subversiver Klassiker des Exploitationfilms.
Es ist letztlich diese Ambivalenz, die ULTIMO MONDO CANNIBALE so faszinierend und gleichzeitig schwer verdaulich macht - der Film trifft zweifellos auch heute den unvorbereiteten Zuschauer noch mitten ins Gesicht; er macht wütend und wühlt auf. Ja, ULTIMO MONDO CANNIBALE verlangt vom Zuschauer einiges ab, und zufrieden wird er nach der Sichtung kaum jemanden zurücklassen. Warhscheinlich sollte er das auch gar nicht.