Die Navy Seals, das kennt man hinlänglich aus dem Kino, sind ein harter Haufen. Der Stolz der amerikanischen Armee wird folglich nicht zu Unrecht in die undankbarsten Einsätze rund um den Globus geschickt. So auch im neuen Actionfilm Peter Bergs, der bisher mit solider Genrekost wie „Welcome to the Jungle" (2003) oder „Operation Kingdom" (2007) verwöhnte, uns allerdings auch langweilige Comicflausen à la „Hancock" (2008) oder „Battleship" (2012) servierte. Es war also im Vorfeld der Veröffentlichung seines aktuellen Kriegsactioners „Lone Survivor" völlig offen, ob sein filmischer Beitrag zum Afghanistankrieg etwas taugen würde oder nicht. Sicher erwartete niemand einen zweiten „Black Hawk Down" (2001), der in seiner makellosen Inszenierung und beinahe epischen Bildgewalt so ziemlich jede Genrekonkurrenz mühelos aus dem Rennen fegt, doch durfte man angesichts der doch recht ansprechenden Psychopathen-Hatz in Arabien unter der Leitung Jamie Foxx‘ vor sieben Jahren guter Dinge sein, dass die unvollendete Großbaustelle des Kriegs gegen den Terror den Hintergrund für einen weiteren überzeugenden Actionfilm aus dem Hause Berg abgeben würde. Doch der Mann schwächelt. Es misslingt ihm nicht nur, Logikfehler vom Format eines „Battleship" zu umschiffen, sondern auch, seine zweifelsohne als Heldenepos ins Werk gesetzte „wahre" Geschichte um ein dezimiertes Team von vier Elitesoldaten unpathetisch und geistreich zu erzählen.
Afghanistan im Jahr 2005. Ein kleines Vier-Mann-Kommando gut ausgebildeter Spezialkräfte soll im Feindgebiet für den später folgenden Einsatz gegen einen gesuchten Talibanführer Aufklärungsarbeit leisten. Doch bei der Sondierung des Zielobjekts geschieht etwas Unvorhergesehenes - die Männer werden im Gebirge von einem Ziegenhirten und seinen beiden Söhnen entdeckt. Nach der Überrumpelung der ungebetenen Besucher stellt sich die Frage, wie man nun vorgehen soll. Die Drei laufen lassen und somit Mission sowie das eigene Leben gefährden oder heimlich und CNN-unfreundlich die Zeugen beseitigen? Man entscheidet sich folgenschwer dafür, die Zivilisten gehen zu lassen und den Rückzug anzutreten. Doch die nur wenig später informierten Taliban unten im Camp sind inzwischen in ihre Siebenmeilenstiefel geschlüpft und haben so die Amerikaner innerhalb weniger Stunden gestellt. Ein Feuergefecht entbrennt, das die eingeschworene Gemeinschaft der vier Soldaten viel Blut, Tränen und Leben kostet.
Es sollte für einen unvoreingenommenen europäischen Menschen kein Problem darstellen, dass ein Regisseur es sich zur Aufgabe macht, einer Gruppe zweifelsohne mutiger Männer ein filmisches Denkmal zu setzen. Erst recht, wenn die Beteiligten vor ihrem gewaltsamen Tod mehr gelitten haben, als es sich der gemeine Durchschnittsbürger in seinem wohltemperierten Wohnzimmer überhaupt vorstellen kann. Diesen Leuten gebührt der Dank ihres Landes. Doch so sehr man es dreht und wendet, als Konsumenten eines filmischen Produkts möchte man unterhalten und nicht gelangweilt werden. Und es gibt wenig Peinlicheres, als einer sich an wahren Ereignissen orientierenden Geschichte seifigen Pathos als authentisches Moment unterzujubeln. Feierliches Ergriffensein bei einer filmischen Inszenierung ist immer auch Kommentar. Und mit genau dem sollte man als ein Filmemacher, der nicht der Elefant im Porzellanladen sein möchte, behutsam umgehen. Sonst könnte man nämlich nicht ganz unbegründet auf die Idee kommen, dass das Gezeigte womöglich doch keine solide Wiedergabe von tatsächlich Geschehenem ist. Und in der Tat überzeugt „Lone Survivor" hier nur mit Abstrichen.
Um die Leidensfähigkeit und die antrainierte Härte der Jungs im US-Flecktarn zu unterstreichen wird bei Berg nicht nur kurz über die Klinge gehopst, sondern wahrhaft episch gestorben. Die Genreveteranen Wahlberg und Foster werden zusammen mit ihren zwei unbekannteren Kameraden unter anderem wehrlos verprügelt, genüsslich mit Kugeln perforiert, halb erwürgt, Klippen runtergeschubst und malerisch in die Luft gesprengt. Dabei beweisen die Vier eine Ausdauer, die selbst den Terminator beeindrucken würde. Wieder und wieder zeigen uns Bergs Nahaufnahmen ein traumatisiertes, jedoch nicht minder entschlossenes, halbtotes Seal-Gesicht ins Standbild gemeißelt als Verkörperung der quasi passionsgleichen Hingabe an die Sache. Dabei sieht das in den Fokus gerückte äußere Erscheinungsbild binnen Kurzem etwa so aus wie das eines erfolglosen Fallschirmspringers, was natürlich eindringlich die Not der Soldaten unterstreicht. Wenn allerdings dann das bereits zwölfte und dreizehnte Geschoss den wertvollen Seal-Körper trifft und zermantscht, dessen stoischer Besitzer weiterhin buchstäblich bis zum letzten Blutstropfen Widerstand leistet, dann wirkt der von Berg erzählte Überlebenskampf latent unglaubwürdig. Dass nach Abschluss der Geschichte unter kitschigem Gedudel die ungleich weniger fotogenen Visagen der Originale durchs Bild geschwenkt werden, versalzt die Suppe ausgangs leider endgültig.
Wo der von Berg abgelieferte Heldenfilm halbwegs überzeugend funktioniert, ist der Mittelteil mit seiner spannenden Inszenierung der sich zurückziehenden Seals und deren Horchen und Blinzeln ins bedrohliche Dickicht hinter ihnen. Dabei unterstreichen die für Afghanistan auffallend pittoresken Landschaftsausnahmen die Atmosphäre als überraschend ansprechendes Lokalkolorit, das allerdings in Wirklichkeit mexikanische Nationalparks zeigt. Auch macht die Schießerei anfangs richtig Spaß, jedenfalls so lange bis die Vier es übertreiben mit ihrem epischen Untergang. Und selbst an dieser Stelle des Films, sozusagen zum Zeitpunkt des Drehbuchzenits, fordert der leider immer wieder durchschimmernde schlechte Geschmack des Regisseurs seinen Tribut. Wenn sich die Supersoldaten brav gegenseitig deckend mit dem Feind ein heftiges Feuergefecht liefern, das sie ohne Not mitten im Wald und ohne Schussfeld ausfechten, dann scheint es hier so eine Art Spleen zu sein, den Gegner beim Pirschen durchs Unterholz dadurch auf sich aufmerksam zu machen, dass man ohne Unterlass nach dem wie einen Bruder geliebten Kameraden ruft. Selbst der blutjüngste Rekrut würde in so einer Situation wissen, dass man besser die Klappe hält - sonst ruft nur noch der Nachruf.
So schön die Ballereien beim ungenauen Hinsehen unterhalten, so sehr missfällt bei schärferem Blick das eigentlich dilettantische Herumtrollen der Jungs auf dem Berg. Und genau hier müsste die Stärke eines solchen Films liegen. Vor allem, da echtes Gespür für sachliche Darstellung und behutsames Porträt dem Regisseur abgeht. Dass die filmische Umsetzung des gleichnamigen Buchs und Augenzeugenberichts „Lone Survivor" von Marcus Luttrell derzeit so überaus erfolgreich in den Staaten ist, lässt sich nur dadurch erklären, dass bei all dem realen Leid nach etwas Brauchbarem in all dem Unbrauchbaren Ausschau gehalten wird. Und das war, ist und wird immer zum Beispiel das Entertainment sein. „Lone Survivor" ist weder verabscheuenswert noch lehrreich. Er ist weder spannungsarm noch fesselnd. Er ist schlicht ein als authentisch beworbener Actionfilm im Kriegssetting, den man mit etwas mehr Feingefühl und Köpfchen wesentlich wohlschmeckender hätte servieren können.