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Das New Yorker VICE-Magazin ist immer für reißerische Storys abseits des Normbereichs offen. Aus diesem Grund heften sich zwei Sensationsreporter samt Kamerateam an die Fersen von Patrick, der seine Schwester an eine Art Sekte verloren glaubt. Gemeinsam chartert die Gruppe in ein „außeramerikanische“ Land. Auf einer weitläufigen Fläche finden sie umringt von Wald und völlig abgeschnitten von jeglicher Zivilisation die Siedlung „Eden Parish“ vor. Sich modernen Kommunikationsmedien und allen Kontakten nach außen verwehrend, verlebt die hoch religiöse Gemeinde ihren sorgenfreien Alltag in ungestörter Harmonie und Gleichheit. Gesellschaftliche Probleme wie Rassismus, Drogensucht oder Kriminalität liegen in weiter Ferne. Nach anfänglichem Erklärungsbedarf bei den bewaffneten Wachen ist das Kamerateam herzlich willkommen. Über Lautsprecher ertönt die fürsorgliche Predigerstimme des Anführers der Gemeinde, von allen nur liebevoll „Father“ genannt. Patricks Schwester ist schnell ausfindig gemacht. Ihr geht es an diesem magischen Ort wunderbar. In die verkorksten USA will sie nicht mehr zurück.
…Es hätte so ein schönes Ende sein können. Doch der Schein trügt. „Father“ ist ein Phrasendrescher und waltet über seine Schäfchen in einer Schreckensherrschaft…

US-Nachwuchstalent Ti West (CABIN FEVER 2, HOUSE OF THE DEVIL, ABCs OF DEATH) liefert mit THE SACRAMENT einen gelungenen, bitterbösen Beitrag zum schon etwas ausgelutschten Found-Footage-Horror ab. Das von Folterporno-Papst Eli Roth produzierte Werk stellt Wests bislang eindruckvollste Arbeit dar. Der Film veranschaulicht auf überaus eindringliche Weise die Mechanismen von fehlgeleiteten Sekten. Eine willensschwache Gefolgschaft als bester Nährboden für Fanatismus und Ausbeutung. Der Streifen lässt die Seifenblase vom Hippietraum in einem pechschwarzen Platzregen aus Selbstzerstörung und Massenvernichtung explodieren. Besonders abscheulich: der falsche Apostel „Father“ – ein widerlicher, alter Knacker. Redegewandt und nach außen hin das Messias-Gewand tragend, jedoch mit der durchschimmernden Diabolik von HUMAN CENTIPEDE’s Dr. Heiter gesegnet.
Die an die wahren Begebenheiten des Jonestown-Massakers (1978) angelehnte Story macht aufgrund ihrer herben Realitätsnähe nur sehr wenig Spaß, fesselt aber von Minute 1 an ungemein. Von Minute 1 an ist aber auch klar, dass es mit der Kommune alles andere als ein gutes Ende nehmen wird. Ohne zu viel verraten zu wollen, doch es enden einige Sektenmitglieder mit Schaum vorm Mund.
THE SACRAMENT lief in München als Opener zu den Fantasy Filmfest Nights 2014. Einen nihilistischeren, mehr niederschmetternden und heftiger in die Magengrube tretenden Auftakt hätte man sich wohl kaum wünschen können.

Halleluja: (+)(+)(-)(-)(-)
Gott lebt in seinem heiligen Tempel…“: (+)(+)(+)(+)(+)

"This Is It." (begrüßende Texttafel am Eingang zu „Eden Parish“)

Fazit:
Knüppelharter, bis an die Kotzgrenze beanspruchender Sektenschocker im Found-Footage-Gewand. Verdammt harter Tobak!

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