Review

ACHTUNG: Dieses Review bemüht sich nicht zu spoilern, dennoch werden Vergleiche gezogen, die gewisse Vorkenntnisse voraussetzen, weswegen der Text bestmöglich nur von Leuten gelesen werden sollte, die das Original von Park Chan-wook kennen!

Kommen wir heute zu einem Remake, bei dem von Vornherein klar steht, dass es nur schlechter sein kann als seine Vorlage. Da braucht man gar nicht lange über Ebenbürtigkeit, Neuinterpretation oder Andersauslegung diskutieren. Da ist klar: Der Neue ist schlechter.
Die Rede ist von OLDBOY, der zehn Jahre nach dem Original seine US-Adaption erfährt. Hurra! Da warten wir alle ja schon sehnsüchtig drauf! Regie führt Spike Lee (SUMMER OF SAM, DO THE RIGHT THING, CLOCKERS), was im Vorfeld wenigstens so etwas ähnliches wie einen Hoffnungsschimmer bedeutete.

In die Rolle von "Oldboy" Joe Doucett schlüpft Josh Brolin (NO COUNTRY FOR OLD MEN, W., DIE GOONIES). Er mimt den fulgären Geschäftsmann und Schwerenöter, der säuft, pöbelt und wild in Seitengassen uriniert als hätte er nie etwas anderes getan. Nach einem alkoholhaltigen Geschäftsessen, das er der Geburtstagsfeier der Tochter vorzieht, wird er wie im Original von Unbekannten verschleppt und in eine wie ein Hotelzimmer eingerichtete Gefängniszelle gesperrt, die für 20 Jahre (im Original: 15 Jahre) sein Zuhause bedeuten soll. Ohne die Möglichkeit menschlichen Kontakt aufnehmen zu können, wird der Fernseher sein Fenster zur Welt. Via TV verfolgt er Präsidentschaftswahlen, 9/11, aber auch wie er als Mörder an seiner Frau gesucht wird. Nach 20 Jahren also wird er, so plötzlich wie er aus dem Alltagsgeschehen gerissen wurde, wieder ausgesetzt - ganz getreu der Vorlage: in einem Koffer. Im Folgenden macht sich Doucett daran, die Hintermänner, die für seine Gefangenschaft verantwortlich sind, ausfindig zu machen, ohne zu ahnen, dass er selbst längst Spielball eines gigantischen Rachekomplotts ist.

Das Remake ist sehr nah am Original gehalten. Einige Szenen sind 1:1 recycelt worden, andere findet man in entschärfter Version vor. Macht man sich daran die Unterschiede aufzuarbeiten, so ruft man sich unweigerlich in Erinnerung, was man so toll am Original von Park Chan-wook fand:
- Statt von Ameisen phantasiert Protagonist Joe während seiner Zwangsisolation vom Sarotti-Mohr.
- Der Hammer kommt zum Einsatz, jedoch ohne die Zeichentrick-Striche.
- Es gibt kein "Last Waltz",
- keine Oktopus-Szene (der einzige Tintenfisch findet sich hier wohlbehütet in einem Aquarium) und
- der markante Spruch "Lache und die Welt lacht mit dir, weine und du weinst allein" wird ausgetauscht durch sarkastische "What Can We Do To Improve Your Stay?"

Auch im Remake kommt die Inzest-Thematik auf den Tisch, wenn auch in leicht abgeänderter Form. Nachdem zunächst Joe ordentlich ausgeteilt hat, bekommt der Haudegen die Retourkutsche für seine unbedachten Rüpelhaftigkeiten in Jugendtagen. Das Karma-Prinzip schlägt voll zu. Auch bei Spike Lee wird klar, dass das eigentliche Arschloch Joe ist. Jedoch schludert das Remake inszenatorisch und stellt keine derart zwingende Zweckmäßigkeit einer so harten Strafe, wie sie Joe widerfährt, her. Dies liegt vor allem an einem: dem Hauptracheengel und Drahtzieher im Hintergrund, gespielt von Sharlto Copley (DISTRICT 9). Keine Spur der diabolischen Überlegenheit, sondern einfach nur unglaubwürdig und lächerlich. Viel spürbarer im Vergleich: Samuel L. Jackson als Leiter des Gefängnishotels. Zeitweise mit blondem Iro und er darf "Motherfucker" sagen - cool!

Das Remake ist zu nah am Original, um etwas Eigenständiges darzustellen, weshalb sich permanent der Vergleich aufdrängt. Es hagelt inszenatorische Mängel. An allen Ecken und Enden könnte man mäkeln oder hat man das Gefühl, dass man etwas hätte besser machen können. Nimmt man es genau, hatte aber freilich auch die Vorlage von Chan-wook inhaltliche Schwächen. Jedoch bestach diese durch seine jede Faser des Herzens durchströmende Melancholie, seine negative Grundstimmung, sein Gefühl von allumfassender Einsamkeit und weltlicher Losgelöstheit. Oh Dae-soo lieferte 2003 als moderner "Graf von Monte Cristo" eine einfach herzergreifend tragische Figur ab. 2013 ist selbiges mit Joe Doucett leider nicht gegeben.

Fazit:
Oh Boy! Bis auf Samuel L. Jackson komplett dem Original unterlegen.

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