Ohne Absprache mit seiner tabelettensüchtigen und an Krebs erkrankten Ehefrau Violet (Meryl Streep) engagiert der pensionierte Lehrer und Alkoholiker Beverly (Sam Shepard) ein indianisches Hausmädchen. Als Beverly kurz darauf verschwunden ist, trommelt Violet die Familie zusammen. 5 Tage später wird er tot aufgefunden. Beim Leichenschmaus brennen alte und neue Konflikte auf…
„Das Leben ist sehr lang“ Mit dem Zitat von T.S. Eliot (1888-1965) beginnt John Wells („Company Men“ 2010) Familiendrama, weise ausgesprochen von einem lebensmüden Ex-Poeten und Alkoholiker. Dann betritt seine vom Krebs gezeichnete und vom Selbstmitleid zerfressene Ehefrau das Feld und beschimpft heftig das neue Hausmädchen und den Gatten. Dieser zitiert noch mal Eliot („wir tanzen um den Dornenbaum“) und dann erklingt Eric Claptons „Lay Down Sally“ während die Kamera über das saftige Grün der Osage Plains (Oklahoma) streift und am Gartenzaun von Familie Weston anhält. „I know you’ve got somewhere to go, but won’t you make yourself at home and stay with me”. Doch als endlich die ganze Familie wieder zu Hause angekommen ist, hat sich der Vater bereits das Leben genommen.
Und das ist nur die Ausgangssituation, denn nach seinem Begräbnis entzündet sich ausgerechnet bei der familiären Trauerfeier ein so heftiger Streit an diversen Fronten, wie man ihn im Kino seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hat! Und später, wann immer ein kurzer, melancholischer Augenblick das Kesselflicken unterbricht, wird es danach garantiert noch schlimmer. Im Mittelpunkt des Geschehens steht immer Beverly, die nicht nur behauptet alles über die Ihren zu wissen, dargestellt von einer unübertrefflichen Meryl Streep, die wahrscheinlich nur bei deshalb der Oscarverleihung leer ausgegangen ist, weil sie schon 3 Trophäen hat (bei bisher 18 Nominierungen!). Kongenial aber auch der komplette Cast mit Julia Roberts (ebenfalls Oscar-nominiert) als Tochter und Papakind, frisch verlassen von Bill (Ewan McGregor bleibt lange im Hintergrund), natürlich auch ihre Film-Schwestern Julianne Nicholson („Staten Island“ 2009) in einer denkbar tragischen Rolle und Juliette Lewis („From Dusk till Dawn“ 1996) als Familienflittchen. Unbedingt erwähnenswert auch Benedict Cumberbatch („Amazing Graze“ 2006) als „little“ schwarzes Schaf und Chris Cooper („American Beauty“ 1999), der ein unvergessliches Tischgebet spricht. Es wird viel gelacht im Kant Kino, doch es ist das Lachen, das einem immer wieder im Hals stecken bleibt.
Basierend auf dem gleichnamigen, mit dem Pulitzer Preis ausgezeichneten Bühnenstück, erinnert „August: Osage County“ (Originaltitel), Stichwort Jahrzehnte zurück, an Mike Nichols „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ (1966) und hat ebenso das Zeug zum Klassiker. (9,5/10)