Spinnt ein Netz in deinem Kopf & du bist gefangen!
Es gibt auch in jüngster Vergangenheit noch Filme, die mich so umgehauen, verwirrt & gleichzeitig begeistert haben, dass ich sie fast mit den ersten Eindrücken einiger Meisterwerke von Kubrick oder Tarkovsky auf mich vergleichen würde. Ob ein "Under The Skin" oder eben "Enemy" auch in Jahrzehnten noch so einen Nachhall haben werden wie "2001" oder "Solaris", bleibt natürlich abzuwarten & anzuzweifeln. Aber trotzdem ist es schön zu sehen, dass solche verschachtelten, extrem cleveren Werke überhaupt noch produziert werden. Villeneuve baut mit diesem Psychotrip seine beeindruckende Serie an tollen Filmen aus & man muss sich um den neun Blade Runner, den er übernimmt, trotz unermesslich hohen Erwartungen wenig Sorgen machen. Spoilerwarnung direkt mal, da es schwer ist, meine komplette Begeisterung ohne diese rüber zu bringen.
"Enemy" handelt oberflächlich von einem gelangweilten Professor, der eines Tages in einem Film einen Darsteller entdeckt, der genauso aussieht wie er. Er nimmt Kontakt auf & ein komplexes Spiel beginnt, bei dem nichts so ist, wie es scheint, alles möglich ist. Von siamesischen Zwillingen bis hin zu Einbildung, Zeitschleifen, Träumen oder der wahrscheinlichsten (& richtigen) Interpretation, dass beide ein & dieselbe Person sind & die Geschichte uns mit dem Unterbewusstsein eines fremdgehenden Ehemanns konfrontiert. Mehrmals sehen ist fast ein Muss, selten lohnte sich ein Film so für den Heimkinoschrank von geneigten Arthouse-Thriller-Fans & Rätselknackern! Ein Film wie ein Alptraum, faszinierend & angsteinjagend zugleich!
"Enemy" liebt man einfach oder man kann gar nichts mit ihm anfangen. Das hat dann nicht unbedingt mit "schlauen" & "dummen" Menschen zu tun, eher mit Zuschauern, die sich auf Filme einlassen & auch nach Abspann gerne Denken & Forschen im Gegensatz zu Zuschauern, die es gewohnt sind, dass ihnen alles vorgekaut & erklärt wird. "Enemy" ist extrem sperrig, bietet dutzende Interpretationsmöglichkeiten & hat mich gefesselt wie die vielen Spinnenbezüge im Film. Gyllenhall hat definitiv ein Händchen für gute, nicht leicht zu lösende Rätselfilme - "Enemy" geht vielleicht sogar noch etwas weiter als "Donnie Darko". Dass der Herr mittlerweile einer der besten Schauspieler der Traumfabrik ist, dürfte eh jedem klar sein. Ein beeindruckende Show in beiderlei, gegensätzlichen Rollen.
Das Villeneuve auch optisch & technisch zu den versiertesten momentan aktiven Regisseuren gehört, sieht man auch bei "Enemy" an allen Ecken & Enden. Von seinen typisch erdig-blassen Farben bis zum hypnotisch wummernden Soundtrack - ein Fest & schon allein deswegen sind die 90 Minuten ein Genuss, für mich nie langweilig. Dass die Geschichte sich dann wie ein Mix aus Hitchcock, Antonioni, Lynch & Nolan entfaltet, trägt den Rest zu meiner Begeisterung bei. Und die finale Einstellung war so unerwartet & WTF?, dass mein Puls nochmal in die Höhe schoss. Sicher ist: Arachnophobiker halten besser Abstand! Im Übrigen auch ein echter Männerfilm - aber das Gegenteil eines Films für einen Männerabend mit Bier & kurzweiliger Unterhaltung. Das der Film auf Netflix & anderen Streaming-Portalen so eine schlechte Durchschnittsnote hat, spricht nicht gerade für die dortigen User & deren Anspruch.
Fazit: einer der kryptischsten & metaphorischsten Filme aller Zeiten. Entweder man verliert sich, oder es lässt einen kalt. Wer mein Review gelesen & meine Wertung gesehen hat, weiß wo ich mich wiederfinde!