Review

Das Offensichtliche mal vorneweg, auch weil es mit zur Werbekampagne des Films gehört hat. Nachdem vor allem in den 1960ern sich das Westerngenre am Samuraifilm bediente, ist es nun endlich der umgekehrte Weg und Clint Eastwoods Meisterwerk wird nun ins Samurai-Genre übertragen.

Die Geschichte: In einem kleinen Kaff im Nirgendwo wird einer Hure von einem Freier das Gesicht zerschnitten. Nachdem der Dorfaufseher (Dorfpolizistenchef) die Situation gütlich regelt, sehr zum Verdruß der Huren, die Auge-um-Auge wollen, setzen die Huren landesweit ein Kopfgeld auf die beiden Freier aus. Auch die Hauptfiguren dieses Dramas bekommen Wind davon und machen sich auf den Weg...


Als Clint Eastwood das Drehbuch von Unforgiven in die Hände bekam (wohl irgendwann in den 1970ern), beschloss er der Legende nach, so lange mit der Verfilmung zu warten, bis er das richtige Alter erreicht hätte. Als er dann soweit war, mußte er noch einige Jahre warten, bis er endlich Gene Hackman überzeugen konnte, die Rolle des Antagonisten anzunehmen, da dieser eigentlich keine Lust verspürte, die Rolle zu spielen. So dauerte es bis in die 1990er hinein, bis der Film endlich gedreht werden konnte. Als der Film dann endlich in die Kinos kam, war der western im Prinzip schon mausetot, und der Film selbst schaffte es wohl auch nie auf die Top-Position in den Charts. Doch dann begann durch positive Mundpropaganda ein richtiger Lauf. Der Film knackte als einer der langsamsten Filme überhaupt die 100 Mio Dollar Grenze am Boxoffice und staubte auch bei den Oscars in allen wichtigen Kategorien (außer Hauptdarsteller) ab. Seitdem gilt er als Überklassiker des Westerngenre.

Dabei könnte es nicht abwegiger sein, da Unforgiven eigentlich so ziemlich jedes Stereotyp des typischen Western demontiert und seziert bis eigentlich im Endeffekt ein bitterböser Abgesang auf den Western im Speziellen und den American Way im Allgemeinen übrig bleibt. Auch nach fast 25 Jahren kann der Film ohne altersbedingte Verschleißerscheinungen wahrgenommen werden.

Da muß schon eine wirklich frische Herangehensweise an das schon fabelhafte Original vorliegen, damit der Vergleich mit dem Original nicht schon im Vorfeld scheitert.

Die Frage ist also, ob dieses Remake diesen frischen Wind liefern kann?


Zumindest auf dem Papier schon: Mit Ken Watanabe wird auch ein Darsteller installiert, der es (mit Abstrichen) von seinem Charisma her auch halbwegs mit einem gewissen Clint Eastwood aufnehmen kann, außerdem wird ein weiterer interessanter Subplot eingefügt, der die Behandlung der japanischen Ureinwohner durch die Normalbevölkerung stark thematisiert. Dies führt zur Frage, ob es im Originalskript denn auch Passagen zu der indianischen Ureinwohnerbevölkerung in den USA gab und später gelöscht wurde, um den Originalfilm thematisch nicht zu überladen.

Diese beiden Aspekte sind auch ein wichtiger Faktor dafür, dass Warner Bros. das Remake international groß rausgebracht hat und in den Kritiken werden diese Aspekte auch immer wieder wohlwollend herausgehoben.


Doch diesen beiden wirklich guten Punkten zum Trotz muß man dann recht schnell erkennen, dass man etwas Perfektes nicht dadurch verbessert oder zumindest gleichwertig auf ein anderes Genre überträgt, indem man zwar neue interessante Aspekte hinzufügt, aber dann die wichtigsten Kernelemente des Originals einfach Beiseite wischt. Denn irgendwann - bei aller positiven Grundhaltung gegenüber Remakes - setzt ein gewisser Frustrationseffekt ein, der ungefähr so etwas heraus schreien möchte:

Entweder ihr grenzt euch deutlicher ab, nehmt nur das Grundgerüst, und spinnt eure eigene Geschichte daraus (und vor allem den Japanern traue ich diesen Drahtseilakt durchaus zu) oder ihr richtet euch tatsächlich nach dem Original und übertragt lediglich das Setting, so dass auch die kleinen Details, die das Gesehene zum Ereignis machen, beibehalten werden. Aber um Gottes Willen setzt euch nicht zwischen alle Stühle!

Denn genau das macht The Unforgiven, das japanische Remake. Einerseits wird tatsächlich die Ureinwohnerthematik sowie in Teilen auch die Frauenrechtethematik etwas stärker in den Fokus gerückt, andererseits wird aber sklavisch nach dem Skript gegangen, inkl. einem Widergänger von English Bob. Doch wo Gene Hackmans Charakter immer nachvollziehbar und menschlich war, wenn auch ganz klar der Schurke des Films, gerade weil er durch klitzekleine Details durchleuchtet wurde, so wenig Details kommt seinem japanischen Widergänger zu Gute. Er darf die gleichen Sätze raunen, jedoch ohne die Tiefe des Originals.

Es fehlt auch jegliche Ambivalenz mit Bezug auf den Greenhorn: Während er im Original ein großmäuliger Kotzbrocken ist, der erst im Laufe des Films an Kontur gewinnt, ist er hier eher ein klassischer Sidekick im Stile eines Horst Buchholz in Glorreiche 7. Das Einzig interessante ist gegen Ende ein Dialog mit Ken Watanabes Figur, der eine gewisse Interpretation zuließe, es aber offen läßt.

Die größte Schwäche des Films aber ist die Herangehensweise an Ken Watanabes Figur: So kennt jeder im Film diese Figur, sie ist geradezu lächerlich legendär. Die erste Konfrontation mit dem Dorfaufseher verdeutlicht diesen Aspekt geradezu schmerzhaft. Da war das Original deutlich zurück haltender, was die weiteren Schritte aller Beteiligten noch glaubwürdig(er) erscheinen ließ.

Vieles was im Original geradezu mit dem Holzhammer ausgesprochen wurde, wird hier nun geradezu wieder zurecht gerückt, damit es möglichst massenkompatibel wird, und das ausgerechnet in einem japanischen Film, irgendwie passt das gar nicht. Hier mal zwei Beispiele:

1. Im Original wird die Legende der Verstümmelung der Hure auf die Spitze getrieben, während im Remake sogar explizit bestimmte Verstümmelungen ausgespart werden. Wozu?

2. Im Original bietet die Hure Clint Eastwood auch Sex als Anzahlung an, woraufhin er seine (bereits tote) Ehefrau erwähnt, hier kommt es erst gar nicht zu solch einem Angebot.


Die Liste ließe sich unendlich fort führen. Als jemand, der diesem Film wirklich eine faire Chance geben wollte, muß ich leider sagen, dass es den Vergleich mit dem Original zu keinem Zeitpunkt standhalten kann. Selbst der Aspekt mit den Ureinwohnern ist ehrlich gesagt erzwungen, bremst den Erzählfluß, und nimmt unnötige Leinwandzeit weg, die man für die Charakterisierung anderer Figuren hätte nützlicher verwenden können. Wenn es in eine Remake eines Eastwood Films gehört, wieso nicht der Texaner (dem ersten Teil von Eastwoods inoffizieller Western-Abgesangs-Trilogie) Die Aktionen aller Charaktere sind gleich dem original, doch durch das Entfernen wichtiger kleiner Handlungsstränge, Dialoge oder Gesten, wirkt alles eher wie eine billige gewollte aber nicht gekonnte Kopie.

Und das versöhnliche(re) Ende im Gegensatz zum komplett ambivalenten Ende im Original nimmt der ganzen Story sogar etwas von seiner Wucht, und rückt Ken Watanabes Figur sogar eher in Richtung Shane (bzw Pale Rider) als Erbarmungslos.


Als Film vielleicht tatsächlich 6-7 Punkte, aber als Remake wirklich gescheitert, da man im immer noch sehr ansehnlichen Original sieht, wie man es macht, daher nur 5 Punkte.

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