Review
von Dan-Gore
Story :
David Cortes lebt mit seiner Frau und Tochter auf Long Island, New York wo seit den 1960gern ein Serienkiller sein Unwesen getrieben hat.
In einem Versteckt findet David Videos und Bildmaterial voll von schrecklicher Grausamkeit, die das Mysterium das sich um seinen Vater rankt untermauern.
Es besteht die Möglichkeit das sein Erzeuger der berühmt-berüchtigte Serienkiller ist, der für das Verschwinden, die Vergewaltigung und die Ermordung unzähliger Frauen verantwortlich ist.
Um diesen Vermutungen auf den Grund zu gehen, muss er nach Ungarn reisen um mit Lisa zu sprechen.
Lisa - die auf den Spitznamen Erza hört - ist eine junger, attraktiver Gothic-Vamp der zu Lebzeiten eine Affäre und ganz besondere Verbindung mit Davids Vater hatte und sie scheint die einzige Person zu sein die ihm die benötigten Information geben kann.
Wegen ihrem soziopathischem Verhalten vegetiert die vampirähnliche Femme Fatale in einer geschlossenen Anstalt in den Gemäuern einer Burg vor sich hin.
Dr. Verenicoff , der Leiter der Anstalt, erlaubt es David unter seiner Beobachtung einige Interviews mit Erza zu führen um eventuell seine erhofften Informationen zu bekommen.
Erza gewährt David einen tiefen Einblick in ihre Seele und er rutscht immer tiefer ein ein Netz aus Wahrheit, Manipulation, Sadismus, Folter, Mord und autoerotischer Selbstverstümmelung.
Bewertung :
Primär ist Erza ein weiblicher Vorname albanischer Herkunft, der aber auch im muslimischem Raum öfters Verwendung findet.
Schaut man sich das Cover der US DVD von "Medicine Show Cinema" an - welches übrigens die einzige mediale Veröffentlichung des Films weltweit ist - macht es auf den ersten Blick den Eindruck als würde es sich um eine Musik DVD einer Band handeln.
Dies verwundert nicht, denn in unserem Fall ist Erza eine Gothic-Metal Band, die namensgebend für Hugo Fernandez Film ist.
Fernandez selbst ist Gründer der Band und neben dem Gesang spielt der Latino auch Gitarre und Piano.
Das erste Album von Erza trug den Titel "Fear of a faceless God" und so war es eigentlich eine logische Schlussfolgerung das auch das Regiedebüt von Fernandez den selben Titel inne haben sollte.
Der Kurzkommentar eines Users bei Amazon zu ERZA - der sagt "Verglichen mit ERZA ist SALO - DIE 120 TAGE VON SODOM zahm" - weckt natürlich sehr hohe Erwartungen ein mehr als kontroverses Stück Film zu Gesicht zu bekommen.
Dieser Kommentar ist definitiv übertrieben und sollte ignoriert werden, was aber nicht heißt das ERZA eine filmische Enttäuschung ist.
Schon bei den Opening Credits merkt man das Hugo Fernandez ein Fan des Horror-Genres ist und dieses auch akribisch studiert hat.
In diesen Credits werden von Fernandez fast 100 Jahre Horrorfilmgeschichte per Jumpcuts und Splitscreen in knapp 4 Minuten gepackt - Szenen aus Klassikern wie PHANTOM DER OPER, BLOOD FEAST, EIN ANDALUSISCHER HUND, NIGHT OF THE LIVING DEAD, NOSFERATU oder auch DAS KABINETT DES DR. CALIGARI geben sich hier die Klinke in die Hand und sorgen für einen stimmigen Einstieg in den Film.
Nach dieser transgressiven Sequenz mit leicht berauschender Wirkung die von der musikalischen Untermalung der Band "Erza" unterstrichen wird offenbart sich dem Zuschauer ein wirklich gelungener Indie-Film.
Fernandez hat einen eigenständigen Film geschaffen, der sich verschiedener Stilelemente bedient.
Primär kann ERZA dem Serienkiller / True Crime Genre zugerechnet werden und basiert sogar auf wahren Ereignissen.
Die Aussage "Based on True Events" wird im Horror-Genre ja gerne genutzt und in den meisten Fällen handelt es sich schlichtweg um eine Lüge, die lediglich dazu dient um das Interesse der Fans zu wecken.
Im diesem Fall handelt es sich aber wirklich um wahre Begebenheiten!
Der als "Gilgo Killer" oder auch "Gilgo Beach Killer" bekannte Mörder hat in einem Zeitraum von 15 Jahren zwischen 10 und 14 Menschen ermordet und seine Identität ist selbst heute nicht nachzuweisen.
Als ERZA eine Veröffentlichung erfuhr, hatte er übrigens einen schweren Start und viele Leute verurteilten den Film im Vorfeld.
Zu diesem Zeitpunkt versetzte nämlich der "Craigslist Killer" die Bewohner von Long Island durch seine Morde in Angst und Schrecken, was ERZA einen leicht kontorversen Beigeschmack verleiht.
Beim Lesen hört sich dies nun zunächst an, als würde ERZA eine Serienkillerbiographie darstellen, doch dies trifft nicht zu.
Fernandez wurde von der ungeklärte Mordserie inspiriert und hat dem Serienkiller Psychogramm noch Elemente des klassischen Horrorfilms, der subtilen Gruselschocker und des Torture Porns beigemischt und serviert hier eine zweifelsohne gelungene Melange.
Gedreht wurde der ganze Film mit einer Digi HD Kamera , was wohl die Nicht-Fans von Amateurfilmen erst mal skeptisch stimmen dürfte - doch hier kann entwarnt werden.
Keine Minute sieht man ERZA sein Filmmaterial oder das niedrige Budget an - optisch wirkt das ganze in seinen grobkörnigen, kalten Bildern eher an die Horrorfilme der späten 70ger und frühen 80ger.
Wer hier einen blutrünstigen Genre-Film erwartet, der möglichst viele Morde aneinander reiht, dürfte eine Enttäuschung erfahren - auch wenn es doch einige blutig-brutale Detailaufnahme zu bewundern gibt.
Szenen wie Masturbation zu Snuffvideos in Verbindung mit Selbstverstümmelung oder der Einsatz von Zangen an Fußnägeln stehen hier selbstredend für die im Film vorkommenden Brutalitäten.
Diese sind aber zu keiner Zeit selbstzweckhaft und dienen lediglich dazu die Thematik des Films zu unterstreichen und in einen interessanten Kontext zu stellen.
Primär wird der Fokus hier auf die Geschichte gerichtet, die wirklich überzeugen kann.
Dabei muss aber gesagt werden, das einige Zuschauer mit der Narrativität von ERZA eventuell Probleme haben könnten.
Den Film einfach mal nebenher zu schauen und ihm nicht seine volle Aufmerksamkeit zu widmen funktioniert nicht - es sollte sich schon auf das Geschehen eingelassen werden, welches das Potenzial hat den Betrachter in seinen Bann zu ziehen.
Zudem sollte man sich drauf einstellen, das es hier einige Zeit dauert bis die Story in die Gänge kommt - ungeduldige Zuschauer werden hier auf die Probe gestellt und gegebenenfalls scheitern sie auch an ERZA.
Die kalte, trostlose Optik des Films etabliert sich schon ziemlich früh und wird mit fortschreitender Laufzeit immer intensiver.
Auf technischer Ebene gibt es bei ERZA sehr wenig zu kritisieren, lediglich eine etwas bessere Ausleuchtung der Locations wäre in einigen Szenen wünschenswert gewesen.
Die Kinematographie ist hier mehr als lobenswert - schnelle Jumpcuts stehen hier im Kontrast mit schier endlosen Kamerafahrten über Korridore, die an die technische Akribie eines Dario Argento erinnern.
Dies verleiht ERZA eine klaustrophobisch-beängstigende Atmosphäre die bei den meisten großen Anklang finden dürfte und auch ein unbehagenes Gefühl auslöst.
Ein experimenteller Touch ist hier auch nicht zu leugnen, der Erinnerungen and die Midnight Movies der 70ger weckt und dem Visuellen durch den Einsatz von Filtern noch den letzten Schliff gibt und perfekt abrundet.
Visuelle Zitate sind bei ERZA auch nicht selten und die Affinität zum klassischem Horrorfilm ist
nicht zu leugnen - merklich ist dies z.B. in einer Szene die eine direkte Neuinterpretation der "Wandschatten" Szene aus Murnaus NOSFERATU ist.
Akustisch wird ganze Szenario durch Gothic-Metal, Metalcore und schauerhaften, makabren Instrumentalklängen komplettiert, die den Film zu einem audiovisuellem Erlebnis machen.
Während des Films werden auch immer wieder Texttafeln mit Zitaten von echten Killern wie "Ed Gein", "Henry Lee Lucas", "Albert Fish", "Richard Angelo" oder "Peter Kürten" eingeblendet, welche die Essenz von ERZA sehr begünstigt.
Zusätzlich vermute ich stark, das der Charakter der Lisa (aka Erza) an die Gräfin Bathory angelehnt ist.
Eine Bestättigung für meine Vermutung dürfte die Tatsache sein das der ungarische Name der Gräfin "Erzsabet Bathory" lautet und es ist ja auch nachgewiesen das die meisten Opfer von Serienmorden auf das Konto der Blutgräfin gehen.
Auch die Szene im Film in der Lisa aka Erza sich ihr Gesicht mit Blut wäscht und ihre Andeutungen das sie dadurch eine Verjüngung erfährt, dürfte meine Theorie unterstreichen.
Auch beindruckend ist die Tatsache, das der Film im wesentlichen von grade mal 3 Darstellern - David, Erza und Dr. Verenicoff - getragen wird.
Zwar sieht man zwischendurch immer wieder Szenen des Killers und der Opfer, aber diese sind sekundärer Natur.
Alle Akteure in ERZA machen ihren Job sehr überzeugend und nicht im geringsten macht sich das Gefühl breit, das hier talentfreie Diletanten am Werk sind.
Wie schon bei den Darstellern, wurden auch die Locations auf ein Minimum reduziert und die ganze Zeit über ist das Szenario in der heruntergekommen Anstallt in Ungarn angesiedelt - wenn man von den Szenen in Papas Folterschuppen und denen im Park mal absieht.
Dieser Aspekt stellt zum Glück kein Manko dar, da bei der Auswahl der Sets eine glückliche Hand vorhanden war.
Grade die Anstalt - welche wie das Schloß eine Vampirfürsten anmutet - versprüht einen Gothic-Horror Flair der an die Filme von Mario Bava oder auch die Hammer Produktionen erinnert.
Wer einen Faible für andersartige, experimentelle, bedrohliche und leicht verstörende Indie-Filme hat, kommt hier voll auf seine Kosten und ERZA dürfte einen besonderen Stellenwert einnehmen.
Hugo Fernandez ERZA reiht sich neben Eric Stanze (ICE FROM THE SUN), Curt McDowell (THUNDERCRACK!), John R. Hand (FRANKENSTEINS BLOODY NIGHTMARE), John Albo (FLEXING WITH MONTY) und Nathan Wrann (BURNING INSIDE) nahtlos in die Liste der bildgewaltigen, beindruckenden Kleinode des Indie-Films ein.
Ich muss aber leider noch anmerken, das die weltweit einzige DVD Veröffentlichung von "Medicine Show Cinema" leider OOP ist und nicht grade leicht zu erwerben.
Das letzte Angebot, das ich sah war bei Amazon bei unseren Nachbarn in Frankreich und hatte den stolzen Preis von 50€.
8,5 von 10 gezogenen Fußnägeln