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„Keine Panik Baby, ich bin da!“

Wenn in einem deutschen Film aus den auslaufenden 60zigern ein solcher Spruch fallen kann, ohne beim Zuschauer heute auch nur ansatzweise eine befremdete oder gar spöttisch-belustigte Reaktion hervorzurufen – dann kann es sich dabei eigentlich nur um ein besonders kurioses Produkt unserer mannigfaltigen Filmgeschichte handeln. „Detektive“, das Spielfilmdebüt von Rudolf Thome („Das Sichtbare und das Unsichtbare“, „Berlin Chamissoplatz“), ist einer jener versteckten, beinahe vergessenen kleinen Filme, die von der Kritik zwar stets als Kult deklariert werden, jedoch selbst in Cineastenkreisen kaum bekannt sind. Eines jener Werke, denen unfreiwillig das ebenso traurige wie paradoxe Schicksal beschieden war, zu auffällig zu sein um aufzufallen. Ungeachtet der Tatsache, dass dieser Kultstatus also eher behauptet wird als bestehend ist, muss man selbst aus vorsichtiger Distanz heraus feststellen: Er wird zu Recht behauptet.

Die Detektive, das sind Andreas, genannt Andy (Marquard Bohm, der Gott des neuen deutschen Films in einer göttlichen Rolle), und Sebastian (Ulli Lommel) mit ihrer Sekretärin Micky (sinnlich-cool: Uschi Obermaier) im Schlepptau. Zwar geben sie sich großkotzig professionell nach der amerikanischen Masche und mit allen Wassern gewaschen, die minimale Besetzung ihrer „Firma“ lässt ihre eigentliche Berufung jedoch mit Leichtigkeit erahnen: Dank des Mangels an Aufträgen und Motivation geben sich die Herren „Schubert und West“ in ihrem Detektivbüro der wohl drittschönsten aller Beschäftigungen und Überbrückung zwischen den beiden schönsten, Essen und Schlafen, hin: Herumgammeln mit allem was dazugehört.

„Sind Sie bewaffnet?“ – „Ich habe eine gute Versicherung.“

Mit dem Auftrag eines falben Herren namens Busse (Peter Moland) kommt allerdings Leben in den dösenden Bau: Er wünscht die Beschattung einer jungen Dame namens Annabella Quant (Iris Berben, 18 Jahre jung). Diesem Auftrag kann Andy nicht lange nachkommen, denn das hübsche Mädchen kommt dem Spiel recht bald auf die Schliche und engagiert ihrerseits Andy als Bodyguard zum Schutz vor dem aufgebrachten Busse, der sich und sein Gewehr kurz darauf wie zur Bestätigung bei Annabella – die er als Vamp beschreibt – einlädt, ebenso wie die Detektive, die ihn kurzerhand überwältigen, mit Annabellas Wäscheleine fesseln und sich anschließend über ihre Whisky-Vorräte hermachen.

Was nun folgt ist ein wahrlich tollkühner, mit Coolness geschwängerter Plot aus der Feder von Max Zihlmann, dem vielleicht besten damals aktiven, unabhängigen Drehbuchautor (und Freund Thomes), der auch das Drehbuch zu Thomes nachfolgendem Meisterwerk „Rote Sonne“ sowie Klaus Lemkes Debüt „48 Stunden bis Acapulco“ verantwortete und dessen Dialoge vor hintersinnigem Witz und Raffinesse nur so strotzen. Während Zihlmann laut Thome das Drehbuch entfernt als eine Hommage an Jean-Luc Godard verstand, betont der Regisseur heute, dass er sich bewusst von der Oberhausener Bewegung abgrenzen wollte und weder einen politischen, gesellschaftskritischen Film, noch ein intellektuelles Manifest anstrebte. Als Konsequenz dieser Konstellation fühlt sich „Detektive“ an wie ein deutscher Ableger der Nouvelle Vague, ohne dass er sich je in Godard’scher Manier politisch-verkopft, manieriert oder im Sinne seiner Kollegen wie Truffaut oder Resnais in Melancholie oder artifiziellen Overkill auflösen würde.

„Warum haben Sie diesen schmutzigen Beruf?“ – „Eine berechtigte Frage - auch ich habe einmal zu Hoffnungen Anlass gegeben.“

„Detektive“ ist eine Huldigung an das klassische Erzählkino nach amerikanischer Art (Thome beruft sich in Interviews gelegentlich auf Howard Hawks, dessen „Rio Bravo“ er des Öfteren zitiert), hat aber durch seine Anlehnung an die Nouvelle Vague und die daraus resultierende amerikanisch-französisch-deutsche Genre-Melange und seine souveräne Inszenierung nichts Konventionelles an sich. Einfach eine interessante Geschichte von interessanten Menschen erzählen, das war Thomes Intention. Obgleich der Unterhaltungswert dieses unvergleichlich smarten, entspannten und doch zielstrebigen Films enorm ist – die Geschichte selbst ist nur einer von mehreren Bausteinen. Ohne sich direkt mit Problemen und Wesen der jungen Generation von 1968 zu beschäftigen und seine charmanten Charaktere in ein entsprechendes Muster zu pressen, hat Thome dieser Generation mit „Detektive“ ein Denkmal gesetzt. Ohne Authentizitätsanspruch atmet jedes einzelne der elegant und beinahe durchgehend auf Augenhöhe mit den Darstellern fotografierten, schwarzweißen Cinemascope-Bilder den damaligen Zeitgeist oder zumindest ein abstraktes Wunschdenken davon. Amüsiert nimmt man als Zuschauer den Kontrast wahr zwischen der modern und schlicht eingerichteten Wohnung von Annabella und dem Detektivbüro, wo stets groovige Easy Listening-Musik gespielt wird, sowie der von klassischen Klängen erfüllten Villa des gut situierten Herrn Krüger (Walter Rilla), einem neuen Auftraggeber Sebastians, der bald an Bedeutung gewinnen wird: Er befürchtet, seine junge Frau Christa (Elke Haltaufderheide) könnte ihn ermorden lassen, um seiner Lebensversicherung habhaft zu werden.

Den sich am nahen Horizont abzeichnenden Bankrott des Detektivbüros – dessen Schließung lakonisch in glorreicher Loser-Manier gefeiert wird – nimmt sich Sebastian zum Anlass, mit dem Vorschuss seines neuen Auftraggebers und der „Detektivausrüstung“ aus dem Staub zu machen, was Andy als geworfenen Federhandschuh aufnimmt.

„Wollen sie mich heiraten, Micky?“ – „Nein!“ – „Verdammt, dann muss ich Annabella fragen.“

Der folgende Kleinkrieg zwischen Andy und Sebastian beschränkt sich nicht alleine auf den Fall, der nun von beiden mit sehr unterschiedlichen Methoden und steter Rücksicht auf die Rivalität bearbeitet wird, sondern auch auf die involvierten Frauen. Die Beziehungen der Figuren untereinander wechseln wie Gezeiten mit einer geradezu verblüffenden Selbstverständlichkeit, genauso wie Max Zihlmann Plottwist um Plottwist um des lieben Plottwists willen abenteuerlich nacheinander folgen lässt und somit das eigentliche Ziel, welchem der Zuschauer erwartungsvoll entgegenfiebert – nämlich eine Auflösung der Konfliktsituation und Zuordnung der verschiedenen Figuren – immer weiter ins Abseits gerät und bewusst dorthin gedrängt wird. Die Gratwanderung zwischen Dreistigkeit und augenzwinkernder Ironie wird von Zihlmann und Thome gelassen und mit erstaunlichem Ernst bewältigt. So absonderlich das auch klingen mag: Dieses Zusammenspiel von kalkuliertem Größenwahnsinn, lyrischem Stilwillen des Autors und trockener Nüchternheit des Regisseurs, dieses Zusammenspiel, das mit Leichtigkeit im Trash hätte enden können, geht hier brillant und denkwürdig auf und man möchte gar nicht glauben, dass das Duo all dies im nachfolgenden „Rote Sonne“ noch einmal im größeren und komplexeren Stil kulminieren lassen sollte.

„Dass ihr Frauen immer auf der Seite derjenigen steht, die euch ausbeuten wollen!“

Was in jenem extraordinären Meisterwerk rund um eine mörderische Frauen-WG offensiv auf den filmischen Oberflächen kondensieren sollte, ist hier schon unterschwelliger auszumachen: Thomes stetige Bereitschaft, die Geschlechter gegeneinander auszuspielen und dabei mit einem deutlichen selbstironischen Akzent Macht an die Frau zu bringen. Die Frauenfiguren in „Detektive“ – Micky, Annabella und Christa – sind Dreh- und Angelpunkte, um die sowohl die Ermittlungen als auch die privaten Interessen der Detektive kreisen. Dass sich zwei dieser Frauen relativ früh als durchtriebene Intrigantinnen entpuppen verunsichert Andy und Sebastian ungemein, versetzt ihrem stetigen Kontrollzwang und ihrem Besitzanspruch, mit dem sie um die holde Weiblichkeit buhlen, einen empfindlichen Knacks. Um ihrem Prestige dennoch Nachdruck zu verleihen, wird der Charme kurzerhand durch teilweise wüsten Aktionismus ersetzt, selbst wenn derselbige keinerlei vernünftiges Resultat bringt. Dass Thome hierbei auf beiden Seiten auf der Grundlage klassischer Archetypen Charaktere vorstellt, die wie für die Darsteller geschaffen scheinen und fern jedes Klischees ein märchenhaftes Eigenleben entwickeln – „Detektive“ ließe sich mit Einschränkungen auch als realistisches Kinomärchen bezeichnen – erscheint als reizvolles Spiel mit „Opa’s Kino“ und Gegenentwurf zu selbigem, der sich seinen Weg bahnt zwischen spielerischem „Ausprobieren“ und übersteigerter, gelegentlich sarkastisch und somit überlegen eingestandener Formelhaftigkeit. Denn einer Formel folgt „Detektive“ nicht – der Sinn der kriminalistischen Erzählweise ist simpel: Nach einem vorab gereichten Zuckerbrot ist es einfacher, das Publikum milde jene Peitsche spüren zu lassen, die sich „Herausforderung“ nennt. Und in Anbetracht der Einfachheit dieser Herausforderung verwandelt sie selbst sich in ein Zuckerbrot. Die Umlenkung des Zuschauers in reflektiertere Bahnen, ohne ihm dabei über den Mund zu fahren, ist eine Vorgehensweise, die jederzeit größten Respekt verdient und heutzutage paradoxerweise eher im Mainstream- und Genre- denn im Autorenkino praktiziert wird. Damals waren die Grenzen noch verschwommener als heute. Traumhaft.

„Detektive“ steht im Kontext seiner filmhistorischen Einordnung zwischen den Fronten: Weder Autoren-, noch Genrefilm, sondern ein Zwitter von beiden, der sich durch unterschiedlichste Rezeptionen erschließen lässt. Und er ist genau das, was Rudolf Thome anstrebte: Reines, rohes und ungeschliffenes Kino, undestilliert, ungefiltert und voller filmischer und erzählerischer Energie. Man merkt „Detektive“ an, dass er ein Debütfilm ist – doch das mindert nicht den reifen und willensstarken Eindruck, den der Regisseur als Künstler damit vermittelt. Völlig unverständlich, dass „Detektive“ kaum nachhaltigen Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Films in jenen Tagen genommen hat. Es mutet beinahe schicksalhaft an, das der Film just zu einem Zeitpunkt erstmals auf DVD erscheint, an dem das deutsche Kino in einer selbstmörderischen Sackgasse auf der Stelle zu treten scheint, in die es nicht zuletzt aufgrund seiner infantilen Sturheit, die über 30 Jahre hinweg eine konsequente Trennung von Anspruchs- und Unterhaltungskino (rhetorische Frage: Lässt sich beides denn trennen?) diktiert hat, selbst geraten ist. „Detektive“ könnte, befreit von seinem Zeitkolorit, einen Lösungsansatz für diese verfahrene Situation aufzeigen – könnte, denn der Gedanke an eine Verknüpfung von Autoren- und Genre-Kino mutet in dieser unseren Spießer-Nation geradezu subversiv an und auch der Blick in die internationale Kinolandschaft bietet wenig Anlass zur Hoffnung. Lediglich in Asien scheint man gerade auf Publikumsbezogenes Autorenkino mit starkem Willen zur Innovation immer noch einen gesunden Wert zu legen, in Europa und Amerika sind solche Filme inzwischen leider eher Ausnahmeerscheinungen. So bleibt uns heute nur der wehmütige Blick zurück in eine Zeit, in der auch hierzulande noch beinahe alles möglich war, in der man mit leeren Taschen innerhalb eines Jahres vier großartige Filme drehen konnte wie Rainer Werner Fassbinder, einen künstlerisch ambitionierten Vampir-Horrorfilm wie Hans W. Geissendörfer mit „Jonathan“ oder einen anspruchsvollen, gegenwärtigen Krautwestern in Israel wie Roland Klick mit „Deadlock“. Was für Zeiten waren das!

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