Nach dem überragenden Erfolg von Joint Security Area bekam Park Chan Wook vom Produktionsstudio Carte Blanche für seinen nächsten Film, d.h. er hatte die absolute Gewalt über den Film und somit auch den Final Cut.
Wo andere Regisseure vielleicht auf Nummer sicher gehen und einen weiteren potentiellen Blockbuster drehen, ergriff Park Chan Wook die Möglichkeit, die sich ihm bot, und drehte den vielleicht kompromißlosesten vermeintlichen Blockbuster in spe (der er natürlich nicht sein konnte, siehe weiter unten) seit vielleicht "Bringt mir den Kopf von Alfredo Garcia" von Sam Peckingpah.
"Sympathy for Mr Vengeance" ist ein derber sich wiederholender Schlag mit Schlagringen in deine Weichteile. Es gibt keine Gewinner, nur Verlierer, es gibt keine Bösen oder Schurken, nur Menschen, die das Schicksal dazu verdonnert, eher sogar verdammt, das durchzumachen, was sie durchmachen. Und jeder hat schließlich Blut an seinen Händen.
Und: Obwohl jeder Betroffene um die Beweggründe seines Gegenübers weiß und es sogar nachvollziehen und verstehen kann, wird es keine Erlösung geben.
(Hiervon ausgenommen sind die Organhändler, aber das sind hier auch keine Protagonisten, höchstens -um im technischen Jargon zu bleiben - einer der Katalysatoren.)
Die Geschichte ist schon komplex genug: Ein taubstummer junger Mann würde alles tun, um seiner todkranken Schwester ein lebenswichtiges Organ zu besorgen. Zuerst will er ihr seine eigene Niere spenden, doch sie sind nicht kompatibel. Also läßt er sich eine Abfindung zahlen und feuern, damit er eine Spenderniere und die Operation bezahlen kann, doch es findet sich keine. Also geht er in seiner Verzweiflung zur Organmafia und bezahlt diese für die nötige Niere, doch die Organhändler wollen auch noch seine Niere. In seiner Verzweiflung stimmt der junge Mann auch diesem zu. Als er wieder aufwacht, haben die Organhändler sein Geld und seine Niere einfach mitgenommen und sind verschwunden.
Zynischerweise findet sich urplötzlich im behandelnden Krankenhaus die dringend benötigte Spenderniere.
Nun völlig ohne Job und ohne Geld, bringt ihn seine Freundin auf die Idee, ein Kind zu entführen, mit dem Lösegeld dann die Operation zu zahlen. Nach anfänglichem Zögern läßz er sich dazu überreden, ein Mädchen aus reichem Haus zu entführen. Schließlich soll ja das Kind völlig unbeschadet zurück gebracht werden, niemandem soll etwas Schlimmes widerfahren, und die Schwester wird auch gerettet.
Anfangs verläuft alles nach Plan, die Entführung kommt dem kleinen Mädchen sogar wie der Besuch bei einer Freundin der Familie vor. Doch als die Schwester durch einen Zufall erfährt, dass ihr Bruder wegen ihr seinen Job aufgegeben hat, möchte sie ihm keine Last mehr sein und wählt den Freitod. Als der junge Mann - wir erinnern uns: taubstumm - seine Schwester beerdigen geht, ertrinkt das Mädchen. Und nun nimmt das Unheil völlig seinen Lauf.
Park Chan Wook spielt mit der Erwartungshaltung des Zuschauers, indem er ihm anfangs noch eine heile bunte Entführungswelt suggeriert. Das sind dann auch die einzig positiven Momente im Film.
Ansonsten ist der Film eher kühl gehalten. Kühle Fraben, kühle Musik, kühle Charaktere. Es kommt wohl nicht ganz von ungefähr, dass der Hauptakteur taubstumm ist, dadurch kann er auch im Film, obwohl die vielleicht leidenschaftlichste Figur, mit einer gewissen Distanz betrachtet werden. Auch der Vater, der in der zweiten Hälfte des Films zu einem Racheengel der bösesten Sorte mutiert, bleibt im Laufe des Films zum Publikum auf eine gewisse Distanz.
Wie schon erwähnt, tut die Musik ihr übriges, diese Kühle zu unterstreichen, sie wird recht spärlich eingesetzt, wenn man sie dann doch hört, dann klingt das eher wie irgendwelche verzerrten Geräusche. Richtige Musik, wie man sie sonst aus Filmen kennt, gibt es zwar auch, aber recht selten.
Normalerweise wird im Mainstreamkino für kühle Fraben meistens ein kühles distanziertes blau eingesetzt (wie beispielsweise bei Nikita von Luc Besson), hier jedoch ist es ein kühles grün, was Park Chan Wook auch nicht durchgängig beibehält, manchmal gibt es schöne lebensechte Farben.
Wie üblich bei koreanischen Filmen scheint der Film lange zu brauchen, bis er endlich in die Gänge kommt, doch alles, was in der ersten Hälfte geschieht, hat seinen Sinn und ist für das Nachfolgende Inferno von äußerster Relevanz. Außerdem ist es auch nicht so, dass die erste Stunde einen langweilt, dafür passiert einfach zu viel.
Das Problem für einige Zuschauer könnte sein, dass es einfach zu nüchtern und ohne jegliches reißerische Element erzählt wird.
Wo andere Regisseure vielleicht auf eine aupeitschende Musik zurückgreifen würden,läßt Park Chan Wook höchstens die Geräusche eines Flugzeugs im Hintergrund zu. Dadurch fällt es dem popcornerprobten Zuschauer vielleicht schwer, einen Zugang zu diesem Film zu finden.
Wie üblich für Park Chan Wooks Filme erfordert er von seinem Publikum ein gewisses Maß an intelligentem Mitdenken und kaut ihm nicht alles vor, so dass einige sachen auch Off-Panel passieren und oder sogar dort bleiben.
Dieses Gefühl, das er dem Publikum vermittelt, nämlich dass er es als mündig ansieht, macht auch einen gewissen reiz dieses und weiterer seiner Filme aus.
Andererseits spart er sich dadurch eine Menge Zeit, die sein Film nicht noch mehr in die Länge zieht.
Denn machen wir uns nichts vor: Der Film dauert nunmal zwei Stunden und das ist schon lange genug für diesen harten Tobak, der uns aufgetischt wird.
Die Schauspieler sind wie fast schon üblich in koreanischen und besonders in Park Chan Wook Filmen von allererster Güte. Zwei seiner Protagonisten aus Joint Security Area laufen hier zu absoluter Topform auf: Man kann ihre Verzweiflung, Angst, Trauer, Haß förmlich spüren.
Aber nicht nur die beiden, jegliche Akteure spielen superb. Dennoch gelingt es dem Film in meisterhafter Manier, den Zuschauer jederzeit auf Distanz zu halten.
Obwohl dieser Film augenscheinlich von Anfang an dazu verdammt scheint, zu floppen, merkt man ihm in jeder Einstellung, jeder Szene die meisterhafte Hand eines Regisseurs außerordentlicher Güte an (eben wie damals die Hand Peckingpahs in "Bringt mir den Kopf von Alfredo Garcia").
Außer dem Fakt, dass dies ein genialer Rachefilm ist, ist es gleichzeitig laut eigener Aussage von Park Can Wook auch noch sein Statement zur gesellschaftlichen Situation in Korea, dem Arm-Reich-Gefälle, ohne mit erhobenem Zeigefinger drauf zu zeigen. Und selbst das gelingt in meisterhafter Manier, in subtiler Weise verläuft ein Nebenplot, der diese Problematik kräftig unterstreicht, ich sage nur Teppichmesser!
Genial ist fast noch untertrieben für diesen ersten Teil seiner nur von der Thematik her zusammenhängenden Trilogie ("Oldboy" als zweiter Teil und "Sympathy for Lady Vengeance als dritter Teil sind vermeintlich ebenfalls von unerhört hoher Qualität), dennoch bleibt ihm die volle Punktzahl verwehrt, da er nun mal nicht tatsächlich massentauglich ist. Sollte er es in die Liga der Klassiker schaffen, werden ihm die 10 Punkte mit Sicherheit noch zukommen, im Moment ist die Zeit noch nicht reif dafür.
9 Punkte