Review

Wir können froh sein, dass sich der südkoreanische Regisseur Park Chan-Wook nicht durch den kommerziellen Misserfolg von seinem ersten Werk "The Moon Is What the Sun Dreams of" einschüchtern liess und den Platz auf dem Regiestuhl nach einer längeren Ruhepause im Jahre 2000 wieder eingenommen hat. Denn erst durch seinen zweiten Film, der den Namen "J.S.A: Joint Security Area" trägt und einen kriminellen Vorfall an der militärischen Siedlung in der entmilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea thematisiert, gelang Park Chan-Wook endlich zu Ruhm (Immerhin war J.S.A. bis 2005 der erfolgreichste südkoreanische Film mit 6 Millionen Zuschauern). Bereits zwei Jahre später bestätigte er durch sein Drama "Sympathy for Mr. Vengeance", dass es sich bei ihm nicht um eine Eintagsfliege handelt, ganz im Gegenteil, er sollte schon in Kürze zu einem der berühmtesten asiatischen Regisseure werden, was er hauptsächlich dem zweiten Teil seiner Rachetrilogie zu verdanken hat, denn bekannter als der erste Teil der Trilogie "Sympathy for Mr. Vengeance" ist der Nachfolger "OldBoy".

2005 fand schließlich der Schluss der Trilogie unter den Namen "Sympathy for Lady Vengeance" den Weg in die Kinos (zu uns kommt er jedoch erst im November).

Gerade weil "Sympathy for Mr. Vengeance" nicht den Bekanntheitsgrad eines "Oldboys" erreicht hat, möchte ich ihn euch vorstellen und hoffe, dass es hier neben Menschen, die alle asiatischen Filme doof finden, auch welche gibt, deren Interesse ich durch diese Kritik wecken kann.

Zur Handlung:

Die Handlung ist ohne Zweifel eine der komplexesten, die ich bisher in einem Film erleben durfte und gleichzeitig eine der besten und tragischsten.

Der taubstumme Ryu benötigt für seine schwer erkrankte Schwester eine Spenderniere, doch er und seine Freundin kommen als Spender aufgrund der ungleichen Blutgruppen nicht in Frage. Verzweifelt wie Ryu ist, und da er auf normalem, legalem Wege keine Chance auf die benötigte Niere hat, wendet er sich an dubiose Organhändler, die ihm für 10.000.000 Won (südkoreanische Währung) und einer seiner Nieren, versprechen, das benötigte Organ zu besorgen. Er kündigt seinen Job und lässt sich die Abfindung auszahlen, um diese 10.000.000 Won zusammenzukriegen. Nachdem die Organhändler jedoch seine Niere operativ entfernt haben, lassen sie ihn nackt zurück und stehlen ihm zusätzlich die 10.000.000 Won, ohne ihm dafür die versprochene Spenderniere für seine Schwester zu übergeben.Am nächsten Tag wird Ryu zynischerweise in das Krankenhaus gerufen, und man erzählt ihm dort, dass man nun doch einen passenden Spender gefunden hat, nun brauche er nur noch die 10.000.000 Won, die so eine Operation im Normalfall kostet. Da er dieses Geld nun nicht mehr hat, versucht er mit seiner Freundin einen Weg zu finden, in kurzer Zeit wieder zu Geld zu gelangen. Ryus Freundin schlägt vor, ein Kind zu kidnappen, um die benötigte Summe zu erpressen. Widerwillig muss er erkennen, dass es die einzige Chance für seine Schwester ist zu überleben, und außerdem verspricht seine Freundin ihm, dass niemand dabei (körperlich) zu Schaden kommt. Als Opfer suchen sie sich das Mädchen des Geschäftsmannes Park Dong-jin aus.Zuerst scheint der Plan auch wunderbar aufzugehen, sogar das entführte Mädchen ahnt nichts davon, dass sie entführt worden ist, sie fühlt sich eher wie bei einem Besuch bei guten Freunden und spielt sogar mit ihren Kidnappern. Doch dann geht alles schief.Während der Vater verzweifelt versucht, das Lösegeld aufzutreiben, erfährt Ryus Schwester, dass ihr Bruder seinen Job aufgeben hat, um die Niere, die zur Heilung ihrer Krankheit führen würde, finanzieren zu können. Dieses bewegt sie so sehr, dass sie den Entschluss fasst, Suizid zu begehen, um nicht länger eine Last für ihren Bruder zu sein.Ryu fährt mit dem Mädchen raus auf das Land, um seine Schwester zu beerdigen, doch das kleine Kind fällt beim Spielen ins Wasser und schreit vergeblich nach dem taubstummen Ryu, der das Unglück erst bemerkt, als es schon zu spät ist.

Nun sinnt der Vater nach Rache (und wird sozusagen als 2. Protagonist in die Geschichte eingeführt), er will den Tod der Kidnapper seines einzigen Kindes, doch auch unser taubstummer Protagonist begibt sich auf seinen persönlichen Rachefeldzug, er will die Organhändler zur Strecke bringen, die Schuld daran sind, dass es überhaupt so weit gekommen ist, die Schuld daran sind, dass er alles verloren hat, was er liebte.

Meine Meinung:


"Wo Zorn und Rache heiraten, da wird die Grausamkeit geboren.", so lautet ein Sprichwort aus Russland und in "Sympathy for Mr. Vengeance" zeigt sich, dass der Wahrheitsgehalt mancher Sprichwörter höher ist, als man meinen mag. Zwei gewöhnliche Menschen, der eine ein liebevoller Vater, der andere ein Bruder, der alles für seinen Schwester aufgeben würde, werden plötzlich aus dem Alltag gerissen und legen bei der Vollstreckung ihrer Rache eine unmenschliche Grausamkeit zu Tage, die man ihnen zu Beginn des Filmes niemals zugetraut hätte.
Überhaupt beginnt der Film eher ruhig. Man sieht Ryu bei seiner Arbeit im Stahlwerk, beim Arzt, um Neues über seine Schwester zu erfahren oder bei seiner Freundin. Mitleid bestimmt die Emotionen des Betrachters, Mitleid mit einem bereits behinderten Menschen, der sich liebevoll um seine Schwester kümmert.
Apropos Emotionen. Kaum eine Szene in Sympathy for Mr. Vengeance wird mit Filmmusik untermalt, wenn überhaupt, dann sind es kurze, vollkommen disharmonische Klänge, die uns musikalisch noch mal verdeutlichen, mit was für Charakteren wir es in der zweiten Hälfte des Filmes zu tun haben , nämlich mit Menschen, die nicht mehr fähig sind, ihre Gedanken klar zu ordnen. Die Vernunft weicht der Gier nach Rache und das obwohl beide Protagonisten des Filmes wissen, dass ihnen kein Happy End vorbestimmt ist.

Kommen wir nun zu der zweiten Hälfte des Filmes, die man durchaus als mehrfacher Tritt in die Weichteile werten kann. Zwar bestimmt Mitleid immer noch die Emotionen des Zuschauers, aber die Gründe sind nun andere. Man beginnt mit dem Vater zu leiden, der sein Kind verloren hat, und mit Ryu, der so gut wie alles verloren hat, insbesondere seine Schwester, für die er in der ersten Hälfte des Filmes vieles geopfert hat, doch gleichzeitig ist man schockiert, mit welcher Brutalität und Nihilismus sie ihren Rachefeldzug durchführen. Trotzdem können wir sie nicht hassen, so gewalttätig die beiden Charaktere auch handeln, so verstehen wir doch, weshalb sie so vorgehen, und wir müssen uns die Frage stellen „Würden wir wirklich etwas anderes tun in einer solch aussichtslosen Situation ?“. Die Gewaltszenen sind zum Ende hin sehr brutal, auch wenn sich oft der Zuschauer die expliziten Bilder dazu vorstellen muss, da man nur das passende Geräusch zur Tat hört (zum Beispiel das Auftreffen eines Aluminium Baseball-Schlägers auf einen menschlichen Körper), die Kamera jedoch im Off bleibt. Dazu kommt noch die Geschichte, die uns am Ende keine Moral vermitteln will, wie es so oft amerikanische Filme tun. Wie "Sympathy for Mr. Vengeance" trotzdem die Freigabe ab 16 erhalten hat, ist für mich immer noch unbegreiflich.

Zu erwähnen sind noch die tollen schauspielerischen Leistungen der beiden Protagonisten. Da wäre zum Einen Ha-Kyun Shin, der den taubstummen Ryu spielt, zum Anderen Kang-Ho Song, der den gebrochenen Vater des entführten Kindes verkörpert. Beide spielen ihre Rollen so erschreckend realistisch, dass man wirklich sagen muss, dass sich dort manche Hollywood Schauspieler mal eine Scheibe abschneiden sollten.

Und wer ganz genau aufpasst, der wird in Sympathy for Mr. Vengeance zusätzlich zum Hauptplot noch einen winzigen Nebenplot entdecken, der die gesellschaftliche Situation (insbesondere das Reich-Arm Gefälle) auf subtile Art und Weise kritisiert.

Fazit:


Mit Ruhe fängt das dritte Werk von Meisterregisseur Park Chan-Wook an, und es endet in einem unglaublichen Sturm, geprägt von Gewalt, Nihilismus, Hoffnungslosigkeit und Melancholie. Mag sein, dass "Sympathy for Mr. Vengeance" nicht der geeignete Film ist, um in die Welt des asiatischen Kinos zum ersten mal einzutauchen, dafür ist er schlicht zu unkonventionell, aber es erwartet jeden, der sich dennoch an diesen Film rantraut, ein schockierendes, gleichzeitig grandioses Werk über die menschlichen Abgründe, welches zusätzlich erschreckend anders ist, als alles, was wir aus der amerikanischen Filmschmiede kennen. Alleine die eigentlich nicht vorhandene Filmmusik schreckt 80 % der Popcorn fanatischen Hollywood Blockbuster Gucker bereits ab, und dann noch ein Film, der bereits ab der ersten Minute verflucht ist, nicht mit einem Happy End zu enden. Menschen, die die Meinung vertreten, dass man bei Filmen abschalten kann und nicht weiter nachdenken muss, denen sei dieser Film auch abgeraten, denn Park Chan-Wook fordert von seinem Zuschauer ein gewisses Maß an Intelligenz. Szenen passieren, während die Kamera ins Off schwenkt und teilweise dort auch verharrt, der Zuschauer ist also gezwungen, mitzudenken.

In diesem Film gibt es keine Gewinner, es gibt nur Verlierer und 10/10 Punkten, die ich für dieses Meisterwerk vergebe.

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