Review

Der erste Kieler "Tatort" von 1971 - Warum sollte man sich sowas heute noch anschauen?

Ganz einfach: Irgendwie haben diese alten Fernsehkrimis einen ungeheuren Charme, wenn man nicht gerade irgendwann nach der Wende geboren wurde. Dies liegt besonders an den Schauspielern, die im Laufe der Zeit einen hohen Bekanntheitsgrad erreicht haben, sei es als altbekanntes Gesicht aus dem Fernsehen oder als Stimme durch Synchronisationsarbeiten.

"Blechschaden" bietet nun also:

- Götz George, der hier etwas blassgesichtig einen schlüpfrigen Ingenieur gibt

- Ruth Maria Kubitschek, die hier irgendwie Ruth Maria Kubitschek spielt

- Friedrich Schütter, der allein mit seiner Stimme beinahe etwas Wild-West-Atmo in den kühlen Norden bringt

- Horst Stark, der mit seiner Stimme für die Generation der Hörspiel-Kinder einen hohen Nostalgiefaktor einfließen lässt

- Wolf Roth, der hier noch eine dunkle Haarpracht zur Schau stellt, habe ich so noch nie gesehen

- nackte Brüste, die hier tatsächlich nur reiner Schauwert sind

und natürlich

- Klaus Schwarzkopf, der durch seine Stimme nie so mürrisch wirkt, wie es das Drehbuch eigentlich vorgesehen hat. Man hat immer Columbo im Hinterkopf.

Der Blick auf die Besetzungsliste und dann noch der Name Wolfgang Petersen, gewissermaßen der Hausregisseur des alten Kieler Tatorts, machten mich dann neugierig. Es hat sich gelohnt! Der nordische Dorf-Charme der wilden Siebziger gepaart mit diesen Highlights deutscher Schauspielkunst und einem Mann auf dem Chefsessel, der immer ein bisschen mehr wollte, ergeben auch heute noch ein gute Unterhaltung. Natürlich nur durch die etwas von der Nostalgie getrübten Augen.

Der beste Dialog:

Es gab zwischen zwei jungen und mitteldynamischen Nordlichtern einen handfesten Streit um ein Mädchen. Der eine streift anschließend und nachdem der Dampf schon raus ist mit seinem Fahrrad das Auto des anderen. Beide sind sehr besorgt um die Schramme und arbeiten alles noch mal auf:

"Was sagt bloß mein Alter dazu!"

"Nimm doch ne Sprühdose, dann geht das wech. Aber keine Nitro. Kunstharz würd ich empfehlen."

"Komm, hau ab!"

"Du, die Sache mit Gerdi...tut mir ja leid. Ehrlich. Aber...die findet dich wirklich beschissen."

Kein Wunder, dass dieses Krisenmanagement mit dem Tod endet! Jedoch ist die Handlung weitaus verzwickter! Es wird noch geschossen, betrogen wird hier sowieso ganz selbstverständlich und an jeder Ecke gleich nach dem ersten Morgenkaffee und mittendrin ermittelt Kommissar Finke unnachgiebig und mit gepfiffenem Augenmaß. Forensische Anthropologie? Laboranalysen und Gentests? Infrarotfotografie? Go mi af mit so'n figelinschn Dummtüch! Dabei gibt es noch den Eindruck des Handgemachten, wunderbare Gemeinderatssitzungen und "Led Zeppelin", die hier fast gegen den Soundtrack aus eigenem Hause den Kürzeren ziehen! Yeah! Selbst der Abspann verbreitet noch den Eindruck norddeutscher Lässigkeit!


FAZIT

Diesen Film muss man wegen seiner altbackenen Machart einfach mögen! EIn Tatort aus einer Zeit, in der wegen lediglich drei zu empfangener Sender weit über 20 Millionen Menschen zugeschaut haben! Welcher Kinofilm oder gar Blockbuster hat hier solche Besucherzahlen? Gesicherte Einschaltquoten verleihen dem ganzen den Anstrich eines alternen Postbeamten, der auch mal ein Abenteuer erleben will.

Kommissar Finke will return in

"Strandgut"

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