Der von Folter gezeichnete Flüchtling Issa Karpov (Grigoriy Dobrygin) taucht in Hamburg auf, wo er die illegal erworbenen Millionen seines Vaters abholen möchte. Schnell ist ihm Günther Bachmann (Philip Seymour Hoffman), Chef einer Anti-Terror-Einheit, mit seinen Mitarbeitern (Nina Hoss, Daniel Brühl) auf den Fersen. Doch auch CIA und BND haben Karpov im Visier…
David Cornwell, geb. 1931 in Poole, tritt 1950 in den Nachrichtendienst der Britischen Armee ein, arbeitet später für den Inlandsgeheimdienst und ab 1960 vier Jahre in Hamburg und Bonn für den Secret Intelligence Service. In dieser Zeit schreibt er seine ersten drei Romane bis er 1964 den Dienst quittiert um unter dem Namen John le Carré als Schriftsteller zu arbeiten. Seine Bücher liefern die Vorlage zu diversen Filmen, wie „Der Spion, der aus der Kälte kam“ (1965), „Das Russland-Haus“ (1990) oder „Der Ewige Gärtner“ (2005).
Anton Corbijns („The American“ 2010) Verfilmung des 2008 erschienen Romans „A Most Wanted Man“ (deutsch: „Marionetten“) spielt vor dem Hintergrund der Anschläge vom 11. September, die u.a. in Hamburg vorbereitet wurden. Die wolkenverhangene Hansestadt liefert die trüben Kulissen für eine spannende und vor allem realistische Agentenstory, fern von allen James Bond Klischees. Die kleine Anti-Terror-Einheit arbeitet im Verborgenen („Sie können uns gar nicht sehen, weil es uns gar nicht gibt“), bricht bei Bedarf das Gesetz, trifft sich in versifften Kneipen oder Parkhäusern und ist, wie sich herausstellen wird, doch nur ein Spielball der großen Geheimdienste. Im Mittelpunkt der Handlung steht lange die sich aufdrängende Frage nach der Gesinnung des zum Islam konvertierten Karpov und was er mit den Millionen, die sein Vater im Tschetschenien-Krieg gescheffelt hat, vor hat. Doch eine von John le Carré erdachte Story bietet immer mindestens eine überraschende Wendung.
Getragen wird die dialogstarke Agentengeschichte, in der nicht ein einziger Schuss fällt, durch ihr starkes Ensemble: Willem Dafoe („Der Blutige Pfad Gottes“ 1999) gibt gewohnt souverän den skrupellosen Besitzer einer Privatbank, Rachel McAdams („Midnight in Paris“ 2011) überzeugt als Anwältin bzw. „Sozialarbeiterin für Terroristen“ und Nina Hoss („Gold“ 2013) braucht sich mit ihrem Spiel nicht vor den internationalen Stars verstecken, während Daniel Brühl („Good Bye Lenin!“ 2003) nur Stichworte geben darf. Herbert Grönemeyer hat den gelungenen Soundtrack beigesteuert und darf dafür eine kleine Rolle als Staatssekretär übernehmen. Alle aber überragt ein großartiger, viel zu früh verstorbener Schauspieler mit enormer Leinwandpräsenz in seiner letzten Hauptrolle. Dass er in „A Most Wanted Man“ ständig größere Mengen von Whisky in sich hineinschüttet, ist genauso bedrückend, wie sein langer Abgang in der letzten Szene des Films. In loving memory to Philip Seymour Hofmann heißt es im Abspann. (8,5/10)