Review

Nationale Selbstkritik ist durchaus eine Tugend. Ein Zeichen von politischer Mündigkeit und echtem, sozusagen wissenschaftlichem Interesse an der Vergangenheit. Auch wenn sie in Deutschland sicherlich über die letzten Jahrzehnte bisweilen arg - und auch arg unwissenschaftlich - über die Strenge schlug und nicht selten zum reinen Selbstzweck mutierte, dürfen wir Mitteleuropäer immerhin von uns behaupten, halbwegs aufgeklärt die Wirkungsabsichten in Kriegsfilmen entschlüsseln zu können. Schablonenhafte Schwarz-Weiß-Malerei und Verteufelung einer der dargestellten Kriegsparteien sind uns, zumindest im weitflächigen Umfeld der politischen Mitte, zuwider. Selbst die Franzosen und Briten, die beide nicht nach dem Fegefeuer zweier Weltkriege als Verlierer dastanden, haben aus der Geschichte gelernt und bemühen sich filmisch meist um sachliches Porträt. Leider wird besagte Reife weder über dem großen Teich in Hollywood an den Tag gelegt, noch in osteuropäischen Ländern oder der Türkei. Und selbst das eigentlich schnuckelige Lettland macht da keine ruhmreiche Ausnahme. Der einzige Ruhm, mit dem sich hier bekleckert wird, ist ein künstlicher. Und die Dummen sind, wie immer, die anderen. In dem Fall die Deutschen.

Alles beginnt (und endet) wie ein ZDF-Vorabend-Kitsch. Wetter schön, Sonne lacht, Leute gut gelaunt. Mann und Frau lieben sich und wollen heiraten. Doch Krieg kommt dazwischen. Mann muss in die Schlacht, sieht seine Verlobte über Jahre nicht, schreibt aber fleißig Briefe. (Erster Welt-)Krieg ist vorbei. Mann kommt nach Haus. Irrationale Frau fühlt sich dem ehemaligen Geliebten emotional entfremdet und macht darüber ersatzweise einem anderen die Wäsche. Doch ein neuer Kampf steht bevor und Mann beweist Frau, wie schön es ist, vor der eigenen Haustür zu fallen. Frau versteht jetzt, dass Mann ein ganzer Mann ist und kehrt zu ihm zurück.

Da gibt es die Guten. Das sind alle Letten. Da gibt es die Bösen. Das sind alle Deutschen. Da gibt es die Dummen. Das sind alle Russen. Kommentiert von viel Flaggen-Gewedel zu alkoholhaltiger osteuropäischer Volksfestmusik. Der tatsächlich ein Jahr nach dem Ersten Weltkrieg, im Jahre 1919, ausgefochtene Kampf um Riga von pro-zaristischen Russen, wenig pingeligen deutschen Freikorpseinheiten - die die direkten Befehle der eigenen Regierung in Berlin verweigerten - und einer ganzen Menge Letten gegen den brutalen Kommunismus Lenins wird zum Freiheitskampf aller Letten gegen alle Nichtletten umgedichtet. Dass in Riga bis in die 1930er Jahre und Hitlers „Heimholung ins Reich", die lettische Hauptstadt seit dem hohen Mittelalter einen Anteil deutscher Bevölkerung von knapp 30% hatte, findet in diesem Kostümfest ebenso wenig Erwähnung, wie die eigentlich sehr komplex geartete Heterogenität der politischen Ziele aller damals Beteiligten.

Sicher, in diese (ultra-)nationale Filmproduktion Lettlands floss Geld. Der bereits erwähnte Feierabend-Sums des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland sieht im Schnitt wesentlich preiswerter aus. Doch Geld allein macht nicht glücklich und ein Projekt, das nur an einfältiger, simplifizierender Verzerrung von tatsächlich Geschehenem interessiert ist, ist die Mühe nicht wert, auf seinen informativen Charakter hin abgeklopft zu werden. Und somit ersparen wir uns die Aufzählung einer ganzen Litanei an typischen Elementen des Propagandafilms und schließen mit dem beruhigenden Gefühl, dass uns Deutschen eine solch pathetisch-seifige, in Bilder geschüttete Selbstbeweihräucherung auf Kosten anderer überaus peinlich wäre.

Details
Ähnliche Filme