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Öllers (TATORT-Ermittler Devid Striesow) und Niederländer (Sebastian Blomberg, bekannt aus "Anatomie 2") sind zwei abgebrühte, skrupellose Unternehmensberater, die durch die Luxushotels der dritten Welt reisen und mit wenigen Worten ganze Firmen umorgansieren, umsiedeln oder gleich in den Ruin stürzen. Wichtigste Handlungsstrategie im Machtpoker ist dabei nicht die Lage des jeweiligen Betriebs, sondern die eigene Karriereplanung.
In der Freizeit der beiden überheblichen und arroganten Consulter, die aus der Verachtung für Kultur und Einwohner des Landes keinen Hehl machen, bleibt genügend Spielraum für jede Menge Zynismus, Ehestreitigkeiten, sexuelle Ausbeutungen und menschverachtende Schikanen dem Hotelpersonal gegenüber.
Als ihr direkter Vorgesetzter plötzlich Selbstmord begeht und ihnen eine weibliche Kollegin vor die Nase gesetzt wird, die nicht nur das moralische Gleichgewicht wieder herstellt, sondern beide gegeneinander auszuspielen versucht, beginnt langsam die Fassade der beiden Macher zu bröckeln und alles läuft auf eine unausweichliche Katastrophe hinaus...

Ohne die finale Moral der bitter-bösen Geschichte über die Abgründe des kapitalistischen Raubbaus vorwegzunehmen, schlägt "Zeit der Kannibalen" - trotz konstant hohen Levels an nahezu rabenschwarzen Humor und Sinn für groteske Überspitzung - im letzten Drittel in eine Richtung ein, mit der man nicht gerechnet hätte. Die Entwicklung der Handlung mag nachvollziehbar sein und das Schicksal der beiden Berater auch wohlverdient angesichts ihrer gewissenlosen Eskapaden, nur um dem Zuschauer im endgültigen Finale einen Tritt in die Magengrube zu verpassen und das Kammerspiel mit einem Paukenschlag zu beenden, das teilweise bitter aufstößt und von der Groteske zur Tragödie wechselt.

Doch bis es soweit ist wird der Zuschauer Zeuge einer kammerspielartigen Groteske, die - dem niedrigen Budget geschuldet - eine reine Studioproduktion in abwechselnden Hotelzimmer-Kulissen ist, die vom Aufbau her an ein Theaterstück erinnert und in mehrere Akte aufgeteilt ist. Dadurch mangelt es dem Film - vor allem in der ersten Hälfte - an einer klar strukturierten Erzähllinie und wirkt wie eine Aneinanderreihung abgeschlossener Episoden, die meistens mit einem Schauplatzwechsel enden - wobei man lediglich anhand der Hautfarben der Hotelangestellten ablesen kann, in welcher Region man sich nun befindet.

Beschränkt auf das Szenario der kühl eingerichteten Hotelzimmer und auf die drei Hauptdarsteller, steht und fällt mit ihnen natürlich auch das komplette Handlungsgerüst, wobei Striesow, Blomberg und Schüttler, als weibliche Konstante des Trios, ihre Rollen perfekt und glaubwürdig ausfüllen und mit Hingabe spielen.
Der Humor ist pointiert, politisch unkorrekt, bitter-böse und rabenschwarz, streckenweise überspitzt - aber niemals peinlich. Die Dialoge gepfeffert und voller Sarkasmus, wobei das Verhältnis von Groteske und Tragik ausgeglichen ist.
Drehbuchautor Stefan Weigl verleiht seinen Figuren Konturen, Johannes Nabers Inszenierung ist dabei angenehm zurückhaltend und gewährt seinem Ensemble die Möglichkeit, sich voll und ganz zu entfalten. Mit Kapitalismus, Globalisierung sowie die stets und ständig in den Krisenregionen spürbare Gefahr der Bedrohung durch die Taliban, packt Weigl Themen der Zeit an, die nicht nur angekratzt, sondern ausführlich in "Zeit der Kannibalen" behandelt werden - ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu erheben. Die Kritik an dem dargestellten System bleibt dabei genauso trocken wie die unzähligen Dialoge, die nicht selten für Lacher sorgen.

Und dennoch bleibt unter dem Strich lediglich ein hervorragend geführtes Ensemble in einem sauber inszenierten Kammerspiel, dem aber leider das gewisse Etwas und mehr Pfiff fehlt. Die Dialoglastigkeit wirkt auf Dauer etwas zäh und anstrengend zu verfolgen. Bis auf das schockierende, streckenweise dramatische Ende, verläuft der Film so monoton wie der Arbeitsalltag der drei Consulter. Der Humor ist zwar gleichmäßig über den gesamten Film verteilt, jedoch bietet "Zeit der Kannibalen" angesichts seiner Themenvielfalt zu wenig Abwechslung im Handlungsverlauf. Der Zuschauer begleitet Öllers, Niederländer und ihre Kollegin von einem Meeting zum nächsten - dabei ist gleich zu Beginn an klar, mit was für einem durchtriebenen Berufszweig man es hier zu tun hat. Jedes weitere Meeting fördert lediglich den Wiederholungseffekt und Überraschungen (abgesehen von zwei finalen Twists) bleiben weitestgehend aus, streckenweise ist die Entwicklung von "Zeit der Kannibalen" vorhersehbar.

Insgesamt kein schlechter Film, der mit einem bösen Ende aufwartet - bis dahin aber auch Sitzfleisch voraussetzt.

6/10

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