Review

Der vom heimtückischen Habemußpronto-Virus (im Volksmund auch unter der Bezeichnung "Sammlerwut" geläufig) infizierte Teil der Filmliebhaber kennt das. Sobald eine streng limitierte Neuauflage eines geschätzten Klassikers angekündigt wird oder einer der Lieblingsfilme in einer so exklusiven wie überteuerten Sonderverpackung das Licht der Welt erblickt, werden die Augen groß, der Herzschlag verdoppelt sich, die Finger zucken unkontrolliert und der Speichelfluß nimmt rasant zu. Gleichzeitig wird der Verstand heruntergefahren und sämtliche vernünftige Gedanken werden von drei, sich immer und immer wiederholenden Wörtern übertönt.

Muss!
Ich!
Haben!

Dr. Emilio Lorca (Michael Citriniti) und Napoleon Lazar (Mel Johnson Jr.) sind ebenfalls Sammler. Allerdings haben sie sich auf wesentlich ausgefallenere Sachen spezialisiert als gemeine Videokassetten, DVDs oder Blu-rays. Die beiden sammeln "biological oddities". Auf gut deutsch also: Mißgebildete Kreaturen. Verunstaltete Babys. Monströse Föten. Deformierte Freaks. Und ähnliches Zeugs. Ja, wer sabbert da nicht reflexartig vor sich hin, beim bloßen Gedanken daran, solch ein seltenes Unikat zu besitzen und es in einem mit Formaldehyd gefüllten Glasbehälter zur Schau zu stellen? Als einige Arbeiter aus einer Kläranlage wieder mal eine dieser "Merkwürdigkeiten" herausfischen, ist bei der Schwarzmarkthändlerin Belinda Yost (Tracie May) die Freude groß. Das Objekt der Begierde wandert nämlich für ein paar Scheine in ihren Besitz, und sie verkauft es für sage und schreibe sechshundertundfünfzigtausend Dollar zuzüglich weiterer Geschäftsgarantien an ihren bevorzugten Kunden Napoleon weiter. Dumm nur, daß Dr. Lorcas Assistentin Sheila (Jacqueline Lovell) den im siebten Himmel schwebenden Napoleon überfällt und ihm das mit Geld nicht aufzuwiegende Ding klaut. Um die Bösewichter zu überführen und den rechtmäßig erworbenen "Schatz" zurückzuholen, kreuzen Napoleon, Belinda, deren Privatsekretärin Elvina Shaw (Rhonda Griffin) sowie der angeheuerte Privatdetektiv Leonard Kantor (Jerry O'Donnell) im Lorca'schen Schloß auf. Blöderweise erwachen ausgerechnet jetzt vier seiner Monstrositäten zu neuem Leben.

Hideous! vereint in sich so ziemlich all das, was für mich einen guten Full Moon-Streifen ausmacht. Er ist billig, er ist grotesk, er ist trashig, er ist witzig, und er hat Charme. Der Großteil des Geschehens findet an einem einzigen, immerhin gut gewählten Schauplatz statt, und die Cast ist so klein wie die von Benjamin Carr ersonnene Geschichte bescheuert ist. Der Ton ist locker und grenzt an Camp, die Figuren sind liebevoll überzeichnet, die Monster phantasievoll designt und mit Liebe zum Detail kreiert, die Frauen sind sehr hübsch, die eine oder andere Titte wippt sexy vor der Kamera herum, der Blutfluß hält sich in Grenzen, und besonders spektakulär ist das alles nicht wirklich. Und trotzdem herrscht hier Kurzweil pur. Durch Hideous! zieht sich einfach eine ungemein sympathische Ader, die beim Fan dafür sorgt, daß man kaum den Blick vom aberwitzigen Geschehen abwenden kann. Charles Band inszenierte die launige Sause erfrischend flott und mengte eine großzügige Dosis seines patentierten spitzbübischen Nehmt-den-Film-bloß-nicht-zu-ernst-Charmes bei. All jenen, welche die extrem geschmacklose Thematik abtörnt, sei gesagt, daß Band es spielerisch schafft, die unangenehmen Elemente auszublenden und die kleinen Monster dem Zuseher nahe zu bringen, für sie Sympathie zu wecken und sie zu den eigentlichen Helden des Streifens zu machen. Ähnlich wie bei Frank Henenlotters Basket Case-Filmen, nur weit weniger garstig, blutig, brutal und pervers. Da es sich bei den vier Kreaturen um sorgfältig gestaltete und sich stark voneinander unterscheidende Puppenmodelle und nicht um hingerotzte Computeranimationen handelt, haben die animatronisch zum Leben erweckten Dinger tatsächlich so etwas wie Charakter. Und irgendwie, auf eine ziemlich verquere Weise, sind sie sogar verdammt niedlich, so abscheulich sie auch sein mögen.

Angesichts der skurrilen Monster haben die Akteure und Aktricen in Hideous! kein leichtes Spiel. Aber sie meistern ihre Aufgaben nicht nur passabel, sondern sogar bravourös, und sorgen für so manch denkwürdigen Moment. Ein echter Hingucker ist die umwerfende, am 9. Dezember 1974 geborene Jacqueline Lovell (dem einen oder anderen vielleicht auch unter dem Namen Sara St. James bekannt und zu sehen in Filmen wie Nude Bowling Party, Femalien, Head of the Family (aka The Brain), The Exotic House of Wax und The Killer Eye), die hier als spärlich bekleidete Sheila eine unerhört lässig-coole Show abzieht. Ihr Überfall auf Napoleon Lazar ist schlicht und ergreifend priceless. Für alle, die diese kultige Szene nicht kennen... Sheila täuscht eine Autopanne vor, und als Napoleon ihr helfen will, hält sie ihm eine Pistole unter die Nase. Dann spaziert sie mit ihm durch den Schnee zu einem Baum, fesselt ihn daran und macht sich mit der Beute aus dem Staub. Geil, oder? Nein? Ah, okay, ich vergaß zu erwähnen, daß Sheila bis auf Hot Pants und Stiefel nackt ist und eine Gorillamaske trägt. Kudos an Autor Benjamin Carr, auf dessen Kappe dieser genial-schräge Einfall geht. Rhonda Griffin (The Creeps) hat mit ihrer Over-the-Top-Performance als wandelndes Blondinen-Klischee die Lacher auf ihrer Seite, während Michael Citriniti (Galactic Gigolo) und Mel Johnson Jr. (Total Recall) lustvoll die so exzentrischen wie fanatischen Sammler verkörpern, denen ihre geliebten "Babys" über alles gehen. Das Ensemble vervollständigen Tracie May (Shattered Lies) als knallharte Geschäftsfrau sowie Jerry O'Donnell als Privatdetektiv, der dem schrillen Treiben ungläubig und ziemlich belämmert beiwohnt und gute Miene zum bösen Spiel macht.

Im Full Moon-Oeuvre finden sich ja Unmengen von Filmen, in denen bösartige oder heldenhafte kleine Kreaturen ihr Wesen treiben. Im Prinzip variiert Charles Band (Parasite, Trancers, Evil Bong, u. v. m.) dabei nur die Erfolgsformel seines Hits Puppetmaster (1989). Abgesehen von den zahlreichen Puppetmaster-Sequels wären da unter anderem Dollman, Demonic Toys, Blood Dolls, The Gingerdead Man, Doll Graveyard, Dangerous Worry Dolls und Ooga Booga. Der im Januar bzw. Februar 1997 in Rumänien gedrehte Hideous! zählt zwar nicht zu den besten, aber gewiß zu den schrägsten, unterhaltsamsten und memorabelsten Filmen dieser Art.

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