Tomas (Johannes Bah Kuhnke) und Ebba (Lisa Loven Kongsli) fahren mit ihren kleinen Kindern zum Skiurlaub in die französischen Alpen. Als die Familie am 2. Ferientag auf der Hotelterrasse sitzt, werden sie fast Opfer einer riesigen Lawine, die erst am Haus zum Stillstand kommt. Ebba sieht entsetzt, dass sich Tomas im Moment höchster Gefahr aus dem Staub macht…
Dem tragischen Schicksal unter einer Lawine begraben zu werden knapp entronnen, beginnt für Eltern und Kinder erst die Tragödie. Mit scharfem Blick seziert der schwedische Regisseur Ruben Östlund („Play – Nur ein Spiel“ 2011) die moderne Familie, um sie dann genussvoll zu demontieren. Erst wird im Stil einer Satire der Urlaubsalltag dargestellt, mit Skifahrt, quengelnden Kindern und elektrischen Zahnbürsten. Doch als Tomas nach der Beinah-Katastrophe von der Ehefrau mit seiner Feigheit konfrontiert und vor Reisebekanntschaften bloß gestellt wird, bleibt dem amüsierten Zuschauer zunehmend das Lachen im Halse stecken. Dabei spielt Regisseur Östlund geschickt mit dem Erinnerungsvermögen des Betrachters, der sich fragt, ob Ebbas Vorwürfe überhaupt berechtigt sind. Schließlich leugnet der Angeklagte mit Handy und Handschuhen abgehauen zu sein, aber hat Junior Harry im Schneegestöber auf der Terrasse nicht gefragt, „Wo ist denn Papa?“ Tomas hat keine Chance. Die Familie funktioniert nur, wenn alle ihre Rollen ausfüllen, doch nun wendet sich die Ehefrau von ihm ab, während die Kinder sich beiden verweigern und mit feinem Gespür die befürchtete Scheidung der Eltern beweinen, bevor der Krach erst richtig los geht. Irgendwann ist der moderne Mann gebrochen und als der Tränenüberströmte endlich den Trost seiner Familie erfährt, liegt der wie eine schwere Last auf ihm. Das Ende der Geschichte nach knapp zwei Stunden ist überraschend, aber inkonsequent.
In „Höhere Gewalt“ wechseln sich geschliffene Dialoge in langen Standbildern mit grandiosen, ruhigen Naturaufnahmen einer prächtigen Bergwelt ab. Bei den Filmfestspielen in Cannes erhält der Film in der Reihe „Un Certain Regard“ den Spezialpreis der Jury. (8,5/10)