Neben den Avengers- und Justice League-Superhelden-Franchises gehört auch die X-Men-Filmreihe aus dem Hause Marvel zu den erfolgreichsten Genre-Serien ihrer Epoche, noch dazu, da man diese als eine Art Vorläufer aus den frühen 2000ern der späteren Mega-Erfolge betrachten kann. So bekam also die Original-X-Men-Trilogie mit diversen Spin-Offs und Fortsetzungen einen deutlich erweiterten Kosmos spendiert - und entwickelt mit „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" sogar eine alternative Zeitlinie!
Diese Zeitreisegeschichte kränkelt zugegebenermaßen unter einigen kleinen Schwächen. So fällt es nicht immer so ganz leicht, zu erkennen, welche Änderungen in der Zukunft (bzw. in der bisherigen Reihe) durch die radikalen Eingriffe in die Vergangenheit ausgelöst werden - so bleibt etwa die kleine Gruppe an Mutanten, die Wolverine (Hugh Jackman in der Rolle seines Lebens) in die 70er zurückschickt, um den jungen Professor X und Magneto zu helfen, einen Mord zu verhindern, bis kurz vor Ende des Films vor Änderungen ihrer Realität gefeit, obwohl ja die Ereignisse aus der Vergangenheit quasi schlagartig diese Zukunft hätten verändern müssen. Auch wird die finale Auflösung nicht gut erklärt, sodass man als Zuschauer mitunter einen Moment hin und her überlegen muss, um zu verstehen, wie tief nun eigentlich in den bisherigen Verlauf eingegriffen wurde. Und irgendwie scheint auch ein kleiner inhaltlicher Sprung zwischen „X-Men: Erste Entscheidung" und diesem Film zu liegen, denn wo die faschistoide Bedrohung der dystopischen Zukunft eigentlich herkommt, die alle Mutanten gnadenlos auslöschen will, bleibt konsequent unerklärt.
Solchen inhaltlichen Schwachstellen zum Trotz (und schließlich haben ja die allermeisten Zeitreise-Filme mit ähnlichen Problemen zu kämpfen) ist „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" ein durchgehend spannender, unterhaltsamer Action-Blockbuster, der neben guten Storyideen und viel Schauwerten auch eine mehr als nennenswerte Top-Star-Besetzung vorzuweisen hat: Neben Michael Fassbender, James McAvoy, Ian McKellen und Patrick Stewart, die ihre komplizierte Hass-Freundschaft erneut mit enormer Intensität und durchschimmernder Emotionalität verkörpern, gefallen Jackman, Jennifer Lawrence als radikalisierte Mystique und Peter Dinklage in einer ungewohnt bösen Rolle. Diese großen Namen schaffen es tatsächlich, trotz einer Fülle an Charakteren und haufenweise Spezialeffekten, ihre Figuren überzeugend und packend rüberzubringen.
Stichwort Spezialeffekte: Der eigentliche Kern des Films sind natürlich Action und Effekte, und hier beweist Regisseur Bryan Singer, dass er immer noch problemlos den aktuellen Stand halten kann. Auch wenn die Kampfsequenzen im Vergleich zu früheren Filmen für eine tiefgründigere Story etwas zurückgefahren werden (glücklicherweise!), überzeugen sie mit vollem Einsatz an bester Computertechnik und dynamischer Inszenierung. Ob der spektakuläre Ausbruch aus einem Gefängnis unter dem Pentagon, ein Attentat in Paris oder der finale Kampf, der es tatsächlich schafft, die phänomenale U-Boot-Szene aus „X-Men: Erste Entscheidung" in Sachen Gigantomanie noch zu überbieten - Fans von modernen Action- und Effekt-Spektakeln wird hier einiges geboten. Das bleibt trotz rasanter Inszenierung immer überschaubar, mit guter Kameraarbeit und einem packenden Score mitreißend umgesetzt und durch wahrhaft dramatische Wendungen stets spannend. Dramaturgisch und optisch merkt man dem Film an, dass er ein Kind der postmodernen Blockbuster-Entwicklung der 2010er-Jahre ist, die auch vor früher undenkbaren Wendungen immer weniger zurückschreckte.
So erweist sich „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" als rundum gelungener Superhelden-Blockbuster, der es furios schafft, seine filmische Vergangenheit mit der geforderten Franchise-Zukunft zu verbinden, ein starkes Star-Ensemble überzeugend aufspielen lässt und mit großen visuellen Ideen beeindruckt. Über die eine oder andere Schwäche - etwa, dass in dem ganzen Trubel Halle Berry oder Ellen Page ein wenig untergehen - kann man dabei getrost hinwegsehen und einen top inszenierten Hollywood-Reißer genießen.