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Alarmiert von den Protestürmen der Hardcore-Fans vom "Schweigen der Lämmer", die mit dem stilistisch völlig anderem "Hannibal" ganz und gar nicht einverstanden waren, besinnten sich die Produzenten des "Manhunter"-Remakes "Roter Drache", gleichzeitig Prequel zum ersten Teil, wieder auf alte Stärken.

Hannibal Lecter darf deshalb zugunsten eines neuen psychopathischen Killers (Ralph Fiennes), der bisher zwei Familien dahingemetzelt hat, wieder in den Hintergrund treten und dem FBI-Agent Will Graham (Edward Norton) bei der Tätersuche helfen. Das kommt Kennern natürlich alles bekannt vor und sorgt bei Fans für einen hübschen Wiedererkennungswert, doch genau betrachtet ist die Ausgangssituation zu sehr aus dem ersten Teil abgekupfert, der größte Unterschied besteht darin, dass Lecter jetzt keine Frau mehr ausquetscht, wodurch der unterschwellige Sex komplett wegfällt.

Die Gespräche zwischen dem Kannibalen und Graham sind dann auch nicht mehr das interessanteste am Film, vielmehr lassen sie jegliche Tiefe vermissen und scheinen nur den Sinn zu haben, die Fans anzulocken. Glücklicherweise ist Ralph Fiennes ohne Mühe dazu fähig, genügend Faszination für das Abgründige zu wecken und gibt einen wirklich bestialischen Psychopathen ab (leider ist die deutsche Synchro verhunzt), der nicht der 08/15-Ekelkiller aus TV-Thrillern ist, sondern ein komplexes Individuum, welches zum Mörder gemacht wurde. Seine Motivation hätte man ruhig noch etwas näher beleuchten können, die Bezüge zum Blake-Gemälde "Roter Drache", welches letztendlich Aufhänger für den Filmtitel ist, werden nie so richtig klar.

Eingebettet in abwechselnd düstere (Hochsicherheitstrackt) und helle Bilder (Haus von Graham), spult der Thriller so sein Programm runter, ohne echte Überraschungen bereitzuhalten. Manchmal scheint sich das FBI etwas zu lang mit der Fahndung aufzuhalten, was manche Spannungslöcher verursacht, die jedoch spätestens ab dem Kennenlernen des Killers mit einer blinden Fotolaborantin kaum mehr auftreten. Zum Schluss hin steigert sich die Spannung kontinuierlich bis zum etwas konstruierten, aber packend inszenierten Finale, dass man aber vorhersehen muss, weil sich Graham zuvor nie Auge in Auge mit dem Psyhopathen gegenüber stand.

In Sachen Härte hält sich der Film weitesgehend zurück, bis auf eine Szene mit Klassikerpotential (Rollstuhl!) spielen sich die meisten Szenen im Kopf des Zuschauers ab, was viel mehr bringt als ohne Gnade auf ein offenes Hirn zu halten. Etwas zu plakativ die Gewalt im Showdown, bei dem komischerweise Grahams Frau den finalen Schuss setzen muss.

Erwähnenswert noch die Besetzung, welche wirklich prominent ausfällt, mit Stars wie Edward Norton, Harvey Keitel, Ralph Fiennes, Emily Watson, Anthony Heald (ich liebe seine schleimige, ekelhafte Aura) und Philip Seymour Hoffman, den man wie so oft einfach hassen muss und der einen wirklich denkwürdigen Abgang hat.

Trotz eines routinierten Drehbuchs, einer grundsoliden Spannungskurve und vieler Stars kommt "Roter Drache" jedoch nie über den Status eines guten Thrillers hinaus und kann so nicht zum Klassiker werden, weil er vom Genre-Klassiker selbst zuviel übernimmt. Gravierend der Unterschied, dass Hopkins hier nach zwei Filmen als Lecter wirklich fast jegliche Faszination vermissen lässt, weshalb man die Franchise-Kuh in Ruhe grasen lassen und nicht mehr melken sollte.

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