Review

Bei Werner Herzog Filmen entsteht immer ein Konflikt: Es mag sein, das man den Film als absoluten Mist ansieht, der total ueberbewertet wird, oder aber als ein Meisterwerk, das gar nicht hoch genug gefeiert werden kann. Zudem bleibt noch die Moeglichkeit einer objektiven Betrachtung, was mir bei Herzog Filmen immer gut tat.
Bisher habe ich noch keinen Herzog Film bereut.

Nosferatu erzaehlt die allseits bekannte Vampirgeschichte Bram Stokers, allerdings mit ein paar freieren Gedanken und Interpretationen, die Orte des Geschehens sowie die Personen betreffend.
Auch spart Herzog ein wenig mit der Ausfuehrung und geht nicht so akribisch auf die Originalstory ein, wie etwa Coppolas Dracula dies tut. Dennoch hat der Herzog Nosferatu seinen Reiz, der nicht im pompoesen und purpurrauschenden Hollywoodglanz seinen Freund findet, sondern im kargen, einer sehr realistischen Darstellung einer Geschichte, die um diese Zeit spielt.

Keine aufbauschenden Bauten, die eine Duesternis des Karpatenschlosses untermauern sollen, werden hier aufgefahren, stattdessen wird ein verschnoerkeltes, rohgemauertes Schloss gezeigt, das nicht weniger Unbehagen suggeriert, nicht zuletzt, weil es tatsaechlich realistischer ist.

Selbst der 'Held' Jonathan Harker ist ein gewoehnlicher, unauffaelliger Mensch, der seinen Geschaeften nachgeht. Gewissenhaft, ohne Frage, jedoch kein versteckter Superheld, der das Boese ausrotten wird, stellt uns Herzog hier vor. Ebenso verhaelt es sich mit Van Helsing, der als ein zermuerbter, tattriger und nuschelnder Wissenschaftler in wenigen Szenen daherkommt.

Lucy ist hier Mina und Mina ist Lucy ;-) Das stimmt, denn Jonathans Geliebte heisst bei Herzog Lucy und Mina muss bloss als ein Opfer fuer den Nassauer hinhalten, den hier wohl alle suchen werden: Nosferatu, gespielt von Klaus Kinski. Kinski ist das Zugpferd dieser Produktion, obwohl die Adjani (als Lucy) und Bruno Ganz (Harker) nicht an die Wand gespielt werden. Kinski traegt diesen Film im Gegensatz zu etlichen anderen Filmen nicht allein, sondern kommt wunderbar mit den anderen zurecht, was ihm selbst und dem Film sehr gut tut.

Kinski spielt hier perfekt einen widerlichen, zierlichen, dennoch mitleidenswerten Vampyr, einen Schmarotzer an der Menschheit Leben und Liebe. Keinen romantischen Graf Vlad und keinen daemonischen Mantelschwinger, sondern einen schwitzhaendigen, durchsichtigen Knilch, der sich seiner Opfer naehert und Angst einfloesst wie einen Trank, allein durch die widerliche Art, die er ausstrahlt. Verunreinigt, einem Kellertierchen gleich, das leise tippsend auszieht um sich zu naehren. Ein viel boeseres Wesen als all die maechtig Daherkommenden stellt er dar. Jemand, der wirklich komplett der Finsternis verfallen ist, auch wenn ab und an ein Fuenkchen Licht durch seine Augen geistert.
Fuer mich eine viel gefaehrlichere Gestalt als manches ueberzogenes Monster.

Angst verbreiten, das schafft Kinski hier an einigen Stellen.
Doch viel unheimlicher war mir oftmals die Adjani, die mit gewaltigen, aufgerissenen Augen die eigentliche Heldin des Filmes ist; die Liebende, die Ihren Schutz verlor und nun nach Rache duerstet, zwar nicht gnaden- und mitleidslos auftritt, jedoch tun wird, was getan werden muss.

Die Drehorte sind rauh, karg und wunderschoen. Herzog hat ein wenig den Stil eines Landschaftsfilmers, wie ich persoenlich finde. Die Aufnahmen sind allesamt schoen und nicht kuenstlich, was dem ganzen eine seltene Note bereitet.
Auch einige Szenen sind mit einer guten, wenn auch einfachen Intensitaet ausgestattet, so ist der verrueckte Renfield hier in einigen Passagen der allerbeste seiner Art.
Nichts verschoenernd, einfach irre und geil auf das laszive Schoepfen der anderen Energie.

Rundum ist Nosferatu ein sehr stiller Film, die Score von Popol Vuh hat nicht mehr die Kraft und Aussage im Vergleich der 'Aguirre' Scores. Trotzdem passt es, denn der Film ist eine langsame, zaehfluessige Flut an wunderschoenen Bildern und teils aus gruseligen Elementen, die der Zuschauer einfangen muss, um sich dran zu laben oder schlichtweg einzudoesen.

Die Entscheidung, sich auf den Film einzulassen habe ich jedenfalls nicht bereuht.

Ach ja, fuer den Gorehound ist das hier nichts, auf keinen Fall etwas fuer den Hochglanzfilmliebhaber.
Ein rohgeschliffener Film mit einer phantastischen Adjani und einem verkruemmten, leidenden Kinski.
Und erschreckend allein durch seine Realitaet der Bilder.

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