Die Einführung könnte man so schön beginnen mit "Scream meets Purge" - doch "Kristy" wird nicht annährend "Scream" gerecht und überbietet tausendmal den Kackfilm "Purge", der überhaupt nicht zitiert werden dürfte. Beispielsweise ist "Hostel" in vielen Augen der totale Reinfall - in meinen nicht. Erstens, weil der Film schweinegeil war und zweitens, weil er knapp ein Jahrzehnt das Horror-Genre geprägt hat, bis "Paranormal Activity" mit seinen Nachzüglern gekommen ist. "Purge" ist einfach nur ein Abszess am Hintern, den man mal bei drei Promille oder einer Überdosis halluzinogenen Pilzen schauen kann. "Kristy" dagegen, der keine Kinoauswertung bekam, nur ein Slasher, wie er im Buche steht, da eine Frau von einer Gruppe maskierter Irren verfolgt wird, mit dem Ziel aufgeschlitzt zu werden. Also weder "Scream" noch Fleisch. Stop - okay, Intro fertig - Stop.
Über die Weihnachtsfeiertage bleibt Justine (Haley Bennett) mit ihrer Freundin Nicole (Erica Ash) alleine auf dem Campus ihrer Universität zurück, während der Rest der Studenten inklusive Justines Freund Aaron (Lucas Till) zu den Eltern reist. Im letzten Moment springt auch Nicole noch ab, da ihr hochangesehener Vater seine Arbeit unterbricht und eine glamouröse Party in Aspen (Colorado) feiert. Somit ist Justine abgeschottet mit dem Security-Mann Wayne (Mathew St. Patrick) und dem Hausmeister Scott (James Ransone) auf den gefühlten 2500 Quadratmetern und fühlt sich alleine - da beide lediglich für die Sicherheit und Ordnung zuständig sind. Justine denkt, sie wird die paar Tage schon alleine geschaukelt bekommen. Mit Schwimmen, Wandern und ein klein wenig Fast Food wird es schon funktionieren. Doch Justine weiß nicht, dass eine kleine Gruppe von Killern Jagd auf sie machen wird. Denn im Netz haben sie sich mit anderen Gleichgesinnten verkuppelt und der "Internet-Chief" sagt, dass Justine die neue "Kristy" ist, die getötet werden muss. Während der erste Tag noch Entspannung und auch Langeweile pur verspricht, bricht schon nachts die Hölle aus, in der die maskierten Kapuzenträger mit Handy und Schlachtermessern Jagd auf Justine macht - und allem, was sich in den Weg stellt. Wird sie diese Nacht überleben?
Fangen wir mal mit den positiven Argumenten an, die den Film sehenswert machen: Direkt schon zu Beginn ist mir aufgefallen, dass Regisseur Oliver Blackburn seinen Kameramann dazu gedrillt hat, mit dem Objektiv spektakuläre Aufnahmen, Fahrten und Blickwinkel zu produzieren, die sehr sehenswert sind. Während Juline sich von ihrem Freund Aaron verabschiedet, sieht man beide in Nahaufnahme, die bis ins Unendliche nach oben schwebt, und ich frage mich an der Stelle wirklich, wie so etwas machbar ist. Diese Szene hinterlässt nicht nur offene Münder, sondern steht sinnbildlich für die totale Isolation auf dem Campus. Auch wenn diese Darbietung nicht mehr getoppt werden kann (bis auf eine Rambo I -Gedächtnisdarstellung) , wirken die restlichen Szenen und Schnitte, bis auf zwei kleine Ausnahmen mit der Wackeldackelkamera, gut bis sehr gut.
Obwohl die Nettolaufzeit des Films lediglich 80 Minuten beträgt, lässt man sich relativ lang Zeit mit der Charaktereinführung, wenn man mal vom kurzen Intro absieht, in der die Gruppe der Kapuzenträger (die wirklich recht cool und düster rüberkommen) eine namenlose BiAtch auf Waldwiesen schlachtet und der C64 PC mit einer lausigen Pieps-Stimme sagt, dass Justine die nächste Kristy (bzw. Christin) ist - und da fällt schon der erste Putz von der Mauer ab, wenn ich ehrlich bin - die Ausgangslage und der Antrieb sind zwar ganz gut, aber man könnte meinen, dass man sich in den 80ern befindet bei solch billigen Synthie-Computeransagen. Dennoch finde ich die Sachlage mit der Charaktereinführung gut. Justin, Aaron und Co. bekommen mehr Charaktertiefe eingehaucht, als so manches Quintett in anderen Slasherfilmen, die nur an Drugs, Party, Ficken und Drugs denken.
Den wahren Höhepunkt erreicht man auch schon mit der nachfolgenden Szene in einer Tankstelle, die zwar im inneren Hellen der Tanke spielt, aber so finster wie die Nacht wirkt, dank der Psychopathin Violet, die von Ashley Greene gespielt wird und diese Szene komplett over bringt.
Danach fällt der komplette Film leider ab und man erinnert sich zwangsläufig an das letzte Jahrhundert, in denen Filme wie "Scream" und Konsorten Hochkonjunktur gehabt haben. Dies kann man positiv, negativ oder auch nostalgisch betrachten - aber ganz ehrlich: So richtig lockt mich keiner mehr dieser typischen Schockeffekte: Türen ziehen sich von alleine auf, Blitze beim Unwetter, Flackern der Lichter oder ein Darsteller springt mit einem Boris Becker-Hecht, begleitend mit stampfenden Industrial-Beats ins Bild, so dass man zwangsläufig erschreckt oder sich die Unterhose zupisst, wie es damals eben Mode war. Und solche Szenen sind zwar gerne gesehen, aber "Kristy" ernährt sich regelrecht davon. Für meinen Geschmack ist das ein wenig zu viel des Guten. Dafür bleibt aber fast bis zum Schluss die Frage "Whodunit?" offen. Sind es jetzt Bekannte, Freundinnen oder der Freund, oder doch ganz andere Leute? Diese Frage wurde meines Erachtens gut gelöst.
Kommen wir zum größten Kritikpunkt: Die Jagd, die den größten Teil des Streifens darstellt.
Also wenn ich ganz ehrlich bin, vier gegen eins ist unfair, aber wenn diese Gruppe Schluss mit Lustig gemacht hätte, wäre hier nach dem ersten Angriff (oder beim zweiten, oder beim dritten...) schon Schluss gewesen. Man muss sein Hirn und die Logik etwas in die Abflussrinne werfen, um die nachfolgende Hatz von knapp 60 Minuten (ohne Atempause) zu genießen und eben Abstriche in Sachen Innovationen machen. Lediglich ein richtig fetter Gag mit dem Hausmeister (THC) bringt mich zum Lachen, und auch die Schwimmbadszene hat es in sich - aber leider gab es schon alles in anderen Filmen. Wenn man die Erwartungshaltungen auf Low Society stellt und die Logik (wie oft hab ich meine Schlappen auf den Fernseher bei Szenen geschmissen, weil die "dumme Sau" nicht mal bereit ist, bereits verwendete Waffen aus dem Opfer rauszuziehen und als Sicherheit mitzunehmen) mit ein paar Schnaps beiseite trinkt, haben wir es mit einem wirklich sehr angenehmen Slasher zu tun, der zwar nichts Neues zu bieten hat, aber wie lautet das Sprichwort: Besser gut kopiert, als neu und schlecht erfunden.
"Kristy" wird, so gehe ich davon aus, mehrheitlich gute Bewertungen einfahren und für den Genre-Freund ist es ein absolutes Must See, aber auch mit der Tatsache behaftet, dass gerade der geneigte Slasherfan, alles schon hundertmal so gesehen hat und genau daran wird sich die Punkteverwertung nach oben oder eben unten verteilen.
Tipp: Am besten in der Dunkelheit bei einem dickem Heimkino schauen, dann kommt der Film definitiv besser als auf Fernsehprogrammlautstärke und Licht von außen.
7/10