Der 10-jährige Rico (Anton Petzold) lebt mit seiner Mutter (Karoline Herfurth), die in einem Nachtclub arbeitet, in der Dieffe 93 in Berlin-Kreuzberg. Eines Tages lernt der „tiefbegabte“ Junge bei der Suche nach einer Fundnudel den hochbegabten Oskar (Juri Winkler) kennen. Als dieser am nächsten Tag nicht zum vereinbarten Treffpunkt kommt, schlussfolgert Rico ein Verbrechen…
Autor Andreas Steinhöfel gewinnt 2009 für seinen gleichnamigen Roman den deutschen Jugendliteraturpreis. Regisseurin Neele Vollmar (geb. 1978, „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ 2009) gelingt es das Buch über die spannenden Abenteuer eines ungleiches Freundespaares kongenial auf die Leinwand zu bringen. Denn Rico leidet an der Verhaltensstörung ADS, was er selbst als tiefbegabt bezeichnet, so dass es ihm schwer fällt sich zu merken, was links und rechts ist und er am liebsten geradeaus geht. Oskar hingegen ist hochintelligent, weiß aber um die statistischen Gefahren des Lebens und ist deshalb überängstlich. „Ich kann die ersten 100 Primzahlen aufzählen!“, „Trägst Du deshalb einen Helm?“. Vollmar gelingt es geradezu liebevoll den Film aus der Sicht eines ganz speziellen Jungen zu erzählen, der auch mit ernsten Themen umzugehen weiß. So gibt es vor allem in der ersten Filmhälfte viel zu lachen, während später mit zunehmender (Kinder-)Krimihandlung die Spannungskurve steigt.
„Rico, Oskar und die Tieferschatten“ ist aber auch eine humorvolle Milieustudie, an der auch Erwachsene ihren Spaß haben. Die Dieffenbachstr. 93 ist nämlich bevölkert von Berliner Originalen, deren Darsteller sich wie ein Auszug aus dem Who is Who deutscher Schauspielkunst lesen: u.a. gibt Ursula Monn („Ein Mann will nach oben“ 1977 TV) die liebevolle Rentnerin, Milan Peschel („Halt auf freier Strecke“ 2011) den verlotterten Messi, Axel Prahl („Tatort Münster“ seit 2002 TV) spielt im roten Overall den Mann vom Schlüsseldienst und Karoline Herfurth („Fack ju Göhte“ 2013) bietet eine überragende, anrührende Leistung als verständnisvolle alleinerziehende Mutter. Komödiantischer Höhepunkt in einem durchweg unterhaltsamen Familienfilm ist ein 3-minütiger Dialog zwischen Rico, Oskar und einer genervten Eisverkäuferin, dargestellt von Anke Engelke, der schon Loriot-Niveau erreicht. (8/10)