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VORSICHT: SPOILER!Ein Maze! (Labyrinth) - Ein Labyrinth von Logiklöchern - unentwegtes Kopfschütteln - oberflächlicher Mumpitz - Klischees und Banalitäten

Im folgenden errege ich maßlos über mir unlogisch erscheinende Details, samt Spoilern und so. Sorry!

Ein halbwüchsiger Schönling (Thomas) erwacht in einem ratternden Aufzug, der ihn ans Tageslicht befördert. Dort lebt eine Gruppe Jungen halbwegs friedlich, "Herr der Fliegen"- Konflikte sind längst überwunden. Sie hausen in Holzhütten auf einer Lichtung zwischen einem labyrinthischen System hoher Mauern, die sich unerklärlicher Weise bewegen ("Cube" lässt grüßen) und tödliche mechanische Riesenmonster beherbergen, eine Mischung von Skorpionen und Spinnen ohne Netz - wohl aus "Matrix" geliehen. Die beschauliche Selbstversorgerlandwirtschaft wird regelmäßig ergänzt mit gratis Spenden des Aufzugs, gesandt von unsichtbaren Puppenspielern. Einen Ausgang konnten die Buben nicht finden, weder jenseits der Mauern, noch unten am Startpunkt des Aufzugs. So weit dümpelte jahrelang alles vor sich hin, bis der Film anfängt, den ungläubigen Thomas im Eiltempo die bewährten Regeln brechen zu lassen.

Offenbar werden die total aufwendigen mechanischen Gimmicks des "Maze" nicht von "Hunger Games"-artigen Spielleitern manipuliert, die bei zu großer Langeweile Konflikte kreieren; die HerrInnen des Labyrinths lassen die Situation auch mal gern stagnieren, provozieren keinen Streit unter den Spielfiguren, auch keine Spur von "Human Race", "Battle Royale" oder so. Auch die eingesperrten Jugendlichen, die es doch wirklich interessieren sollte, thematisieren die Hintergründe der seltsam ferngelenkten Spielanordnung nicht - für den Zuschauer - obwohl der Neuling erstmal rumgeführt wird, damit auch das Publikum die Vorgeschichte erfährt. Nicht umsonst erinnert der banale Prolog an die Einführung eines Computerspiels - denn der Film wird bald dominiert von "Jump 'n' Run" und sonstigen Videospielsequenzen, obendrein lückenlos zugekleistert von einem dominanten Soundbrei, der es unmöglich macht, "Originaltöne" im Film zu identifizieren und daraus eine Spannung zu generieren. Entsprechend wenig tiefschürfend schreitet dann die Handlung "voran".

Die Buben steigen zwar ohne Erinnerungen aus dem Lift, müssen aber trotzdem nach ihren Eltern winseln, damit der Film ordentlich auf die Tränendrüse drücken kann. Dabei hieße "ohne Erinnerungen" zu leben, weder vom Konzept "Erinnerung" zu wissen, noch von der Notwendigkeit, Erzeuger bzw. "Eltern" zu haben - an ihre sexuelle Aufklärung dürften sie sich dann ja auch nicht erinnern, vor allem, wenn weder anderes Geschlecht (Mädchen) noch Erwachsene anwesend sind. Is' wohl nicht so ganz durchdacht...

Irgendwann kommt aber plötzlich ein Mädchen (Kaya Scodelario) im Lift an - aber warum eigentlich? Warum erst so spät ein Mädchen? Warum in diesem Moment? Warum überhaupt ein Mädchen? Denn dass sie vom anderen Geschlecht ist, spielt im Film keine Rolle (außer dass sie von der magischen Wirkung eines Tritts in die Eier weiss).

Ihr Geschlecht wird erst dann eine Rolle spielen, wenn man keine Scheu hat, sich auch den für September 2015 geplanten zweiten Film der Reihe anzutun (grusel!), wozu dieser erste Teil animieren soll. (Der Trailer gibt uns, im Juni 2015, schon gewisse Hinweise...) Kaya Scodelario, eine Art Kristen Stewart-Lookalike, wirkt auf männliche Zuschauer bestimmt animierend (entsprechend tritt sie im für 2017 geplanten "Pirates of the Caribbean" die Nachfolge von Knightley und Cruz als Animierdame an), aber die im erzwungenen Zölibat lebenden Buben im Film, im fortpflanzungsfähigsten Alter, nehmen das zerraufte Supermodel seltsamer Weise gleichgültig auf, ohne dass irgendein Gespräch oder der übliche hormonbefeuerte Konflikt wegen der einzigen Frau auf der Lichtung entsteht (innerhalb der Vorgabe "Leben ohne Erinnerung" logisch - aber in diesem Film bleibt damit völlig unklar, warum so eine attraktive Frauenfigur überhaupt eingeführt wurde). Wurden vielleicht noch anderes als "Erinnerungen" gelöscht? Ist das 'ne Eunuchensiedlung? Übrigens, woher erkennen die Jungen, angeblich "ohne Erinnerungen", das letzte "Paket" eigentlich als Mädchen, bzw. woher kennen sie den Unterschied zwischen sich und ihr?

Nochmal: Warum wundert sich keine von den Figuren über die mechanische Beschaffenheit des Labyrinths/der Spinnenviecher? Und wenn schon mechanisch, warum aber sind die Spinnencyborgs dann so verletzlich und zimperlich und lassen sich von Stöckegefuchtel und Knüppelschütteln in die Flucht treiben?

Wie können die Eingesperrten einen "Plan" eines Labyrinths anlegen, wenn es sich (angeblich) dauernd "verändert"? Wie lässt es sich dann überhaupt "zu Ende" erforschen (was für die Buben angeblich kein Problem war)?

Wieso ist der Neuankömmling nach ca. drei Tagen der begnadete Führer, der alles besser weiß und allen Vorschriften macht?

Wieso propagiert der Film das Verlassen der Lichtung überhaupt als erstrebenswert? Der Film stellt das Leben in der Lichtung zweifellos als Paradies dar: blühende Natur, perfekte regelmäßige Versorgung per Aufzug, ergänzt mit gedeihender Landwirtschaft, Frieden, meist Sonnenschein, üppig grüne Wiesen. Dass die Jungen beständig meinen, ins Labyrinth "rennen" zu müssen - ihr "maze running" ist der Versuch, einen Ausweg zu finden - erweist sich als das einzige Problem in diesem perfekten Leben - ein selbstgeschaffenes Problem. Besonders seltsam, weil das Leben um so perfekter ist, als der Verlust aller Erinnerungen auch bedeuten muss, nichts zu vermissen. Weil man sich nicht an eine frühere, andere Welt erinnern kann. Wieso steht dann für den Film fest, dass ein Leben außerhalb überhaupt gesucht werden muss, noch dazu unter tödlichen Opfern?

Denn die Burschen betreiben die Auswegsuche, ohne dafür einen vernünftigen Grund zu nennen, also wohl als Selbstzweck. Der Film liefert kein einleuchtendes Motiv für diesen gefährlichen Unsinn, nennt aber auch nicht "Selbstzweck" als Grund. (Natürlich, im wahren Leben gibt es durchaus auch irren, "unvernünftigen" Extremsport: Bungeespringen, Base-Jumping oder S-Bahn-Surfen mögen analog zum "maze running" stehen, mit dem "Kick" als Selbstzweck.)

Erst als Thomas noch konsequenter versucht, auszubrechen, entstehen Konflikte und schließlich Tod, Feuer und Untergang der Gemeinschaft. Prima! Gut gemacht! (Sicher ein Symbol für's Erwachsenwerden, Ausbruch aus der Kinderidylle, oder so.) (Ach ja, warum macht eigentlich keiner, der sich vor den Monstern in trockenem Gras oder Holzhütte verstecken will, seine Fackel aus?)

Also krass unlogischer, wirrer Humbug das alles: Ohne den Widersinn zu merken, preist der Film Thomas' manische Unruhe, sein Zwietracht säen und sein unüberlegtes Eingehen von Risiken als moralisch höherwertiger als das zuvor praktizierte friedliche, angepasste Leben in Harmonie mit der Umwelt. Noch dazu ohne dass Thomas etwas wie Langeweile als Motiv anführen könnte: er ist ja gerade erst angekommen. Als sei Widerstand gegen jede vorgegebene Welt eine Tugend, will der Film uns einen soziopathischen Führer als Vorbild verkaufen. Wahrscheinlich Schuld der Romanvorlage, aber die zählt hier nicht, wir reden ja nur über -

Anmerkung des Herausgebers: "Hör mal, Carbusters, jetzt muss ich wohl mal eingreifen: In unserer realen Welt ist Misstrauen gegenüber dem Status Quo aber sehr wohl angesagt, gerade für die Altersgruppe, die im Film auftritt und die Zielgruppe bildet! Deren Zukunft wird doch gerade für schnellen Profit verhökert, Klimawandel, Artenschwund, Sozialabbau und "peak everything". Und auch Frank Zappa - den kennst du doch, ist doch ein cooler Typ, oder?!?"

Carbusters: "Jaa, schon... der ist zwar Opa, 1993 gestorben, war aber immer voll gut drauf..."

Herausgeber: "... und Frank Zappa sagt, befragt nach seiner Message: 'Alle Jungs und Mädels sollten jeden Tag nach Leibeskräften brüllen: DAS BEZWEIFELE ICH! - zu allem, was um sie herum getan, gedacht oder gesagt wird.' ["In eigenen Worten", Heidelberg, 1996] Also ist Widerstand erstmal auf jeden Fall Pflicht! Und dazu ruft der Film auf: Seine Jugendlichen fordern Transparenz und Demokratie! 'The Maze' plädiert für den Willen zur Mitbestimmung!"

Carbusters: "Ich sagte doch gerade: In der Welt, wie sie dieser verkorkste Film vorgibt, wo Leute ohne Erinnerung in paradiesischen Zuständen herumstolpern, kennt keiner Frank Zappa, noch hat jemand Grund, den Status Quo in Frage zu stellen! Sie müssen sich bloß vom 'Maze' fernhalten!" (Auch er gebraucht zunehmend Ausrufezeichen statt neuer Argumente.)

Herausgeber: "Was Du forderst, ist 'Resilienz', die Fähigkeit von Individuen, sich trotz widriger Lebensumstände positiv und gesund zu entwickeln. Eigentlich eine hilfreiche Eigenschaft, die aber zunehmend neoliberal vereinnahmt wird. Denn Du übersiehst dabei, dass es wichtiger wäre, diese Lebensumstände von Grund auf (!) zu verbessern. Diese Resilienzforderung, die Du betreibst, bedeutet, dass die Belastungen selbst nicht mehr in den Blick genommen werden, man sie nicht verändern oder sich dagegen auflehnen soll. Vielmehr werden die belastenden äußeren Lebensumstände als gegeben angenommen, man soll sich nur 'resilient' anpassen. Du verlangst quasi, dass sich wir uns an den Klimawandel anpassen sollen, statt versuchen, ihn zu stoppen."

Carbusters: "What's the problem? Was ist so schlimm daran, sich an Krisen anzupassen?!?"

Herausgeber: "Mach' das meinetwegen, das geht uns hier nichts an. Aber wenn Du nicht gleichzeitig daran arbeitest, die Krise, z.B. den Abbau des Sozialstaats, oder die tödliche Fronarbeit in asiatischen Sweatshops zu stoppen, fügst Du Dich ein in die neoliberale Botschaft, die mit dem Zurückdrängen sozialstaatlicher Verantwortung ein neues, auf Eigenverantwortung beruhendes Menschenbild durchgesetzt hat. Für das Leiden der Menschen machst Du weniger die sozialen Verhältnisse verantwortlich, als die Menschen selbst (z.B. die wehrlosen Textilarbeiterinnen oder die von Geburt an Armen oder die unschuldigen Opfer des Klimawandels). Hilfe und Umgang mit Krisen werden bei Dir zu privaten Aufgaben. Du kritisierst Thomas, wenn er die Gemeinschaft dazu bringt, gemeinsam die Verhältnisse verbessern zu wollen."

Carbusters (legt entnervt auf).

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