Sieht vielversprechend aus, das Cover des zweiten Teils von Uwe Bolls Amoklauf. Das Capitol in Washington brennt, Helikopter schwirren durch die Luft und ein schwerbewaffneter Vermummter gibt höflich Feuer. Doch leider ist das alles Fake. Der größte Teil der Produktionskosten ging bei „Rampage: Capital Punishment" nämlich für die Explosion eines Familienwagens drauf, den der Killer relativ sinnlos in Brand steckt. Dann mussten noch zwei oder drei Darsteller, wie Brandan Fletcher (als Killer Bill) oder Lochlyn Munroe (als Anchorman) bezahlt werden (beide gesehen in „Freddy vs. Jason", 2003), damit das Ding nicht völlig als Familienproduktion enttarnt werden kann, und schon war das Geld offenbar verpulvert.
Doch nicht nur das Cover trügt, auch der Inhalt bleibt preiswert. Wir erinnern uns gern an den ersten Teil zurück, in dem ein jugendlicher Killer Dutzende Menschen in einer fiktiven amerikanischen Kleinstadt kaltblütig erschoss und die Sache am Ende, mit einem tollen Kniff des Drehbuchs, seinem weltverbessernden Bekannten in die Schuhe schob. Doch von der überraschend ansprechenden Inszenierung des ersten Teils ist Boll - ähnlich wie bei den Schwertern des Königs - Meilenweit entfernt. Weder die Story noch das Drumherum taugen etwas. Nachdem er in einem Hinterhof ein paar Leute erschossen hat, entführt Bill nämlich die Belegschaft eines Fernsehsenders in einen Kellerraum, in dem sich dann für knappe zwei Drittel des Films die Handlung zuträgt. Doch um über den billigen Look seines überraschend schlecht produzierten Sequels hinwegzutäuschen, fiel dem frustrierten Mann auf dem Regiestuhl etwas Neues ein: Er geht in die Politik.
Ein politischer Film. Das klingt hochtrabend. Klingt ambitioniert. Und nimmt dem profanen (aber berechtigten) Gemecker den Wind aus den Segeln, der Film sei nicht actionlastig genug. Soll er doch auch gar nicht sein. Soll doch kritisch sein und Aufklärungsarbeit leisten. Und wer jetzt denkt, halt, wie bitte, wir reden doch von Uwe Boll, der hat bisher gut aufgepasst und lässt sich jetzt nicht auf den Arm nehmen.
Natürlich ist auch das schizophrene Politgebrabbel von Uwe Bolls Antiheld, der bald vor laufenden Kameras daran geht, zu uns zu predigen, anspruchslos. Da bekommen die Regierungen plakativ ihr Fett weg, werden die uns unsympathischen Banken zerlegt, wird dem Konsum mit einer Vielzahl an Plattitüden der Garaus gemacht, wird auf Steven Spielberg eingedroschen und zu guter Letzt eine gigantische Weltverschwörungstheorie formuliert, die sich nach kurzer Zeit in ermüdendem Geschwafel verliert. Denn während Bill einerseits eine Frau erschießt, weil sie sich mit Yoga fit hält und damit einem Oberschichtensport frönt, kritisiert er andererseits die Unmenschlichkeit der ihm viel zu kriegerischen US-Regierung. Oder er rät angesichts der Überbevölkerung dazu, die jährlich geborenen 70 Millionen neuen Erdenbürger einfach zu exekutieren, um im nächsten Moment ein Weniger bei weltweit verschwendeten Ressourcen anzumahnen, damit man der Dritten Welt besser helfen könne. Es ist so wirr und ungereimt, so widersprüchlich und farbecht verblödet, dass nur noch Action über die oft zähen Minuten hinweghelfen könnte. Aber die kommt bei dem Dauerfeuer an pseudoaufgeklärtem Verschwörungsgeschwätz zu kurz.
Selbst das bisschen, was hier an Action aufgefahren wird, überzeugt nicht. Zwar werden Squibs benutzt, um Treffer darzustellen (für mehr Computereffekte als zwei schlecht animierte Explosionen ausgangs wäre auch kein Geld da gewesen), doch bleiben die Bilder erstaunlich blutleer. Hier ein in den Bauch Getroffener, der wie bei Winnetou einfach umfällt und dort eine in den Rücken Geschossene, die sich artig hinlegt und tot spielt. Aber nirgends schmerzverzerrtes Leid eines echten Amoklaufs. „Rampage: Capital Punishment" ist weder brutal noch garstig und steht damit durchaus im Gegensatz zum offenbar glücksgegriffenen ersten Teil, der zumindest die Gnadenlosigkeit und Willkür einer solchen Situation ehrlich zu vermitteln trachtete. So sind die Höhepunkte des billig produzierten Films (1,5 Millionen) bezeichnenderweise die eingangs ins Bild geschobenen Rückblenden auf den sichtbar höher budgetierten ersten Teil (4,5 Millionen). Ein Offenbarungseid.
Jetzt könnte man als Mensch mit viel Freizeit daran gehen, den Sinn in Uwe Bolls sinnlosem Treiben zu suchen. Aber das wäre müßig. Boll erhofft sich mit seinem janusköpfigen Killer einzig und allein Diskussion über seinen neuen Film. Und wäre der tobsüchtige Regiemann so bekannt wie Steven Spielberg, bliebe die auch nicht aus. Trotz oder gerade wegen des scheinbaren Durcheinanders an Interpretationsmöglichkeiten. Doch ist Uwe Bolls Filmchen so unwesentlich und wenig maßgeblich, dass echter Diskurs in diesem Fall hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. Und die Energie kann man sich sparen.
Es bleibt dabei. Uwe Boll wurde nicht unterschätzt. Er ist leider genauso (in-)kompetent wie er immer hingestellt wird, denn er erlaubt seinem wahllos tötenden Killer, die eigene politische Botschaft zu ermorden. „Rampage: Capital Punishment" ist kein Kunstkniff, sondern ein Fehlgriff.