Alle paar Jahre wieder schwappen Filme aus Fernost auch in die westlichen Kinos über und haben dort einen beachtlichen Erfolg. "Tiger & Dragon" dürfte wohl Asiens bekanntester Exportartikel der letzten Jahre sein, hat selbst Zweifler des Asia-Kinos größtenteils zufriedengestellt und letztendlich vier Oscars eingeheimst.
Gewöhnungsbedürftig ist "Tiger & Dragon" allemal. Schon die Story weist offensichtliche Abweichungen von westlichen Filmen auf, da sie einerseits sehr komplex erscheint und andererseits doch sehr ruhig erzählt wird, was viele bereits abschrecken dürfte. Tatsächlich sind die Anfangsminuten mehr als zäh, bis einmal alle Verwandtschaftsverhältnisse und das "Who-is-Who" geklärt sind, vergeht fast eine Stunde, wo der Film dann in Form einer Rückblende endlich an Spannung gewinnt. Die Liebesgeschichte um Shu-Lien und Lo zeigt eindrucksvolle Bilder aus den kargen Einöden Chinas und wird durch den grandiosen Soundtrack noch einfühlsamer. Zudem bleiben natürlich die Fragen interessant, ob es gelingt, Shu-Lien von den Einflüssen der Jade Fox zu befreien und ob Li Mu Bai sich endlich ein Herz fasst und Xiou Long seine Liebe gesteht
Nach Anlaufschwierigkeiten kommt "Tiger & Dragon" also doch noch in Schwung, man hat trotzdem den Eindruck, dass Ang Lee starke Einschränkungen vom Studio erdulden musste, weil vor allem in der ersten Stunde scheinbar einige wichtige Erklärungen verloren gingen, die das Verständnis erleichtert hätten.
Zwischen den storyrelevanten Passagen kann man immer wieder beeindruckende Martial-Arts-Einlagen sehen, mit denen sich Ang Lee vor dem Eastern-Genre verbeugen wollte. Man muss dabei aber bedenken, dass es sich um einen mystisch angehauchten Film handelt, weshalb die Kämpfe über unsere Vorstellungskraft hinausgehen, das heißt, die Beteiligten können sich auch über die Gesetze der Schwerkraft hinwegsetzen und sich frei in der Luft bewegen. Zunächst erscheint das etwas lächerlich, wenn man aber im weiteren Verlauf erkennt, welch spektakuläre Fights so möglich sind, nimmt man das gerne in Kauf.
Ironie des Schicksal übrigens für Chow Yun-Fat: Mitte bis Ende der 90er spekulierte er mit einigen mittelmäßigen Hollywoodkrachern auf seinen Durchbruch in der westlichen Welt, um darauf zu scheitern, mit "Tiger & Dragon" zu seinen Wurzeln zurückzukehren und schließlich mit diesem Werk endgültig zu einem weltbekannten Schauspieler aufstieg. Wer sich den Film übrigens nur wegen ihm anschaut wird enttäuscht sein, seine Rolle ist gar nicht mal allzu groß, was aufgrund der tollen Leistungen der anderen jedoch nicht weiter auffällt. Aus Kommerzgründen wurde er dennoch als Head-Liner von "Tiger & Dragon" beworben, da er im Vergleich zu den anderen einfach schon bekannter war.
Welch Liebe zum Detail Ang Lee hier hineingesteckt hat, wird an allen Ecken und Enden deutlich. Hätte er seinen Film nicht um eine gute halbe Stunde erleichtern müssen, "Tiger & Dragon" würde sich nahtlos in die lange Geschichte der ganz großen Epen einreihen. Das recht hohe Budget verlangte halt einfach eine etwas publikumsfreundlichere Laufzeit und dafür ist dieses Werk mehr als gelungen.