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„Scheiß Beamtenpack!“

Der Münchener „Tatort“-Neustart mit „Animals“ führte direkt am Neujahrstag 1991 ein neues Ermittler-Duo ein, das eines der langlebigsten werden sollte und bis heute aktiv ist: die Kriminalhauptkommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec, „Tatort: Der Pott“) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl, „Crash“). Der Wiener Regisseur Walter Bannert („Eis am Stiel, 7. Teil – Verliebte Jungs“) inszenierte seinen ersten von insgesamt fünf Beiträgen zur öffentlich-rechtlichen Krimireihe, das Drehbuch stammt von Max Zihlmann und Veith von Fürstenberg.

„Die 90er-Jahre verlangen einen völlig neuen Frauentyp!“

Die Tierschützerin Angelika Weiss (Angelika Bartsch, „Tatort: Spuk aus der Eiszeit“) versucht, gegen den Kosmetikhersteller Pelzer (Béla Ernyey, „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“) vorzugehen, weil dieser für seine Produkte grausame Tierversuche durchführt. Bei den Kriminalhauptkommissaren Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) blitzt sie jedoch ab, schließlich sei man die Mordkommission und deshalb nicht zuständig. Zu einem Fall für sie wird die Angelegenheit dennoch bald: Als Weiss sich zusammen mit dem Fotografen Fred Grimm (Michael Fitz, „Der Schwammerlkönig“) Zutritt zum Firmengelände verschafft, um die Tiere zu befreien und Beweisfotos anzufertigen, hetzt Pelzer persönlich seinen Rottweiler auf sie, der sie totbeißt…

„Es gibt Leute, die wollen sich nicht wohlfühlen!“

Die kurze Inhaltsangabe ist nicht wirklich gespoilert, denn der Einstand der neuen Münchner Kripobullen lässt weder die Frage nach Täter noch nach dem Motiv offen. Zunächst einmal werden Batic und Leitmayer aber im Auto herumalbernd eingeführt, Hardrock-hörend auf dem Weg zur Arbeit. Während ihrer Konfrontation mit dem späteren Todesopfer reagiert dieses empört, wird gar handgreiflich. Anschließend bleibt die Narration eine ganze Weile bei ihr und gewährt dem „Tatort“-Publikum damit einen großen Wissensvorsprung gegenüber der Polizei. Diese wird zunächst zu einem erstochenen Fixer in einem Bahnabteil gerufen. Batic helfen seine jugoslawischen Sprachkenntnisse am Tatort, im Zusammenhang mit dem eigentlichen Fall steht der Tod im Drogenmilieu aber nicht.

„Ihr mit eurer spießigen, dreckigen Fantasie…“

Pikanterweise war Angelika Weiss als Fotomodell für Pelzer tätig und konnte sich nur dadurch Zutritt zum Gelände verschaffen, weil sie Sex mit ihrem ehemaligen Chef hatte. Dies soll helfen, Weiss als radikale, mit vollem Körpereinsatz und ohne Rücksicht auf Verluste vorgehende Tierschützerin zu charakterisieren – und ist in Bezug auf die Glaubwürdigkeit vielleicht etwas zu viel des Guten. Wie Pelzer wiederum mit Tieren umgeht – er erschießt kurzerhand seinen Rottweiler –, lässt keine Fragen offen, die Fronten sind geklärt und die Sympathien verteilt. Nachdem Angelikas Leiche an der Isar gefunden wurde, wird’s etwas skurril: Batic trifft einen der Tierschützer bei einer alten Katzenlady, die 20 Stubentiger ihr Eigen nennt und ins Altersheim soll, Leitmayr ermittelt bei einer Model-Kollegin der Toten und Batic kämpft mit dem Computer, bevor endlich Pelzer befragt wird – der gerade versucht, sich illegal neue Versuchshunde zu beschaffen.

„Du bist spießiger als jeder Deutsche!“

Um die neuen Kommissare ebenfalls charakterlich zumindest schon einmal grob zu umreißen, erhält man Einblicke in Leitmayrs Privatleben (in dem seine Freundin zu kurz kommt) sowie in Batics Wohn- und Beziehungsverhältnisse: Der Mann bewohnt eine ausladende Loftwohnung und streitet mit seiner Freundin über ihren Job für Pelzer, der er in diesem Zuge ein Video über Tierversuche vorspielt. Mehrfach kokettiert Batic zudem mit seiner ausländischen Herkunft, bis auch der letzte Zuschauer kapiert hat, dass er kein „biodeutscher“ Kommissar ist. Und dann ist da noch Journalist Peter Turm (Edwin Noël, „Maigret und sein größter Fall“), der mit dem Tierschutz sympathisiert, aber radikale Aktionen ablehnt und von der Polizei kurzerhand für eine Nacht in die Ausnüchterungszelle gesteckt wird, als er betrunken auf der Wache herumpöbelt. Fotograf Grimm wiederum, der seine Aufnahmen konspirativ anzufertigen pflegt, ist kurioserweise stets mit einem superauffälligen Auto unterwegs, wie es in ganz München kein zweites geben dürfte. Gegen Ende gibt’s dann ein bisschen Action, als sich zufälligerweise fast alle Figuren in einer Scheune versammeln.

Ja, Kollege Zufall hilft mit, Narration und Dramaturgie voranzutreiben. Mit seiner Figurenkonstellation, bei der jeder über ein, zwei Ecken mit jedem bekannt zu sein scheint und auch amouröse Verquickungen nicht ausgeschlossen werden, wird der Fall zuweilen unübersichtlich und hat ein bisschen was von einer Seifenoper. Und die Schleichwerbung für „Ferrero Rocher“ ist nur allzu offensichtlich, hier wird sich gern mal die Kugel gegeben. Eine Texttafel am Schluss informiert über Parallelen zu einem realen Fall und tatsächlich ist das Thema Tierversuche bedauerlicherweise alles andere als fiktional. Der „Tatort: Animals“ bringt es aufs Tapet und bezieht eindeutig Stellung dazu, was erfreulich ist und ihn ein gutes Stück weit aufwertet. Ansonsten reißt dieser Münchner Einstand im Spät-‘80er-Look sicherlich keine Bäume aus und leidet ein wenig unter der dramaturgischen Entscheidung, Täter und Motiv von vornherein bekanntzugeben.

Trivium: Der hier Fotograf Grimm spielende Michael Fitz wird das Team ab seinem dritten Fall als Kriminaloberkommissar Carlo Menzinger unterstützen.

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