Psycho von 1960 bleibt bis heute ein unumstrittener Klassiker, der auch heute noch faziniert. Kurz nach Alfred Hitchcocks Tod begann man plötzlich damit, Pläne für eine Fortsetzung zu schmieden und die Frage, ob diese notwendig sei, ist durchaus berechtigt. 1983, 23 Jahre nach dem Original, war es dann so weit und Psycho II kam in die Kinos, wieder mit Anthony Perkins in der Hauptrolle als Norman Bates. Wahrscheinlich hat sich niemand einen guten Film erhofft, aber Psycho II steht in der Liste der besseren Fortsetzungen ganz weit oben, wenn nicht sogar an erster Stelle.
Regisseur Richard Franklin befasst sich gar nicht erst sonderlich mit einer Zwischengeschichte und setzt ganz grob da an, wo Hitchcock aufgehört hat: mit Norman Bates in der Anstalt. Nur dass es sich hier um einen 22 Jahre älteren Norman Bates handelt, der gerade kurz davor ist, freigesprochen zu werden, ganz gegen den Willen von Lila Loomis, der Schwester von Marion Crane, die Bates im Wahn umgebracht hat. Totz ihres Bemühens wird Bates trotzdem freigesprochen. Er daf wieder nach Hause ziehen und bekommt zeitweise einen Job in einem Resteraunt als Küchenhilfe. Niemand scheint es zu stören, dass Bates mal ein psychopatischer Mörder war. Erst als Bates den Besitzer seines Motels, Mr. Toomy, feuert, scheinen wieder Erinnerungen in ihm und seinem Umfeld klar zu werden. So terrorisiert Toomy ihn und seine Freundin Mary. Eines Nachts wird Toomy umgebracht und etwas später auch ein Junge im Keller des Bates-Anwesens.
Nun soll mal einer sagen, der Film wäre nicht vielschichtig. War Teil 1 schon (beim ersten mal anschauen zumindestens) verwirrend und erst gegen Ende schlüssig, so setzt Teil 2 noch einen drauf, bringt mehrere Lösungswege ins Rennen und lässt am Ende dann ein ganz anderes Pferd gewinnen. Dachte man zuerst zwangsläufig, Lila Loomis hätte sich bei ihrem Verwirrspiel rund um Bates selbst zur Mörderin gemacht, fällt der Groschen am Ende dann doch in eine andere Richtung. So taucht plötzlich Normans vermeintlich richtige Mutter auf, von der er schon in der zweiten Hälfte einige male sprach ("Es war meine RICHTIGE Mutter..."), aber wir wollten ihm einfach keinen Glauben schenken. Anthony Perkins gibt außerdem wiederholt eine brillierte Leistung als Norman Bates ab und schafft es wirklich, uns die Figur wieder näher zu bringen, ja sogar sympathisch zu machen, obwohl wir ja wissen, welch Geheimnis ihn umringt.
Psycho II setzt außerdem auf weit mehr Horrormomente, so z.B die Szene, in der Blut aus der Toilette und der Badewanne strömt. Dabei werden die leisen Töne nicht missachtet, der Film schlägt zeitweise gar traurige Momente an. Wenn Norman glaubt, wieder verrückt zu werden und auf der schmalen Linie davor steht, wieder Norman UND Mutter zu werden, verhält er sich schon wirklich kindlich vor Angst, was ihm eine vollkommen neue Seite schenkt. Er wehrt sich den ganzen Film über dagegen, und am Ende schlägt er doch seine "neue" Mutter mit der Schaufel über den Haufen und fängt wieder an, schizophren zu werden.
Franklin gelingt es ganz nebenbei, Hitchcock eine Hommage zu bieten, indem er die selben meist abenteuerlichen Kamerafahrten benutzt. So wirkt die Kamera zu keinem Zeitpunkt deplaziert. Auch schafft er es, trotz einiger vermeintlicher Grusel-Momente den Film dennoch ernst wirken zu lassen, was nicht vielen gelingt. Vor allem die Witznummer Bates Motel vn 1987 weis mit den Gruselmomenten gar nicht umzugehen und verirrt sich am Ende in einen Kinderfilm mit abschließender Moral. Psycho II jedoch hat nichteinmal ein Happy End, was ihn sehr düster erscheinen lässt, sogar noch düsterer als seinen Vorgänger, denn hier sterben am Ende wirklich unschuldige Menschen auf unschöne Art.
Letzendlich kann man sagen, dass sich Psycho II nie vor seinem Vogänger zu verstecken braucht. Er kann zwar nicht ganz an ihn anknüpfen, aber zumindestens ist er keiner dieser Sequels, auf dass man verächtlich und mit schüttelnem Kopf guckt. Psycho II bleibt zwar auch nicht ohne ein paar nette Fehler (Normans Hand, in die Mary immer wieder sticht, ist nun wirklich keine echte Hand sondern eher eine selbstgemachte aus Knete), aber größenteils beeindruckt das alles auf fast ganzer Linie und so ist Psycho II der qualitativ beste Nachfolger von Hitchcocks Werk.
Fazit
Sehr gute Fortsetzung ohne nennenswerte Logikbrüche, mit einem famosen Anthony Perkins und einer dichten Atmosphäre. Wer Psycho II im Vorfeld ignoriert, der macht einen großen Fehler.
9/10