Review

Beinahe ein Vierteljahrhundert dauerte es, bis Alfred Hitchcocks legendärer Schocker aus dem Jahre 1960 doch noch eine Fortsetzung fand. Galt dieser brillant inszenierte Meilenstein des Horror- und Psycho-Thrillers als nicht fortsetzbar? Oder war die Erinnerung an den damaligen Skandalstreifen lange Zeit zu negativ, bis die Welle an billigen und geschmacklosen Slasherfilmen den Produzierenden klarmachte, dass Geschmack und Möglichkeiten sich geändert hatten? So oder so, im Jahr 1983 kam „Psycho 2“ heraus und erwies sich – leicht vorurteilsbeladen könnte man sagen überraschend – als veritable Weitererzählung von Norman Bates' tragischer Geschichte.

Drehbuchautor Tom Holland griff den langen Zeitraum zwischen den beiden Filmen auf und bettete ihn in die Handlung ein: Nach 22 Jahren wird Norman Bates als geheilt aus der Psychiatrie entlassen. Er kehrt zurück in sein altes Elternhaus – und wird hier schnell von den Geistern seiner Vergangenheit eingeholt: Die Verwandten seiner früheren Opfer stellen ihm hasserfüllt nach, im Haus geschehen seltsame Dinge und immer wieder erhält er Zettel und Anrufe – von seiner toten Mutter!

„Psycho 2“ zeigt sich als gekonnt inszenierter Vertreter des Mystery- und Psycho-Thrillers, erzählt die Geschichte um Norman Bates stringent weiter und findet dank zahlreicher Rückgriffe auf den ersten Teil (inklusive Perspektiven, Bildausschnitten und Kamerafahrten, die das Original zitieren) zu einem runden Ganzen. So wird Bates' traumatischer Vergangenheit mit seiner toxischen Mutter nicht nur einiges an neuen Details hinzugefügt, was einen psychologisch wesentlich dichteren Hintergrund seiner Figur erlaubt. Auch werden überzeugende Verbindungen zu den aktuellen Geschehnissen aufgebaut: Vera Miles ist wieder als die Schwester der ermordeten Marion Crane zu sehen, die den Freigelassenen mit bösem Psycho-Terror zurück in den Wahnsinn zu treiben versucht. Ihre Tochter wiederum, gespielt von der jungen Meg Tilly, tritt bald von dem gemeinsamen Vorhaben zurück und versucht Bates zu helfen. So erzählt der Film eine bitterböse Gaslighting-Geschichte, die mit unbehaglichen Settings – das leerstehende, riesige, verwinkelte Haus wird bedrückender und unheimlicher denn je dargestellt – elegant und unaufgeregt daherkommenden Schockmomenten, die desto intensiver wirken, und einer stark aufgebauten Story, die das Prinzip der langsamen Eskalationsspirale perfekt beherrscht, eine beklemmende Atmosphäre des Unheimlichen und leicht Surrealen entstehen lässt.

Einsamer Höhepunkt dieser Geschichte ist dabei erneut Norman Bates, brillant verkörpert von Anthony Perkins. Wie er anfangs den geheilten Mörder linkisch, nervös und zittrig durch die Gegend tappen lässt; wie er nach und nach Vertrauen zu den wenigen Menschen seiner Umgebung fasst, die nett zu ihm sind; wie er sich lange gegen die Irrationalität der Anrufe seiner toten Mutter, ihrer Stimme, die im leeren Haus seinen Namen flüstert, der Zettel mit bösen Nachrichten, die sie ihm hinterlässt, zur Wehr setzt; wie er schließlich aber doch Stück für Stück in alte psychopathische Denkmuster zurückfällt – das ist eine schauspielerische Glanzleistung, die einem auch heute noch den Atem verschlagen kann. Mit intensivem Mimik- und Gestikspiel, seine hochgewachsene, schlaksige Gestalt wunderbar ausspielend, gelingt es Perkins, seinen ehemaligen Mörder vom diabolischen Killer zum tief tragischen Opfer der Umstände und gewissenloser Menschen zu machen. Selten hat es im großen Hollywoodkino eine so ambivalente Figur wie den Norman Bates dieses Films gegeben. Man kann mit ihm ebenso mitleiden, wie man sich vor ihm fürchten kann.

Neben dem düsteren Setting und Perkins' grandioser Leistung überzeugt auch die formale Inszenierung. Ein fesselnder, die meiste Zeit subtiler, aber die Atmosphäre stark unterstützender Score, elegante Kamerafahrten, die in Momenten höchster Emotionalität immer wieder in originelle Fahrten und Perspektiven, Detailaufnahmen und Drehbewegungen ausbrechen, und eine gelungene Licht- und Schattendramaturgie lassen die unheilvolle Atmosphäre des mörderischen Hauses schnell wiederauferstehen. Das steigert sich nach und nach in ein fesselndes Hochspannungsfinale – und mündet danach in eine tief bestürzende, so bitterböse wie tragische Schlusssequenz, die den Zuschauenden noch lange nach dem Ende im Kopf herumspuken kann.

„Psycho 2“ erweist sich dank dieser intensiven Inszenierung, der grandiosen Schauspielleistung des Hauptdarstellers und einer psychologisch fundierten, bösen Mystery-Story als überaus ehrenwerte Fortsetzung eines so legendären Films – eine echte Seltenheit. Dass die Einleitung schlicht darin besteht, den berühmt-berüchtigten Duschmord erneut zu zeigen, kann man als kleine Unoriginalität schnell verschmerzen. Der Rest des Films vermag beinahe durchgehend zu überzeugen. Für Genre-Fans jedenfalls eine empfehlenswerte Hochspannungs-Perle!

Details
Ähnliche Filme