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Ein Jugendlicher kommt in ein Internat für Taubstumme. Das Gebäude wirkt in seiner Tristesse und Nüchternheit fast wie ein Gefängnis. Auf drastische Weise wird ihm klargemacht, dass hier Gewalt, Diebstahl, Prostitution, Erniedrigungen etc. an der Tagesordnung sind. Aufsichtspersonal scheint es nicht zu geben. Schnell passt er sich an und lernt, sich durchzusetzen. Er verliebt sich in eine der als Dirnen mißbrauchten Mitschülerinnen, schwängert sie, stiehlt das Geld für die Abtreibung und rächt sich am Ende mit brutaler Gewalt an seinen Peinigern.

Der Plot dieses Films ist nicht originell. Auch das völlige Fehlen von Aufsichtspersonal ist unglaubwürdig. Womöglich wollte Regisseur Slaboshpitsky zeigen, dass ohne Kontrolle zwangsläufig solch ein Mikrokosmos entsteht. Letztlich läuft es aber wohl auf die Aussage hinaus, dass die Welt schlecht ist. Doch das ist banal.

Was also macht diesen Film außergewöhnlich? Er ist in Gebärdensprache gedreht, ohne Untertitel oder Erklärungern. Zwar gelingt es, dem Handlungsgerüst zu folgen, doch viele Details bleiben im Verborgenen, weil die Kontexte keine klaren Hinweise liefern. Leider ist der Film extrem "dialoglastig". Mir ist klar, dass Voice-Over oder Untertitel die authentische Wirkung abschwächen würden. Etwas weniger "Text" wäre aber förderlich gewesen. Anders als z.B. ein KIM KI-DUK in dem völlig dialogfreien MOEBIUS verfügt Slaboshpitsky nicht über die Mittel, eine Geschichte nur mit Bildern zu erzählen.  Zudem sind viele Szenen sehr zerdehnt, z.B. das Warten vor der italienischen Botschaft oder das viel zu oft gezeigte Anpreisen der Frauen auf einem LKW-Parkplatz. Insofern ist THE TRIBE also zu lang und dialogstark ausgefallen.

 Zum positiven: Phasenweise ist der Film unfassbar intensiv, hier sticht eine kaum mehr anzusehende Abtreibungsszene heraus oder auch der abschließende Gewaltausbruch. Auch die Sexszenen sehen wirklich nach Sex aus, ohne pornographisch zu sein. Manches wirkt auf der anderen Seite etwas lächerlich, z.B. Kampfszenen zwischen den Jungs, das erinnert eher an Spielereien..

Insgesamt ist THE TRIBE ein sehenswerter, sehr kalt inszenierter Film mit Stärken und Schwächen. Insofern gibt meine Note nur ein nivelliertes Gesamtbild wieder.

6/10

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