The Tribe (2014)

Ein Heim für Taubstumme in der Ukraine. Ein neuer Junge zieht ein. Der schüchterne Jugendliche findet schnell Anschluss zu den Rowdys der Schule, welche in kriminelle Machenschaften verwickelt sind und einen Prostitutionsring betreiben. Langsam steigt er in der Rangordnung auf. Doch dann verliebt er sich in ein junges Mädchen, das sich auf Rastplätzen den Freiern anbietet…

THE TRIBE ist das Erstlingswerk des ukrainischen Regisseurs Slaboshpitsky. Der Film kommt vollständig ohne gesprochene Dialoge aus. Die Protagonisten verständigen sich ausschließlich mittels Gebärdensprache. Untertitel dazu gibt es keine. Dies nicht aufgrund von Serverproblemen, sondern um den Zuschauer zum Mitdenken zu zwingen und dazu, sich die Handlung nach und nach selbst zu erschließen. Und in der Tat: Als Zuschauer ist man permanent gefordert. Jede Szene muss neu interpretiert werden. Dies bedarf einer Menge Fingerspitzengefühl und schärft die Feinfühligkeit. Ist der Inhalt der Interaktion auch nicht immer klar, schwingen dennoch Gefühle und Stimmung überdeutlich mit. So fühlt es sich wohl an, wenn man in einem Land fremd ist und die Sprache nicht versteht. Eine tolle Erfahrung.
Auch inszenatorisch beeindruckt THE TRIBE. Der Film lässt sich sehr viel Zeit und ist angenehm unreißerisch aufgebaut. Lange Szenen, lange Kameraeinstellungen, keine schnellen Schnitte. Dies erinnert an die Werke des Franzosen Bruno Dumont, z.B. FLANDERN, auch wegen der kargen, schäbigen Kulissen, hier in betörender Ostblock-Romantik. Im harschen Kontrast zur sonstigen Gemächlichkeit stehen wenige, dafür drastische Gewaltszenen bzw. -ausbrüche. An deren Spitze: eine unangenehm detaillierte Abtreibungsszene mit dem Kleiderbügel. Ganz, ganz furchtbar. Aber im Rahmen von Ostblock-Prostitution höchstwahrscheinlich Realität. Hier kommen Parallelen zu Gaspar Noé auf, auch wegen den intensiven Sexszenen.

Derbe Jugendgang-Härte, auch ohne Ghettoslang. Trotz der Dialoglosigkeit spannend, fesselnd und ausdrucksstark.
Fazit:
Enjoy The Silence. Ein intensives Erlebnis.