Aufreizend reckt die junge Frau, auf dem Bett liegend, ihrem unerfahrenen Liebhaber den Allerwertesten entgegen. Der mit dieser Aufforderung gänzlich überforderte Mann nähert sich ihr zaghaft, küsst sie ungeschlacht. Dann gleitet seine Hand verschüchtert über ihren Körper, wobei er die von ihr angepriesenen Rundungen völlig vernachlässigt.
Erneut versucht sie, ihn auf die richtige Spur zu bringen, indem sie seine Hände über ihren Körper führt und auf ihrem Gesäß verharren lässt. Sie ersehnt sich einen leichten, gleichwohl schmerzhaften Schlag. Und wieder wird ihr Wink nicht verstanden. Mit dem Mute der Verzweiflung greift sie alsbald sie zum letzten Mittel. Sie zieht seine Hände grob heran und presst sie auf sich. Ihrem Wunsch nach Schmerz und erotisch-verspielter Züchtigung kann er dennoch nicht nachkommen. Verschreckt lässt er von ihr ab.
Es ist ein besonderes Trauerspiel der Adoleszenz, das Regisseur Steven Shainberg in dieser Szene mit feinfühligem Humor vorführt. Eindrucksvoll prallen die verschiedenen Erwartungen der beiden aufeinander. Die erotische Spannung löst sich in das oben beschriebene verkrampfte Gerangel um sexuelle Vorlieben auf, wobei die junge Frau enttäuscht den Rückzug antritt. Ihr eigentliches Verlangen, das sie ihrem Partner gegenüber zunächst zögerlich, dann immer bestimmter zu erkennen gibt, bleibt unverstanden.
Elegant nutzt Shainberg die ohnehin schon frustrationsgefährdete Atmosphäre des Ersten Males, um dem Zuschauer das Dilemma seiner Hauptfigur einprägsam näher zu bringen. Folglich siegt dann auch die Konvention, als die junge Lee Holloway schließlich dem aus ihrer Sicht reizlosen Sex mit ihrem Freund zustimmt. Eine psychische Demütigung, aus der die devot veranlagte Lee keinerlei Befriedigung ziehen kann.
Besagte Lee Holloway (Maggie Gyllenhaal) ist eine in der Welt verlorene junge Frau. Gerade aus der Psychiatrie entlassen, wo man ihre zwanghafte Neigung zur Selbstverstümmelung zu kurieren suchte, fällt sie in den Schoß der Familie zurück. Doch hier im scheinbar behüteten Mittelstandsidyll findet die zerbrechliche Lee keinen Halt und fällt schnell in alte Verhaltensmuster zurück. So orientierungslos wie Lee ist, lässt sie sich zur Schreibkraft ausbilden und nimmt kurz darauf eine Stelle als Sekretärin des verschrobenen Anwalts E. Edward Grey (James Spader) an. Ohne es zu wissen, ist dies für Lee, aber nicht nur für sie allein, ein entscheidender Schritt. Denn der wortkarge Anwalt Grey entpuppt sich als liebevoll-dominanter Sadist. Die anfangs rein berufliche Beziehung der beiden entwickelt sich im weiteren Verlauf zu einer sadomasochistischen Romanze. Erschwert wird dies alles durch Lees Beziehung zu Peter (Jeremy Davies), einem naiv-gutherzigen Durchschnittsjungen, und der Scham Greys vor den eigenen Wünschen.
Es entwickelt sich eine amüsant-spannende Liebesgeschichte, die von der Verwundbarkeit ihrer beiden Figuren lebt. Sowohl Lee als auch Anwalt Grey fristen ihr Dasein mehr schlecht als recht. Gemeinsam haben sie, dass ihre heimlichen, aber doch stets nur verdrängten Wünsche und Neigungen im Alltag zu Schwierigkeiten führen. Erst langsam müssen beide lernen, dass die Furcht, die sie vor gesellschaftlicher und emotionaler Zurückweisung haben, nicht ihre Beziehung belasten muss.
Dramaturgisch ausgefeilt ist das zum Beispiel dann, wenn Grey die nicht mehr nur rein berufliche Beziehung zu Lee durch einen erschreckend erniedrigenden Akt beendet. Grey kann aufgrund seiner bisherigen Erfahrung nicht wahrhaben, dass Lee gerade durch seine Herablassung zu Sinn und Selbstbewusstsein findet. Ein schmaler Grat zwischen lustvollem Schmerzempfinden und Verwundbarkeit. Grandios spielt der Film in diesen Situationen mit den Facetten körperlicher und seelischer Zurückweisung – im Extremfall auch der Züchtigung. Deren Folgen werden an den Reaktionen Lees veranschaulicht, die verbittert in ihre aussichtslose, weil liebevolle Beziehung zu Peter zurückgeworfen wird.
Die größte Stärke des Films liegt jedoch in der geduldigen Erzählweise, mit der die Charaktere entwickelt werden. Der Gefahr, dass die Figuren durch das für eine Komödie ungewöhnliche Thema sadomasochistischer Zuneigung allzu schnell zur Projektionsfläche derber Schenkelklopfer werden, geht Shainberg geschickt aus dem Weg. Oftmals besteht der intelligente Witz darin, dass die Selbstverständlichkeit von Lees Unterwürfigkeit auf die triste tägliche Routine einer Anwaltskanzlei trifft.
Dabei entlarvt Shainbergs Situationskomik mehr den Zuschauer, als seine Figuren.
Die Darsteller sind ideal besetzt. Allen voran Maggie Gyllenhaal, die Lee von der mädchenhaften Leidenden zur selbstbewusst-devoten Frau trägt. Aber auch die oftmals viel zu abgestumpfte Mimik Spaders hat hier den Vorteil, dass er die undurchschaubare Zurückhaltung Greys betont.
Es wäre also leichtfertig, Shainbergs Film bloß als erotische Romantikkomödie abzutun, deren besonderer Dreh allein darin besteht, dass die beiden Liebenden durch besondere sexuelle Neigungen verbunden sind. Steven Shainberg hat sich zwar deutlich vorgenommen, die Geschichte am Schnittmuster des Genres abzudrehen, jedoch ist dies mehr als erzählerischer Hinterhalt zu verstehen. Die Erwartung an eine romantische Komödie wird geschickt genutzt, um grundsätzlich zwar alle genretypischen Anforderungen zu erfüllen, nur um die Regeln dann wieder zu brechen. Es kann nur als gewaltiger Seitenhieb auf die Mechanismen des rührseligen Popcornkinos verstanden werden, wenn Lee erst im grell weichgezeichneten Brautkleid entschwebt, nur um es dann mit Urin zu besudeln, um dem geistesverwandten Geliebten ihre Liebe zu beweisen. Ebenso führt es aber auch zu weit, den Film als striktes Plädoyer für die Erfüllung der sexuellen Identität zu interpretieren. Eine abstrakte Abhandlung über Norm und Devianz sollten andere machen.
Shainberg begnügt sich mit einer schwarzen Kömodie, die einigen Tiefgang, Romantik und niveauvollen Humor verbindet. Und das bei dieser Story. Das ist so unterhaltend wie sehenswert. (8/10)