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ACHTUNG ! SPOILER !

Nachdem Paul Naschy seit den frühen 60er Jahren einige Auftritte als Statist in spanischen oder internationalen, in Spanien gedrehten Filmproduktionen absolviert hatte,war AGONIZANDO EN EL CRIMEN (zu Deutsch etwa „Höllenqualen der Kriminalität") der erste Film, in dem er, als Inspektor bei der Sûreté, eine halbwegs substantielle Rolle spielte. Auch in Naschy's Autobiographie „Memoirs of a Wolfman" steht der Film an erster Stelle in seiner Filmographie. Sollte man seinen Namen in den Credits jedoch vermissen, so liegt das daran, dass er hier unter dem Namen „David Molba" (an elfter Stelle) geführt wird. Unter seinem richtigen Namen Jacinto Molina wird er hier auch noch als „Script Supervisor" gelistet.

Dieser Kriminalfilm mit dezenten Anklängen an italienische Giallo-Filme, erzählt die Geschichte des des in Paris lebenden Medizinstudenten Jean (Juan Logar), dessen Verlobte Jaqueline (Annie Sinigalia) eine Operation zu Beginn des Films nicht überlebt. Der behandelnde Arzt hatte Jean kurz vor der OP noch im Brustton der Überzeugung gesagt: „Confiar en mis manos." (Vertrauen Sie meinen Händen). Von nun an entwickelt Jean einen pathologischen Hass auf alle Ärzte, speziell auf Chirurgen. Während er Anfangs nach Außen noch den Schein der Normalität wahren kann, plagen ihn immer häufiger seinen Erinnerungen an die unbeschwerte Zeit mit Jaqueline. In diesen Momenten erwacht jedes mal eine unbändige Mordlust in ihm. Er holt daraufhin einen Aktenkoffer aus einem Versteck in seinem Haus, in dem sich ein großes Skalpell befindet, mit dem er nach und nach einige Medizinstudenten aus seinem Bekanntenkreis ermordet. Nachdem er seine Opfer brutal von hinten angefallen und ihnen den Hals mit dem Skalpell aufgeschlitzt hat, trennt er den getöteten auch noch die Hände ab. Er legt diese in seinen Koffer und vergräbt die Hände später unter einem Rosenstrauch, den er zusammen mit Jaqueline gepflanzt hatte. Schließlich aber schöpfen zunächst sein Mutter (Irene G. Caba) und später auch sein Freund Henry (Jose Rubio) verdacht. Jean konfrontiert schließlich seine Mutter mit der Wahrheit, worauf diese einen Schock erleidet und in eine Art Katalepsie verfällt und ihre Stimme verliert. Henry stellt inzwischen Nachforschungen an, und als er der Wahrheit immer näher kommt, informiert er die Polizei. Jean schnappt schließlich völlig über. Er verbarrikadiert sich mit seiner Mutter in seinem Haus und droht damit, sie zu töten. Einem Polizeiinspektor (David Molba / Paul Naschy) gelingt es jedoch, Jean aus dem Haus zu locken. Jean kann den Polizisten aber in einem Zweikampf überwältigen und mit einem Stein erschlagen. Schließlich stirbt Jean im Kugelhagel der Polizei. Am Ende flanieren Henry und seine Freundin Susan (Yelena Samarina) glücklich am Ufer der Seine entlang, so wie es Jean und Jaqueline am Anfang des Films auch gemacht haben, wobei auch Susan, ebenso wie Jaqueline, einen hellen Trenchcoat trägt und dieser zum verwechseln ähnlich sieht...

Der recht unkonventionell strukturierten Vorspann des Films beginnt ganz unbescheiden mit folgender Einblendung: Guionista...Compositor...Protagonista de Esta Historia...Juan.
Dann folgt der Name des Regisseurs Enrique Eguiluz und die Nennung der Produktionsgesellschaft "Logar". Die restlichen Credits folgen dann traditionellen Mustern.

Tatsächlich ist der am 11.03.1968 in Spanien uraufgeführte AGONIZANDO EN EL CRIMEN im wesentlichen das Werk des Produzenten Juan Logar, der im spanischen Film gleichwohl eher eine Außenseiterposition einnimmt. Paul Naschy hatte zudem wenig freundliches über Logar zu sagen: „One of the most disagreeable persons I have ever met in the world of filmmaking, because of his egoism and lack of fellowship [...] he was a vile man." (P. Naschy Interview in: Videooze 6/7 1994)
Dennoch hat der Film eine gewisse Bedeutung für den spanischen (Horror)Film, denn hier traf Naschy erstmals auf den Regisseur Enrique Eguiluz, mit dem er am Set über sein geplantes Projekt eines Films über einen Werwolf sprach, den Eguiluz kurze Zeit später als „La Marca del Hombre Lobo" realisierte. Der Rest ist Geschichte...

AGONIZANDO EN EL CRIMEN ist ein eher durchschnittlicher Kriminalfilm in dem Juan Logar in der Hauptrolle eines pathologischen Killers zu sehen ist. Am Anfang steht eine längere Parallelmontage aus Rückblenden, in der wir Zeugen werden vom Liebesglück zwischen Jean und seiner verlobten Jaqueline. Diese etwas dick aufgetragenen Szenen des turtelnden Paares, die sich wie zwei Teenager aufführen, untermalt von viel Tralala-Musik und einer Versonnen in die Weite blickenden Annie Sinigalia, werden immer wieder unterbrochen durch kurze Szenen von der Operation an Jaqueline.

Wie bereits angedeutet, hat der Film ein paar Anklänge an italienische Giallo-Filme, so das Skalpell, mit dem Jean die Morde begeht und die schwarzen Handschuhe, die er bei seinen Taten trägt. Die Musik (ebenfalls von Juan Logar komponiert) ist recht stereotyp und verweist überdeutlich auf Jeans Seelenzustand, bevor er den nächsten Mord begeht. Die Morde selbst sind ziemlich ungelenk und unblutig in Szene gesetzt, wobei Logar seine Opfer aus dem Hinterhalt anfällt und irgendwie mit dem Skalpell an deren Hals herumwerkelt. Das abtrennen der Hände wird immer nur angedeutet und ein oder zweimal werden die abgetrennten Hände im Bild gezeigt, die Jean in seinem Koffer herumträgt. Juan Logar legt seine Rolle des Jean recht zurückhaltend, geradezu schüchtern und ohne große Gefühlsregungen an, während er bei den Szenen des „Glücks" mit Jaqueline etwas zum Overacting neigt. Recht gelungen dagegen ist die Darstellung der fortschreitenden Entfremdung und Isolation von seiner Umwelt. Während seine Freunde feiern oder ihn in seinem Haus besuchen und sich ausgelassen Unterhalten, steht er meist abseits und blickt mit zunehmendem Widerwillen auf dieses Verhalten. Neben Logar, der hier gewiss keine Meisterleistung abliefert, können sich die anderen Darsteller ganz gut behaupten, haben aber wenig Gelegenheit, ihren Charakteren echtes Leben einzuhauchen. Allein Yelena Samarina als enge Freundin von Jean kann etwas mehr Profil entwickeln, während z.B. Irene G. Caba in ihrer Rolle als Jeans Mutter zu Übertreibung neigt, vor allem bei der Darstellung ihrer Schockstarre . Paul Naschy ist in der Rolle eines „coolen" Polizeiinspektors zu sehen, der aber weitgehend im Hintergrund bleibt (im wahrsten Sinne des Wortes). Er ist in einer etwas größere Szene zu sehen (ca. 1 Minute), in der er mit seinem Vorgesetzten über den Fall spricht. Am Ende des Films sieht man ihn noch in einem Zweikampf mit Logar, bei dem er unterliegt und mit einem Stein erschlagen wird. Diese Szene hätte jedoch auch irgend ein anderer Darsteller spielen können, da die ganze Sequenz bei Nacht gedreht wurde und so gut wie keine Details zu erkennen sind.

Bezüglich der Dreharbeiten erinnerte sich Naschy vor allem an sehr lange Drehtage („We filmed day after day, 24 hours non-stop."), an die Kälte bei den Außenaufnahmen („We froze our butts off.") und an ständige Querelen zwischen Regisseur und Produzent.

JUAN LOGAR (Juan Lopez Garcia), geboren 1934, begann seine Karriere als Theaterschauspieler, arbeitete in den 50er Jahren für das Radio und profilierte sich als Synchronsprecher (u.a. für Jerry Lewis und Benny Hill). Laut IMDb hat er zwischen 1959 und 1977 bei 39 Filmen als Synchronsprecher mitgewirkt. Anfang der 60er Jahre gründete er die Produktionsfirma „Logar P.C.". Nach einigen Kurzfilmen führte er zwischen 1965 und 2013 Regie bei Filmen wie „Trasplante de un Cerebro (1970), „Fieras sin Jaula" (1973) und dem unglaublichen „Autopsia / Autopsy" (1973). Im Jahre 2013 kehrte er mit der Komödie „Aun hay Tiempo" auf die große Leinwand zurück, ein Film bei dem er die Hauptrolle spielte, Regie führte, das Drehbuch und die Musik schrieb und die Produktion übernahm!

ENRIQUE LOPEZ EGUILUZ, der Regisseur des Films, drehte zwischen 1965 und 1977 laut IMDb rund 14 Filme, darunter mehrere Kurzfilme / Dokumentationen. Sein bekanntester Film ist zweifellos „La Marca del Hombre Lobo" (1968). Bei der spanisch-mexikanischen, in Kolumbien gedrehten Co-Produktion „Santo frente a la muerte" (1969) soll er auch als Regisseur beteiligt gewesen sein, doch ist die Quellenlage hier sehr undurchsichtig. Fernando Orozco wir als Regisseur der mexikanischen Fassung geführt.

ANNIE SINIGALIA, die Darstellerin der „Jaqueline", hat laut IMDb zwischen 1960 und 2005 in rund 38 Filmen mitgewirkt und ist außerhalb Spaniens so gut wie unbekannt. Sie war fast ausschließlich in TV-Filmen und Serien zu sehen.

ANTONIO ESCRIBANO (1902-1972), der hier in einer kleinen Rolle als Diener zu sehen ist, wirkte der IMDb zufolge zwischen 1957 und 1972 in rund 90 Filmen mit. Zu Beginn seiner Karriere agierte er in diversen Filmen von Jess Franco, darunter „La Muerte silba un blues" (1964), „Karten auf den Tisch" (1966) und „Das Geheimnis des Dr.Z" (1966). Später war er in zahlreichen spanischen Western, Abenteuer- und Horrorfilmen zu sehen. Seinen letzten Auftritt hatte er 1972 in „Horrortrip".

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