24. August 1992, Rostock-Lichtenhagen. Nach den Ausschreitungen der vergangenen Nacht lungern die arbeitslosen Jugendlichen Stefan (Jonas Nay) und Robbie (Joel Basman) in einem Kleinbus herum, während sich Stefans Vater Martin (Devid Striesow), ein Kommunalpolitiker, aus politischen Gründen gegen die Evakuierung des vom Mob attackierten Asylbewerberheims ausspricht…
Der 22. bis 26. August 1992 sind die schwärzesten Tage des wiedervereinigten Deutschlands bis heute. Zu Beginn der 1990er hatten Politiker in populistischen Reden die sogenannte Asyldebatte angeheizt, die den Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen den Boden bereitet haben. Viele gehen davon aus, dass der Angriff auf über 100 Menschen im teilevakuierten Asylbewerberheim bewusst zugelassen wurde, schließlich war die Polizei am 24. August um 21.30 Uhr abgezogen und hat Haus und Bewohner dem randalierenden Pöbel überlassen.
In seinem starken, teilweise erschütternden Drama dokumentiert der deutsche Regisseur Burhan Qurbani („Shahada“ 2010) die Ereignisse und verarbeitet sie auf künstlerische Weise. In langen, manchmal atemberaubenden Kamerafahrten fängt er immer wieder die Situation aus vielen Blickwinkeln in schwarz/weißen Bildern ein. Erst als der Aufruhr eskaliert wechselt er ins Farbformat. Drehbuch und Regie gelingt es die perspektivlose, frustrierende Situation der arbeitslosen Jugendlichen nach dem Zusammenbruch des Sozialismus darzustellen, ohne dies als Rechtfertigung für ihr abscheuliches Handeln gelten zu lassen. Auch die Macht- und Hilflosigkeit der hoffnungslos überforderten Kommunalpolitiker wird aufgezeigt: „Wenn Du jetzt den Kopf aus dem Fenster streckst, wird er Dir abgerissen!“ hat Martin von seinem Vater gelernt und muss später mit ansehen, wie sein Sohn vom Balkon einer brennenden Wohnung die Massen anheizt.
Burhan Qurbani kann sich auf sein überzeugendes Ensemble verlassen, vor allem die jungen Erwachsenen wirken in ihren Rollen hoch authentisch, aber auch Devid Striesow („Fraktus“ 2012, „Zeit der Kannibalen“ 2014 ) ist ganz stark als alleinerziehender Vater, der in mehrfacher Hinsicht scheitert. Vielleicht ist der in Halle gedrehte Film in seiner überzeugenden Optik mit 123 min. etwas zu lang geraten, ein paar Szenen stellen zwar die Verhältnisse dar, tragen aber wenig zur Handlung bei. Doch seine Botschaft von Toleranz und respektvollem Umgang miteinander kommt bestens rüber. Und die erinnerungswürdige Schlussszene mahnt noch einmal: Wehret den Anfängen. Fuck Racism. (9/10)