Blutsaugerstory im Western-Look
Die Handlung von "Vampire" ist gut. Eigentlich. Denn trotz der wirklich originellen Storyline mit Haupt- und Nebenschauplatz, einem kleinen mystischen Rätsel, dem verräterischen Oberbösewicht und einem gekonnten 'Finale Furioso', trotz all dieser lobenswerten Komponenten ist der Plot hauptsächlich eines: oberflächlich. Die Gründe hierfür dürften zum einen die langatmigen und wenig ausgefeilten Dialoge in der Filmmitte, sowie die mangelhafte Durchzeichnung der Charaktere sein. Lediglich die Hauptfigur handelt mit einer Motivation, die für den Zuschauer nachvollziehbar (und damit glaubwürdig) erscheint. Alle anderen Rollen wirken antriebslos. Und das, obwohl die meisten von ihnen für den Verlauf der Story von immenser Bedeutung sind. Hier wurde eine tolle Geschichte aufgrund unzureichender Feinarbeit 'verschenkt'. Schade.
Und das ist sie, die 'verschenkte' Story:
Jack Crow (James Woods) ist Anführer einer toughen Gang von Vampirkillern. Bewaffnet mit schwerem Gerät dringen Crow und sein Team am hellichten Tag in Vampirunterkünfte ein. Dort gehen sie gleichermaßen unkonventionell wie unerbittlich zur Sache; wird ein Blutsauger entdeckt, so wird er erst harpuniert, dann gepfählt und schließlich mit einer Seilwinde ans Sonnenlicht gezerrt. Finanziert werden Crow und sein Team, man höre und staune, von der katholischen Kirche. Die Kirchenfürsten, allen voran Kardinal Alba (Maximilian Schell), wissen nämlich längst um die Existenz von Vampiren. Logisch, daß sie die Kreaturen der Nacht zum Abschuß freigegeben haben.
Nach einem erfolgreichen Einsatz feiern die Vampirjäger eine ausgelassene Party in einem abgelegenen Motel irgendwo im Niemandsland. Doch dann geschieht das Unvermeidliche, der Meister des zuvor ausgeräucherten Vampirnests steht plötzlich vor der Tür und richtet ein Blutbad an. Lediglich Crow, sein Stellvertreter Montoya (Daniel Baldwin) sowie die Prostituierte Katrina (Sheryl Lee) entkommen mit knapper Mühe und Not. Zu allem Überfluß wird Katrina gebissen, so daß ihre Verwandlung zum Vampir nur noch eine Frage der Zeit ist.
Während das Trio sich in Sicherheit bringt, dämmert es Crow, mit wem er es zu tun hat. Der Name seines Gegenspielers ist Valek (Thomas Ian Griffith), seines Zeichens der mächtigste Vampirmeister, mit dem Crow jemals aneinandergeraten ist. Von einem Pater (Tim Guinee) erfährt Crow, daß Valek auf der Suche nach einem geheimnisvollen Kreuz ist. Findet der Vampir das Kreuz, so kann er mit dessen Hilfe ein Ritual zelebrieren, daß ihn unvorstellbar mächtig macht. Natürlich setzt Crow alles daran, Valek aufzuhalten. Doch dabei sind ihm nicht nur der Vampirfürst und seine Schergen im Wege, auch ein Verräter in den eigenen Reihen macht ihm das Leben schwer...
Neben der Oberflächlichkeit, mit der diese an und für sich gelungene Story leider heruntergespult wird, konnte Regisseur Carpenter mit "Vampire" auch eine ganze Reihe positiver Akzente setzen. Allem voran ist es sicherlich die Atmosphäre, die den Film trägt. Was das betrifft, so braucht "Vampire" sich nicht einmal hinter Geniestreichen wie "From Dusk Till Dawn" oder "Blade" zu verstecken. Denn die gelungene Mischung aus Western und 'Mexico-Baller-Klamotte' á la "Desperado" präsentiert sich ungemein stimmungsvoll. In einigen Szenen bemüht Carpenter ein Stilmittel, daß bei vielen Italo-Western der siebziger und achtziger Jahre Verwendung fand, den Dunkelfilter. Gedreht wird tagsüber, allerdings durch eine getönte Linse hindurch. Doch was bei den Frühwestern unbeholfen und billig wirkte, daß sorgt bei "Vampire" tatsächlich für einen Hauch Gruselstimmung. Warum nicht?
Der Soundtrack wurde, wie üblich, vom Meister höchstpersönlich komponiert. Das Ergebnis: eine geniale 'Ruhe-vor-dem-Strum-Musik', die manchmal sogar ein bißchen an Tito und Tarantula erinnert. Unheilsschwanger und gewaltig vermittelt sie den Eindruck, als müsse jeden Moment etwas spektakuläres passieren. Wer seine Anlage mit einem Subwoofer betreibt, der darf sich freuen. Genauso wie die Gläser im Schrank...
Das Beste zum Schluß. Hauptdarsteller James Woods spielt einen genialen Part! Narbengesichtig, cool in jeder Lebenslage und unglaublich hart. Ihm ist es zu verdanken daß der Film - trotz seiner Schwächen - niemals in der Bedeutungslosigkeit versinkt. Normalerweise sind es eher Charakterdarsteller, die durch ihr großartiges Schauspiel einen mittelmäßigen Film retten können. Doch Woods schafft dieses Kunststück sogar in einer anspruchslosen, unkritischen Unterhaltungsrolle. Bestleistung!
Fazit:
Die erste halbe Stunde von "Vampire" ist erstklassige Unterhaltung; geniale Horror-Splatter-Action, selbst für den härtesten Kritiker sehenswert. Für den Rest des Filmes gibt es James Woods. Finger weg von der FSK 16 Version.