Schritte in die Freiheit... ?
"Selma" geht einem nah, selbst als Nicht-Amerikaner & Weisser. Vor allem wegen zwei Dingen: der (leider) Aktualität des Themas, ganze 50 Jahre nach den traurigen & zugleich ermutigenden Ereignissen. Und wegen der strahlend guten Performance von David Oyelowo als Dr. Martin Luther King. Manchmal ist der Film etwas extrem auf die Nase, nicht sehr subtil oder clever & wirklich unterhaltsam auch nicht - doch seine Wichtigkeit, Richtigkeit & Mut, sind unbestritten. Einer der bedeutendsten & sehenswertesten US-Filme der letzten Jahre, mit einem herausragenden (größtenteils) schwarzen Ensemble & der packenden Geschichte der Märsche der schwarzen Bevölkerung in Selma, Alabama - für das Recht zu Wählen, für Freiheit, Gleichheit & Gerechtigkeit. Keine kleine Worte, keine kleinen Taten. Große Männer, großer Mut, großer Fortschritt. Zumindest dachte man das damals. In einer Zeit von White-Washing in Hollywood &, trotz einem farbigen Präsidenten, sehr zweifelhafter Gleichberechtigung & unglaublichem Fremdenhass, nicht nur in den Staaten sondern fast überall auf der Welt, ist so ein Film wie "Selma" mehrfach Gold wert.
Doch ohne David Oyelowo, der MLK mit Inbrunst & wahnsinnigem Schauspieltalent verkörpert, würde selbst das aktuellste & brisanteste Thema nicht über Spielfilmlänge überzeugen. Er zeigt hier eine oscarwürdige Darstellung, mit der er kein Bisschen hinter anderen, weißen Kollegen seines Fachs & seiner Generation zurückstecken muss - intim, stark, wütend, intelligent. Dazu liefert die musikalische Untermalung, wie beispielsweise der Track "Glory" (leider erst im Abspann), Gänsehaut-Garantie. Starke Schauspieler, ein massiv wichtiges Thema & treibende Musik - so wird der (friedliche) Ruf nach Freiheit spürbar & ansteckend. Pflichtprogramm für jeden Amerikaner oder einfach freiheitsliebenden, normal denkenden Menschen. Ich hoffe (& denke), hätte ich damals gelebt, wäre ich wohl auch mitgegangen. Das schreibt einem schon die Menschlichkeit vor.
Etwas schade ist die doch oft plakative "Schwarz-Weiß-Malerei" (blödes Wortspiel hier) & so manche Verdrehung von historischen Fakten. Doch um so einen unendlichen Konflikt & die damalige schmerzhafte Dummheit & Brutalität einer ganzen (weißen) Volksgruppe darzustellen, herauszuarbeiten & zu unterstreichen, muss man wohl ab & zu mit solchen billigen & durchschaubaren Methoden arbeiten. Wie Propaganda & Übertreibung wirkt er zum Glück nie. Oder besser leider nie - denn wie sehr würde ich mir wünschen, dass solche Einstellungen, Bilder & Schmerzen nur Fiktion sind/waren, oder zumindest dunkle Vergangenheit. Doch leider ist das ganz & gar nicht der Fall. Schwarze scheinen im heutigen Amerika weiterhin Bürger zweiter Klasse zu sein & ein unterschwelliger Hass auf der anderen Seite, bricht immer wieder schockierend aus. Ein erschütterndes Thema. Damals wie heute. Trotzdem toll & wichtig, wie weit ein Mann wie King für seine (richtige!) Überzeugung ging. Ein echter Held, der hier keineswegs zu heroisch oder heilig dargestellt wird.
Fazit: heute wertvoller denn je & von einem mitreißenden Oyelowo getragen. Da verzeiht man sogar fast einseitige Auf-die-Nase "Berichterstattung". Einer der wichtigsten Filme für das farbige Amerika.