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Takeshi Kitano kann auch anders, ganz anders. Sonst eher bekannt für knallharte Yakuza-Filme, schuf Kitano einen inhaltlichen und optischen Knaller, bei dem es sich in drei Episoden um die Liebe dreht, welche scheinbar allgegenwärtig ist, aber doch nicht erreichbar ist.


Eigentlich wollte Matsumoto seine Freundin Sawako heiraten, komme was wolle. Doch seine Eltern und sein Boss zwingen ihn quasi, die Tochter des Bosses zu heiraten, um die Karriereleiter aufzusteigen. Kurz vor der Hochzeit bekommt Matsumoto besuch von zwei Freunden, die ihm erzählen, dass Sawako versucht hat sich umzubringen und jetzt teilnahmslos im Krankenhaus liegt. Matsumoto eilt sofort zum Krankenhaus und gibt sein „Leben“ auf...

Der alte Yakuza Hiro denkt über seine Vergangenheit nach. Dort saß er mit seiner Freundin Ryoko immer auf einer bestimmten Bank, sie brachte ihm in einer Lunchbox immer Essen mit. Doch Hiro wollte mehr vom Leben, erklärte ihr, er würde jetzt nicht mehr kommen, um das große Geld zu machen. Ryoko schwör ihm, jeden Samstag auf dieser Bank zu warten. Nach über 30 Jahren kehrt Hiro zu der Bank zurück...

Haruna ist ein Popstar in Japan, hat sehr viele Fans, darunter den schon fast besessenen Nukui. Nukui hat sein Leben fast nach Haruna ausgerichtet. Dann erleidet Haruna einen Autounfall, die Hälfte ihres Gesichtes ist entstellt. Haruna gibt ihre Karriere auf und will von niemanden mehr gesehen werden. Da greift Nukui zum Teppichmesser...


„Dolls“ ist ein außergewöhnlicher Film, wie man ihn von Takeshi Kitano wahrscheinlich nie erwartet hätte. Sicherlich ist Kitano ein meisterhafter Regisseur, der aber eher Yakuza-Filme und vielleicht Komödien gedreht hat, aber einen Film, der sich um die Liebe dreht?

Eingeführt wird die erste Episode durch das in Japan sehr bekannte Bunrakupuppentheater. So wirken die ersten 5 Minuten schon arg fremd, wenn uns mit starren Puppen und Gesang eine Geschichte erzählt wird. Dann startet die erste Episode, aber auch die anderen Episoden gehen fast fließend ineinander über, die beiden Personen aus der ersten Episode tauchen fast immer wieder auf, auch in den beiden anderen Handlungen und bilden das Gerüst von „Dolls“.
Die Sprache ist hier gar nicht oberste Prämisse. Es wird relativ wenig gesprochen, Kitano lässt lieber Bilder sprechen und das tun sie auf kraftvolle Weise. Wenn Matsumoto und Sawako mit einer roten Kordel ziellos durch Japan laufen, zeigt uns Kitano alle Jahreszeiten. Es gibt den knallbunten Park, die Blätter strahlen in allen Farben, unglaubliche Kirschblüten, Rosengärten, schon allein wegen dieser Bilder lohnt sich das anschauen schon. Laut Interview reicht es Kitano ja schon, wenn man seinen Film einfach nur schön findet. Doch „Dolls“ kann weit mehr. Auch die rote Kordel hat eine zentrale Bedeutung. Von der Umwelt nur noch als Spinner abgetan, zeigt uns die Kordel, dass sich Matsumoto nun nie mehr von Sawako trennen will, auch wenn sie schon scheinbar in eine ganz andere Welt abgetaucht ist. Doch Matsumoto bleibt jetzt bei ihr, für immer.

Der Film wirkt teilweise unwirklich, nicht greifbar, besonders die erste Episode, spielt sie aber doch in einem Japan, welches so existiert. Die schauspielerische Leistung ist exzellent. Ohne viele Worte drücken die Darsteller Gefühle aus, kleine Gesten haben plötzliche eine riesige Bedeutung, alles gefilmt in eindrucksvollen Bildern.

Ein Wort spielt eine zentrale Rolle in Kitanos „Dolls“, der Tod. Jede Geschichte hat was mit dem Tod zu tun, doch bleibt es dem Zuschauer überlassen, ob er den Tod generell als eine Erlösung oder als schrecklich empfindet. Kitano hat da seine ganz eigene Meinung. Jedoch wird man an einer oder anderen Stelle einfach schlucken, betroffen sein, wenn Kitano uns mit unseren Gedanken alleine lässt und wir in Gedanken die Szenen weiter spielen müssen.
Ein lustiger Film ist „Dolls“ bei weitem nicht, zwar gibt es den einen oder anderen Lacher, doch dies ist gar nicht die Intension des Film. Es geht zwar um Liebe, doch richtig positiv ist der Film nicht. Selbst die einfachsten Sachen scheinen plötzlich schwer, Menschen machen irrationale Sachen, wo man einfach nur denkt, warum zum Teufel macht er das.
Das Ende bleibt offen, auch hier kann jeder denken was er will. Ist es eigentlich noch die Realität, sprechen wir vom Leben oder vom Tod? Kitano gibt darauf keine richtige Antwort, so ist jeder auf sich allein gestellt. Und dann sind 105 Minuten schon vorbei, die quasi im Flug vergehen, auch wenn wir eigentlich gar keine Action haben. Doch die Geschichten ziehen ein nach und nach in einen Bann, aus dem man sich einfach nicht lösen kann.


Fazit: Takeshi Kitano schuf mit „Dolls“ einen Film, der sogar hier in Deutschland gefeiert wurde, und dies ganz zurecht. Kitano zeigt uns, wie vielseitig er doch als Regisseur ist und wohl fast alles verfilmen kann, was er will. „Dolls“ ist sein ruhigster Film bisher und ungeduldige Menschen werden nach 5 Minuten schon abschalten, da sie den Sinn des japanischen Puppentheaters schon nicht sehen. Auch die Episoden haben nicht wirklich viel fahrt, doch man ist einfach drin in Kitanos Welt, aus der ich mich bis zum Ende nicht mehr befreien konnte. Kitanos Bilder sind einfach der Hammer, wunderschön, harmonisch in eine traurige Welt gebettet. Die Darsteller reden nicht viel, doch sagen uns ihre Gesichter viel mehr. So was nenne ich phantastisch und Kitano zeigt mal wieder, was für ein großartiger Regisseur er ist. Ein ruhiger, trauriger Film für ruhige Stunden.

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