Review
von Dr._Strangelove
A Kid for Two Farthings (UK 1955, Carol Reed)
„I‘ve got a Unicorn“ ruft der kindliche Hauptdarsteller aus, und plötzlich fühlt auch der Zuschauer, dass wir in ein Zwischenreich der Möglichkeiten kommen; wie im Märchen, als „das Wünschen noch geholfen hat“, wie es bei den Brüder Grimm heißt. Denn der Ort des Geschehens ist ziemlich trist: der hektische Markt auf dem Londoner East End nach Ende des Zweiten Weltkrieges: Dreckige Straßen mit herumfliegendem Müll, Straßenhändler, die gleich am Arbeitsplatz hausen, große Träume und große Desillusionierung zugleich. Der interessanteste Charakter ist sicherlich Kandisky, der sein Leben lang von einer Dampfpresse träumt und alles entbehrt, damit wenigstens Joe seinen Möglichkeitssinn à la Musil nicht verliert. Filme wie diese, ganz aus dem Herzen geboren, schlagen bei mir immer ein wie eine Bombe. Unnötig zu sagen, dass ich hier nicht nur einmal den Tränen nah war, was mir nur bei ganz wenigen Filmen passiert. Denn man sieht gerne die Welt durch die Augen des kleinen Jungen, der vielleicht noch in uns wohnt und erkennt, dass selbst in bitterer Ausweglosigkeit immer noch die heilende Flucht in die Phantasie eine Tür aufstoßen kann. 8/10 (18.02.2020)