Review
von Alex Kiensch
Tanznummern, schmissige Hits, allerlei kleine und große Beziehungsgeflechte: „Die 42. Sraße" reiht sich erfolgreich ein in die lange Liste an Musicalfilmen aus Hollywoods erster Goldener Ära dieses Genres in den frühen 30ern: Die Geschichte um die etwas chaotische Produktion eines Broadway-Hits, der einer unbekannten Hintergrundtänzerin zum Durchbruch verhilft und auch sonst eine ganze Reihe von Beteiligten in abenteuerliche Verwicklungen hineinzieht, unterhält mit sympathischen Figuren, viel Ironie und schöner Musik.
Wobei man gerade inhaltlich schon ein Auge zudrücken sollte: Zum einen bleibt die Dramaturgie gerade aus heutiger Sicht eher unbeholfen und wenig zielgerichtet, reiht eine Nebenfigur und deren melodramatische Liebes- und Karrierehoffnungen an die andere, kommt lange Zeit nicht wirklich vom Fleck und bietet eher bescheidene dramatische Höhepunkte - ganz zu schweigen davon, dass das Tanzfinale zwar enorm unterhaltsam und visuell eindrucksvoll ausfällt, mit seinem abrupten Ende aber mehrere Handlungsfäden einfach im Nichts hängen lässt. Und zum anderen missfällt der politisch konservative Unterton des Films gerade aus moderner Perspektive: Gesellschaftliche Missstände wie sexistisches und rassistisches Verhalten werden hier zwar offen angesprochen, allerdings völlig unreflektiert dargestellt, sodass der Film Situationen zeigt, die aus feministischer oder humanistischer Sicht völlig inakzeptabel sind, allerdings nicht die geringsten Einwände dagegen hat. Frauen sind nun mal die kleinen „Mädchen", die von den bestimmenden Männern herumgescheucht - und auch mal angegrapscht - werden, und die wenigen Farbigen tauchen hier ausnahmslos in niederen Dienerrollen auf. Heute mehr als problematisch, in den frühen 30ern wohl noch selbstverständlich.
Auch die Figuren bleiben oberflächlich und naiv, werden aber von den Darstellern immerhin mit so viel Verve verkörpert, dass man sich einer gewissen Grundsympathie schwer erwehren kann. Deutlich überzeichnete Slapstick-Nebenfiguren sorgen für reichlich Schmunzel-Humor und auch mal den einen oder anderen richtigen Lacher, sodass die Geschichte sich nie zu ernst nimmt. Und selbst dramatische Entwicklungen wie die Bedrohung des Geliebten der Hauptdarstellerin durch die Mafia fallen eher amüsant denn gewalttätig aus. Alles in allem ist „Die 42. Straße" ein herrlich naives Hollywood-Musik-Märchen, das einfach nur Spaß machen will - und das auch erreicht.
Einsamer Höhepunkt ist dann natürlich das Tanzfinale, das Ausschnitte aus der Premiere des Stücks zeigt. Von Busty Berkeley höchstpersönlich choreografiert, entwickelt der Film hier eine visuelle Ästhetik, die ihm bis dahin vollkommen abging. Beeindruckende und wirklich aufwändige Bühnenbilder und so komplexe wie schwungvolle Choreografien mehrerer Dutzend Tänzerinnen und Tänzer erzeugen einen enorm mitreißenden Bild- und Ton-Strom. Die Songs haben dabei großes Ohrwurm-Potenzial und begeistern auch noch über das wie gesagt etwas plötzliche Ende hinaus. So wird der Zuschauer begeistert und immer noch mitwippend aus dem Film geworfen - und hat dadurch vielleicht die kleinen Durchhänger im früheren Verlauf schon vergessen. So gesehen also doch wieder recht clever...