Dem jungen Versicherungsagenten Jimmy wird eines Morgens vom FBI mitgeteilt, dass sein Chef Marvin (James Caan) sich offensichtlich mit dem Vermögen der Versicherung abgesetzt hat, und es tauchen Fragen auf ob er, Jimmy, damit etwas zu tun haben könnte. Natürlich ist Jimmy sauber, und das FBI sieht das auch recht schnell ein, aber sofort nach den Verhören taucht Jimmy in Thailand und anschließend in Kambodscha unter, wo er Marvin sucht. Der wiederum plant mit einem kambodschanischen Ex-General (Chalee Sankhavesa) ein Kasino im Dschungel. Dumm auch, dass ihm ein paar unangenehme Typen von der russischen Mafia im Nacken hocken.
Anfang der Nuller-Jahre drängten eine Anzahl ambitionierter US-amerikanischer Schauspieler zunehmend ins Regiefach. Emilio Estevez debütierte 2002 mit BOBBY, Sean Penn, der in den 90ern bereits 2 sehr beachtenswerte Filme vorlegte, drehte das völlig unterbewertete DAS VERSPRECHEN, und Matt Dillon debütierte im Kino mit CITY OF GHOSTS. Offensichtlich eine gute Zeit, eine Zeit des Aufbruchs, schade nur, dass allein Sean Penn diesen Weg weiterging, während Emilio Estevez und Matt Dillon mit ihren Arbeiten Schiffbruch erlitten. An den Filmen selber kann es nicht gelegen haben, weil sowohl BOBBY als auch CITY OF GHOSTS sehr gutes Unterhaltungskino sind.
Ein Amerikaner kommt in eine asiatische Stadt, auf der Suche nach seinem betrügerischem Chef. Wirkt er zu Beginn noch klotzig und unnahbar wie Robert Stack in TOKIO STORY, typisch amerikanisch eben, fängt er nach einigen Lernprozessen zunehmend an sich der Umgebung anzupassen. Er beginnt nach kambodschanischer Uhrzeit zu funktionieren. Und er trifft tatsächlich seinen Chef wieder, der bei aller Geschäftsgier ebenfalls Geschmack an diesem Land gefunden hat. Auch Matt Dillon selber scheint es so gegangen zu sein, denn die nur bedingt energische Story (was überhaupt nicht negativ gemeint ist!!) wird immer wieder von wunderschönen und träumerischen Bildern aus Kambodscha unterbrochen. Nicht einmal nur Landschaftsaufnahmen, sondern auch Bilder von Menschen im Alltag, unterlegt von für westliche Ohren zurecht gemachter Meditationsmusik. Der Zuschauer treibt mit Jimmy durch Kambodscha und nimmt das Land durch seine Sinne auf. Dementsprechend ist auch die zarte Liebesgeschichte mit der Restauratorin Sophie (Natascha McElhone) nicht für die schnelle und moderne Zeit gedacht, stattdessen nehmen sich die frisch Verknallten noch richtig Zeit ihr Verhältnis zu beginnen. Und der Rave in dem alten kambodschanischen Tempel macht RICHTIG Lust …
Aber inmitten dieser wunderschönen und fast elegischen Bilder lauert auch immer wieder der Tod. Touristen die verschleppt werden, Straßen die nicht sicher sind, namenlose Mädchen die nur aus einem verkaufsfähigem Körper und einem puppenhaftem Lächeln bestehen, ein Mordanschlag auf Jimmy, und auch das ist Kambodscha, immerhin das Land mit der höchsten Minendichte weltweit und bitterer Armut. Trotzdem, es bleibt eine fast träumerische Atmosphäre, trotz der klaren Thrillerhandlung, und dies ist das ganz große Plus des Filmes: Die gelungene Verschmelzung von wunderschönen Bildern und Gangsterstory klappt ganz hervorragend und ist zu keiner Sekunde langweilig. Der Zuschauer ist immer bei Jimmy, hat niemals mehr Wissen als er, und dadurch bleibt die Grundspannung erhalten. Lauert hinter der nächsten Straßenecke ein Schurke und es gibt was aufs Maul? Oder tut sich ein weiteres Geheimnis auf, das die Geschichte noch mysteriöser macht? Oder gibt es dort etwas Schönes zu sehen? Es macht richtiggehend SPASS, Jimmy bei seinem Weg durch Pnom Penh zu begleiten.
Gérard Depardieu hat als hängengebliebener Kneipenwirt einige wunderschöne Momente, und kann seine Physis absolut ausspielen. Stellan Skarsgard ist in jedem Moment anzusehen dass er aus der Hitze und dem Dreck rauswill, und bereit ist dafür einiges zu tun. James Caan bleibt unter seinen Möglichkeiten, aber dafür ist Matt Dillon dermaßen umwerfend in seiner Rolle, zwischen starkem Max und schwachem und gefühlsbeladenem Mann, dass es fast wehtut. Der Mann ist wirklich gut, und er spielt mit einer Selbstverständlichkeit, die ich in den letzten Jahren bei nur sehr wenigen aktuellen Schauspielern gesehen habe.
In Kurzform ist CITY OF GHOSTS also ein ruhiger Thriller mit spitzenmäßigen Schauspielern, exotischen Locations, extrem unauffälligen Special Effects, und einer durchgehend schönen Grundstimmung. Und selbst wenn manche Szenen vielleicht keine Wohlfühlszenen sind, nach dem Film ist das Wohlgefühl definitiv da.