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"Now then, Dmitri, you know how we've always talked about the possibility of something going wrong with the Bomb... The Bomb, Dmitri... The hydrogen bomb!", sagt Peter Sellers nervös in den Telefonhörer. Sellers ist der amerikanische Präsident Merkin Muffley, und er muss gerade dem russischen Premierminister Dmitri Kissoff klarmachen, dass diesmal wirklich etwas schiefgegangen ist mit der Bombe. Sein Gesprächspartner Kissoff scheint zu dem Zeitpunkt noch völlig unbeeindruckt von dem vorsichtig-beschwichtigenden Ton in Muffleys Stimme, während er sich langsam an das heikle Thema heranwagt, sondern lässt im Hintergrund Musik laufen und scheint Damenbesuch zu haben. Als er dann erfährt, dass mehrere US-Bomber auf den Weg ins russische Heimatland sind, um dort strategisch durch den Einsatz von Bomben den "Ruskies den Arsch zu versohlen", scheint sich jede Promille Alkohol aus dem Blut des russischen Staatsoberhauptes verabschiedet zu haben. Ja, die Welt steckt in einer gigantischen Krise. Und wir, die Zuschauer, haben den Spaß unseres Lebens.

Stanley Kubrick haben wir diesen Spaß zu verdanken, der mit "Dr. Seltsam Oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" zweifellos die beste Satire der Filmgeschichte drehte. Komischer, intelligenter, bissiger geht es kaum mehr. Filmisch, wie inhaltlich interessant, ist "Dr. Seltsam" einer der wichtigsten Kubrick-Filme überhaupt.

In "Dr. Seltsam" blicken die beiden Gegner im Kalten Krieg, Amerika und Russland in eine gemeinsame, düstere Zukunft. Das Ende beider Länder könnte bevorstehen. Jedoch wurde der Konflikt nicht durch Kriegstaktiken, nicht durch ein strategisches Manöver heraufbeschworen, sondern findet seinen Auslöser in schlichtem, menschlichen Versagen. Bestrebt, die Reinheit seiner Körpersäfte zu waren, beschließt General Jack D. Ripper seinem Präsidenten zuvorzukommen, und einfach eine Armada von B-52's nach Russland zu schicken, die dort den Atomkrieg entfachen sollen. Ohne Provokation, einfach nur, um endlich das As im Ärmel auszuspielen. Da die Bomberpiloten denken, sie würden einen dringenden Notfallplan ausführen, sind sie nur durch einen Kommandocode zurückzurufen, den natürlich nur Ripper kennt.

Wenige Stunden bleiben der amerikanischen Regierung, um einen Ausweg aus der ungewollten Krise zu finden. Präsident Merkin Muffley versucht aus dem Kriegsraum im Weißen Haus eine Lösung zu finden. Zur Seite stehen ihm der knallharte General Buck Turgidson, der dem bevorstehenden Ende für Russland eher gelassen entgegensteht, und darin sogar einen Vorteil für sein geliebtes, kapitalistisches Amerika sieht; der russische Botschafter Alexi de Sadesky, der enthüllt, dass Russland in dem Falle eines Abwurfs von Atombomben eine allesvernichtende, automatisierte Waffe erbaut hätte, deren Gegenschlag unabwendbar die Erde für die nächsten 90 Jahre radioaktiv verseuchen würde; und der wahnsinnige Dr. Strangelove, ein Ex-Nazi im Rollstuhl.

Voller Niedertracht seziert Kubrick hier die Befehlskette amerikanischer Militärs, als auch die Kaltblütigkeit, mit der Armeegeneräle von den nächsten Schachzügen sprechen, und dabei über Millionen von Menschenleben richten, so, als würde es sich wirklich nur um die Schachfiguren handeln. In einer Zeit des Wettrüstens, in der die Kontrolle über "die Bombe" enormen politischen Einfluss hatte, erzählt Kubrick hier die Geschichte, wie die Bombe, beziehungsweise die russische "Weltvernichtungsmaschine" sich dem Einfluss menschlicher Intelligenz entzieht, und selbst entscheidet. Kubrick führt das kriegsmännische Posieren mit der möglichen Vernichtung alles Lebens ad absurdum und lässt uns den Schrecken in jedem Knochen spüren.

Doch natürlich ist "Dr. Seltsam" dadurch kein erschreckender, bedrückender Film. Der kurzweilige, flotte Kinofilm hat viel zu viele Lacher auf seiner Seite, als dass ernsthaft von dem satirischen Aspekt verschreckt werden könne. Doch so komisch die Dialoge auch sein mögen, filmisch nimmt sich der Film durchaus ernst. In den wenigen Kriegsszenen, in denen natürlich, im Geiste der Satire, Amis gegen Amis kämpfen, drehte Kubrick mit wackeliger Handkamera und war damit einer der ersten, die solchen Actionszenen einen Dokumentarfilm-Touch gaben, um ihre realitätsnahe Wirkungsweise zu intensivieren. Man hinterfragt den Wahrheitsgehalt der Bilder nicht, wenn sie nicht gewollt filmisch und durchkomponiert künstlerisch wirken; sondern wenn sie unruhig, verwackelt, ungenau, immer wieder aufbebend, wenn etwas in der unmittelbaren Nähe explodiert, sind, nimmt man das Gesehene als bare Münze hin. Jene Szenen sind ernst gedreht und keineswegs vordergründig humorvoll (mal abgesehen von der Szene, in der Ripper aus seinem Büro den Kampf führt), sondern wirken erst in ihrer absurden Gesamtsituation verzweifelnd komisch.

Aber keine Angst, der Zuschauer hat Gelegenheit zum lauten Herausprusten. Zwar ist kein Dialog beschränkt auf plumpen, zotigem Witz, aber bei Sätzen wie "Gentlemen, you can't fight in here! This is the War Room" dürfte jedem das Gesicht mindestens zu einem breiten Grinsen entgleisen. Die Satire ist klug und scharf und verlässt sich voll auf seine Darsteller. Peter Sellers spielt gleich drei Rollen, ähnlich seines multiplen Vorkommens in Kubricks Vorgängerfilm "Lolita": Group Captain Lionel Mandrake, der zusammen mit dem wahnsinnigen Ripper in dessen Büro eingesperrt ist. Hier muss er sich die psychotischen Theorien der Säfte entkräftenden Russen anhören, während er verzweifelt versucht von dort aus, dem Treiben ein Ende zu setzen. Später hat es Mandrake dann mit einem amerikanischen Colonel zu tun, der ihn für einen Perversling hält, da Mandrake befiehlt, einen Coca-Cola-Automaten aufzuschließen. Amerikas Heiligtum wird als Geldwechselmaschine vergewaltigt. Keenan Wynn als der stoische Colonel droht Mandrake: "You're gonna have to answer to the Coca-Cola company".

Die zweite Sellers-Rolle ist die des nervösen US-Präsidenten, eine weniger übertriebene, ernsthaftere Rolle. Hier hat Sellers die Chance, ein gesamtes Telefonat mit der russischen Seite des heißen Drahtes zu improvisieren. Eine grandiose Szene, in der Sellers jede außenpolitische Freundlichkeitsfloskel bemüht, um die Schwere der Botschaft zu beschwichtigen. Seine dritte Rolle ist dann absolut over-the-top. Der im Rollstuhl sitzende Ex-Nazi-Wissenschaftler Dr. Strangelove, dessen Theorien meist von einem zwanghaft in die Luft zischenden rechten Arm und einem herausgebrüllten "Mein Führer!" unterbrochen werden. Dr. Strangelove ist eine herrlich überzeichnete Karikatur, völlig neben der Kappe und ohne jeden Realismusanspruch.

So virtuos Sellers mit allen drei Figuren umgeht, das schauspielerische Highlight ist jedoch George C. Scott, der Kaugummi kauende General Buck Turgidson. Scott wurde von Kubrick zum Overacten ermutigt, und eine unglaublich energetische, gummigesichtige Vorstellung ist das Resultat. Sein Turgidson ist ein überschwenglicher General, der regelmäßig schlechte Nachrichten verkündet, und jegliche Menschlichkeit für eine eigene militärische Logik opfert. Die Grimassen, die Scott zieht, die überreichliche Gestik - alles scheint hundertprozentig zu sitzen und zu passen. Selbst als Scott über seine eigenen Füße stolpert und auf den Boden stürzt, läuft die Kamera weiter. Auch aus der Nummer kommt Scott hervorragend und überzeugend heraus.

Am Ende steht das Ende der Welt. Anstatt den Film einem Happy-End zu opfern, zeigt uns Kubrick jene schreckliche Konsequenz des Krieges: Kurz zuvor ritt Slim Pickens seine Bombe ins Ziel, nun vollführen Atompilze ihren morbiden Tanz zu Vera Lynns "We'll meet again". "Dr. Seltsam" ist eines der großen Kubrick Meisterwerken, ein großartiger, humorvoller, hintergründiger Film, so intelligent, wie komisch zugleich. Toll geschauspielert, ebenso fabelhaft gedreht. Grotesk und doch wahr.

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