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General Jack D. Ripper ist besorgt. Um die Körpersäfte, die von den Kommunisten aus der fernen Sowjetunion durch die Fluoridierung des Trinkwassers verunreinigt werden sollen. Die Schwächung des Körpers ist die Folge, er selbst hat diese bereits gespürt. Und so schickt er eine Flotte von Bombern gen Feindesland. Das ruft das restliche Militär, den US-Präsidenten und weiteres Personal auf den Plan. Und zum Glück sind die alle hochkompetent und rational. Oder auch nicht.

Die Zeit des Kalten Krieges, der stete Konflikt zwischen den beiden Supermächten in West und Ost, die Angst vor dem Einsatz von Nuklearwaffen. In diesen Boden pflanzte Stanley Kubrick nach Motiven des Buchs „Red Alert“ von Peter George eine Satire, so vielschichtig komisch, absurd und auch erschreckend zugleich. Ein Fehler in der Kette, ein schwaches Glied oder besser gesagt ein durchgeknallter General setzt diese Farce um das menschliche Versagen in Gang. So regiert bald der Irrsinn an mehreren Fronten.
Da liefern sich US-Truppen Gefechte um den Stützpunkt in Burpelsen, schießen auf die eigenen Leute vor den großen Tafeln mit der Aufschrift „Peace is our profession“. Hier, wo die Verkettung der Ereignisse ihren Anfang nahm und der wirre General Ripper sich seinem Wahn hingibt, während der britische Austauschoffizier Mandrake verzweifelt versucht, ihn zum Abbruch zu bewegen.
Da folgt man der Besatzung eines B-52 Bombers in den russischen Luftraum, die unbeirrt ihr Ziel ansteuert. Major Kong will hier unbedingt liefern, was in eine der ikonischen Szenen des Films mündet. Zuvor wird hier aber noch die Vorbereitung auf die Zerstörung bebildert, und zwar als kühl durchorganisierte Abfolge von Schaltern. Vernichtung ist ein kaltes Geschäft mit strengen Abläufen.
Und natürlich gibt es die große Konferenz im „War Room“, besetzt mit Militärs, dem Präsidenten und dem sowjetischen Botschafter. Und dem titelgebenden Dr. Strangelove, einem deutschen Wissenschaftler mit wirren Ideen, dessen rechter Arm sich gerne mal selbständig macht. Die sich hier ergebenden Dialoge sind immer wieder Gold wert.

Es sind die vielen kleinen Momente, die Kubricks Film so sehenswert machen. Natürlich ist das große Ganze, das Szenario um die bevorstehende Vernichtung, schon interessant. Aber eben wie das Drehbuch dieses ausfüllt, ist das Salz in der Suppe. So springt man zwischen den verschiedenen Schauplätzen immer wieder hin und her und ist auch der „War Room“ das Highlight (auch aufgrund des Designs von Ken Adams), so haben alle Episoden was für sich. Es ist die Beobachtung des menschlichen Versagens auf so vielen Ebenen, angetrieben von ebenso menschlichen Eigenschaften. Dabei erreicht man es bei all dem absurden Verhalten der Figuren (mit ihren herrlichen Namen) zumeist die Balance, diese nicht als zu irre zu zeichnen, aber eben immer genug, um die groteske Darstellung zu unterstreichen. Nur selten schießt das Spiel auch mal über das Ziel hinaus. Als Zuschauer ist man eh ausgeliefert und kann nur hoffen, dass dies fern der Realität ist. Man lacht drüber, aber manchmal eben aus Entsetzen.
Viele Themen reißt Kubricks Werk hier an. Von der Paranoia der McCarthy-Ära über einen permanent eingebrachten sexuellen Unterton bis hin zum Thema Wettrüsten. Allein die Logik mit der Weltvernichtungsmaschine – herrlich.

Darstellerisch ist das hier ganz großes Kino. Peter Sellers in gleich drei Rollen, alle unterschiedlich angelegt und dargeboten, jede überzeugend. Versucht sein Mandrake zu retten, was zu retten ist und sein Präsident Muffley irgendwas zwischen (völlig unangebrachtem) Understatement und Beherrschtheit, so ist sein Dr. Strangelove der verrückte Wissenschaftler. Sellers liefert eine grandiose Gesamtleistung ab und macht das hier alleine dadurch schon sehenswert. Gleiches gilt für George C. Scott als General Turgidson, völlig gefangen in seiner berechnenden Militanz und immer im Angriff denkend. Scott spielt hier frei und mit Energie, das macht einfach was her. Der Rest tritt dabei etwas in den Hintergrund, erwähnenswert ist dennoch das Spielfilmdebüt eines gewissen James Earl Jones, der später unter anderem als Stimme von Darth Vader in „Star Wars“ bekannt wurde.

„Gentlemen, you can't fight in here! This is the War Room!“ Kubricks geniale Satire über Egos auf dem Weg in den Untergang hält so viele famose Momente bereit. Seien es die Telefonate zwischen West und Ost, der bekannte Ritt auf der Bombe oder der titelgebende Doktor. Mit einer genialen Balance zwischen einem ernsten Schreckensszenario und dem steten Bruch durch ihre Absurditäten gewinnt die Satire mit zunehmender Spielzeit einen ganz eigenen Ton, ein stetes Schwanken zwischen Lachen und Unglauben. Scharf geschrieben, gekonnt montiert, passendes Ende. We'll meet again ...

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