Review

In den 70ern war es langsam soweit, was den klassischen Horrorfilm angeht: Die Ideen gingen aus. Dracula durchlebt zwar noch immer mehr oder weniger gelungene Abenteuer durch die Hammer-Studios, aber auch wird man langsam satt angesichts der immer gleichen Handlung. Und der Werwolf wird immer mehr dazu missbraucht, jugendliche Rabauken zu zerfleischen. Hat man alles schon gesehen, was muss also an die Front? Was Neues!

Und genau da kommt "Westworld" ins Spiel. Mal abgesehen davon dass der Film ein Meisterstück seiner Zeit ist, begeistert er hauptsächlich durch das völlig unverbrauchte Szenario. Peter und John fahren zu dem Freizeitpark "Delos", der mit drei Themen-Parks beeindrucken kann, in denen man sich zeitgemäß bewegen und handeln kann. Da wäre das römische Reich, das Mittelalter und der wilde Westen. Die beiden Freunde entschließen sich für letzteres. Und so kommt es bis zur Hälfte des Films zu vergnüglichen Szenen im westlichen Style, wenn sich Peter und John unbekümmert in der Welt der Cowboys auslassen. Allein das würde schon für einen abendfüllenden Film reichen (Meinetwegen für eine Komödie), aber so ungefähr etwas ab der Mitte schlägt der Film plötzlich um. So einen Stimmungswechsel hab ich vor und nach "Westworld" nicht erlebt. Denn aus der romantischen Western-Idylle mit zwei liebenswerten Männern die ihr inneres Kind spiele lassen, wird ein reißerischer Thriller, der spannend, nervenzereißend und in gewisser Hinsicht sogar furchteinflößend ist. Der Cyborg in Form eines Westernraufbolds wechselt plötzlich seine Gesinnung und läuft Amok. So eine geniale Idee gibt es heute nicht mehr oft.

Die Schauspieler sind spitze, neben den beiden Hauptdarstellern Richard Benjamin und James Brolin brilliert der Film mit dem unglaublich intensiven Yul Brynner als rumballernde Maschine. Die Nebendarsteller wissen auch zu überzeugen, wirkliche Griffe ins Klo gibt es nicht. Ein wenig schade ist nur, dass die beiden anderen Themen-Welten im Gegensatz zur Cowboy-Welt nicht eindringlich genug vorgestellt werden. EIn brillianter Griff wäre es gewesen, wenn man zeitgleich zwei Filme gedreht hätte die sich mit den anderen Welten stärker auseinander setzen, aber wer weiß, vielleicht wären die von den Kritikern auseinander gerissen wurden.

Abschließend lässt sich sagen, dass es selten solche intensiven Filme wie "Westworld" gegeben hat. Wiegt man den Zuschauer bis zur Hälfte in eine wohlgesonnene Sicherheit, greift ihm plötzlich die kalte Hand auf die Schulter, nur dass man sich nicht an die Kälte gewöhnt, weil die Hand immer kälter wird. Ob der Anfang langweilig ist, ist Geschmackssache, es muss ja nicht immer mit Bang-Boom anfangen und mit Peng-Knall weitergehen.

Fazit

Genial wie atemberaubend schafft es Westworld, den Zuschauer auf eine Achterbahn der Emotionen zu schicken, und man kann weder aussteigen noch die Augen zu machen. Etwas derart beängstigendes sieht man selten.

9,5 / 10

Details