Review

Kontemporärer Trash – THE ASYLUM (12)

SAN ANDREAS QUAKE

(SAN ANDREAS QUAKE)

John Baumgartner, USA 2015


Mit dem vorliegenden Streifen hat sich die kalifornische Schundschmiede „The Asylum“ wieder einmal ihrer wichtigsten Aufgabe gewidmet, also der Fahrwasserschwimmerei: San Andreas Quake ist der Mockbuster zu Brad Peytons 110-Millionen-Dollar-Katastrophenthriller San Andreas. Ein Blockbuster wie dieser durfte natürlich nicht ungenutzt bleiben, weshalb man sich auch im Hause Asylum des Themas Erdbeben in Los Angeles annahm und am 19. Mai 2015 die hier betrachtete DtV-Billigproduktion veröffentlichte – zehn Tage bevor das große Vorbild in die US-amerikanischen Kinos kam. Zeit genug also, um schon mal zahlreiche Vorab-Verwechslungen zu gewährleisten.

Wer nun bewusst oder versehentlich an San Andreas Quake geraten ist, sieht einen geradezu beispielhaft überraschungsarmen und hundertfach durchexerzierten Genremotiven folgenden Allerwelts-Katastrophenfilm, in dessen Zentrum wieder einmal eine Wissenschaftlerin steht, deren Warnungen ungehört bleiben beziehungsweise keine Reaktion auslösen – bis sie sich nach dem Ausbruch der Katastrophe endlich der Aufgabe zuwenden kann, ihre Tochter zu retten ...

Dies alles spielt sich erwartungsgemäß auf einem in jeder Beziehung sehr niedrigen Niveau ab, ist aber nicht ganz so mies, wie die Bewertungen in den großen Datenbanken und zahllose vernichtende Kritiken androhen. Ganz leicht hatten es die Beteiligten im Hause Asylum auch nicht: Im Vergleich zu den sehr häufig von ihnen produzierten Creature Features, in denen man nur dafür Sorge tragen muss, dass die Mitglieder einer Gruppe nutzloser und dümmlich agierender Figuren fein regelmäßig vor die Füße des Monsters vom Dienst stolpern, ist ein Film, der ein Erdbeben zum zentralen Ereignis erklärt, eine eher undankbare Angelegenheit – vornehmlich für den Verfasser des Drehbuchs, aber leider auch für den Zuschauer. Ein Beben dauert nämlich höchstens ein oder zwei Minuten, und selbst wenn man wie hier verzweifelt eine inflationäre Zahl an Vorbeben (die bei einer Stärke von 5.0 schon halbe Stadtviertel zum Einsturz bringen) herbeibemüht, bleibt doch eine Unmenge an Zeit übrig, in der man sich notgedrungen etwas näher mit den Figuren beschäftigen muss. Das wird bei einer Produktion wie San Andreas Quake zum ernsten Problem – für tief gehende Charakterzeichnungen, erzählerische Finesse oder ansprechende Dialoge fühlt sich in kalifornischen Ramschbuden niemand zuständig, und eine dauerhaft ereignisreiche Ausgestaltung der Postbeben- und Tochterrettungsära des Films hätte Zeit, Geld und geistige Arbeit erfordert – Sachen, die man im Hause Asylum nie findet, wenn man sie mal braucht.

So hält denn hier nach einem halbwegs passablen Start, der zwar nur im Automatikmodus das bekannte Einstiegs-Pflichtprogramm des Genres abarbeitet, aber immerhin ganz ordentlich unterhält, eine gewisse, ähm ... Zähigkeit Einzug. Regisseur und Skriptautor John Baumgartner weiß einfach nicht, was er auf die Dauer mit seinem Protagonistenpaar, sprich der Wissenschaftlerin Molly und ihrem angehenden Schwiegersohn Nick, anfangen soll, und daher muss man sich mit öden Wortwechseln, zahllosen noch viel öderen Videobotschaften, welche die Heldin ihrem Tablet (das sie nie aus der Hand legt) anvertraut und einigen aus reiner Verlegenheit eingeführten, für das Fortschreiten der Handlung völlig nutzlosen und langweiligen oder gar nervenden Nebenfiguren herumschlagen.

Auch der Handlungsstrang um die Tochter, die an ihrer Misere übrigens selbst schuld und damit eigentlich nur eingeschränkt rettungswürdig ist, will nie mitreißen. Damit wird vor allem der Mittelteil des Streifens zu einer beachtlichen Geduldsprobe. Zum Glück (und wie erhofft) kommen wenigstes Trash-Freunde bisweilen auf ihre Kosten. So ist es für die Produzenten offensichtlich undenkbar, irgendeinen wie auch immer gearteten Film ganz ohne CGI-Monster auf die Zuschauer loszulassen. Da Saurier oder Haie hier nun doch nicht so recht passen wollten, wurde zur Abwechslung einmal ein übel gelauntes CGI-Nilpferd (!!) vorbeigeschickt, das mit seiner Attacke für Aufregung und erhebliche Heiterkeit sorgt. Letztere gibt es hier übrigens tatsächlich nur in unfreiwilliger Form: San Andreas Quake ist bierernst angelegt, zeigt nicht einen Funken Selbstironie und versucht sich sogar an tragischen Momenten – sicherlich nicht die beste Strategie für eine derartige Produktion.

Optisch und technisch bietet der Streifen die gewohnte Asylum-Kost – qualitativ ordentliche Bilder im TV-Format und überwiegend miserable Spezialeffekte mit kleinen Ausrutschern nach oben und unten: Es gibt kurze Aufnahmen, in denen die einstürzenden Hochhäuser erstaunlich glaubwürdig aussehen, wofür man aber beispielsweise einen unfassbar schlecht getricksten Erdrutsch über sich ergehen lassen muss. Insgesamt hat man das aber in vergleichbaren Produktionen alles schon schlimmer gesehen.

Das kann man auch von den Darstellern sagen, die größtenteils zumindest erträglich sind. Vor allem Jhey Castles in der Hauptrolle hinterlässt einen recht gefälligen Eindruck – Schauspiel ist zwar nicht wirklich ihr Ding (gerade in der Nilpferdsequenz macht sie eine ganz unglückliche Figur ...), aber sie gibt sich redlich Mühe und kann damit die nötigen Sympathiepunkte erarbeiten. Ähnliches lässt sich von ihrem Mitstreiter Jason Woods nicht sagen: Sowohl seine Figur als auch er selbst sind eher unangenehm. Interessant ist indes Grace Van Dien, die als stockfinster geschminkte Tochter von Molly (und Freundin von Nick) aussieht, als wolle sie zu einem Gothic-Treffen oder zu einem Avril-Lavigne-Imitatorinnen-Wettbewerb. Ihr Name lässt aufhorchen, und tatsächlich ist sie im wahren Leben die Tochter von Casper Van Dien, der seinerzeit schon längst im Trash-Kino seine Heimat gefunden hatte und im gleichen Jahr ebenfalls vor einer Asylum-Kamera stand (!): In Jeremy M. Inmans leidlich missratener Märchenverwurstung Avengers Grimm macht er sich mit Freude als Antagonist „Rumpelstiltskin“ zum Affen.

Der Score, zurück zum Quake, stammt schließlich von Christopher Cano, ist selbstredend ständig präsent und kann immerhin ein paar halbwegs gelungene Passagen aufweisen.

Fazit: San Andreas Quake verkörpert anschaulich den Leitgedanken der im Hause Asylum verfolgten Firmenpolitik, sprich die Produktion billiger TV- und DtV-Ware, die sich dreist an aktuelle Kino-Großereignisse hängt und in deren Fahrwasser ein paar Dollar abzustauben versucht – hier in Gestalt eines nach Zahlen gemalten Tochterrettungsthrillers mit Katastrophenhintergrund. Halbwegs zurechtkommen sollten damit nur ramschresistente Genre-Freunde, die bereit sind, sich durch ein paar recht deftige Längen zu kämpfen. Dennoch darf bei aller berechtigten Kritik festgestellt werden, dass sich John Baumgartners Arbeit im Kontext ihrer Herkunft vergleichsweise wacker schlägt und gelegentlich sogar Anflüge von Kompetenz erkennen lässt. Und für alle Willigen gilt: Wer’s bis zur 47. Minute schafft, wird mit einem CGI-Nilpferd der Marke Asylum belohnt. Danach fühlt man sich besser.

(04/18)

Objektiv sehr knappe 4 von 10 Punkten.





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