III - Das Ritual (2015)

Russland hat schon immer weitaus anspruchsvollere, künstlerischere Filme gemacht als Hollywood, auch wenn es in den letzten Jahren etwas ruhiger wurde. Solaris war noch komplizierter als 2001, Stalker ein dich heimsuchendes Mysterium. Und im Horrorbereich sucht man in letzter Zeit wirkliche Perlen mit der Lupe. Das könnte sich mit dieser mysteriösen Dreifaltigkeit von Film ändern, hat er mich als UCI Midnight Movie doch ziemlich umgehauen. Als ob Tarkovsky auf Lars van Trier traf & sich die beiden in einem spirituellen (Alp-)Traum von David Lynch verlaufen haben.

"III" ist bildgewaltig & mächtig, sowohl optisch als auch akustisch. Hätte man mir gesagt, die Geschichte um ein Geschwisterpaar in einer mitteleuropäischen, von einem Virus befallen Geisterstadt, wäre eine russische Grossproduktion mit 10 Mio. € Budget & dort schon einer der Hits des Jahres - ich hätte es sofort geglaubt. Das der Film von einem achtköpfigen Team für nur 15.000€ zusammen gezaubert worden sein soll, grenzt an eine Offenbarung. Von denen wird man definitiv noch mehr hören, das hier ist nur der feine Beginn. Vielleicht eine russische Rennaissance des Horrors. Schon allein der Soundtrack lässt aufhorchen & schaudern, nicht wenige Bilder sind Gemälde. Am ehesten hat mich das Ganze an den ebenfalls wunderschönen "The Cell" erinnert.

Neben seiner technischen Wucht, für die sich eine große Leinwand extrem anbietet, muss ein Horrorfilm natürlich auch spannend sein. Das ist "III", gerade im letzten Drittel, auch wenn er sich zu Beginn sehr langsam & gefühlvoll aufbaut. Melancholisch, mysteriös, geisterhaft. Typisch russisch & was für eine zeitlose, fast schwebende Stadt voller verlorener Seelen. So eine richtige Verbindung baut man zu den zwei Geschwistern, die gerade ihre Mutter verloren haben & nun Schutz beim Priester des Dorfes suchen, zwar nie auf, aber es reicht zusammen mit der nebligen Atmosphäre für einen erhöhten Puls. Keine billigen JumpScares, sondern nachhaltige Bilder & ein wahrhafter Alptraum. So nah war lange kein Film mehr gruseligem, nächtlichen Kopfkino. 

Die Schauspieler sind in Ordnung, werden von der deutschen Synchronfassung zum Glück auch nur selten schlechter gemacht als sie sind. Von ekelhaftem Bodyhorror bis purem Psychoterror & Bildern die man nicht vergisst, zwischen Faszination, Silent Hill, Schönheit & achtem Kreis Hölle, ist das cleverer Horror für Feinschmecker. Da kann man sich verlieren & noch lange nachdenken. Über das Finale erst recht, welches dem ganzen nochmal den Boden unter den Füßen weg zieht, überrascht, schockiert & fasziniert. Einem scheinbar so simplen & substanzlos schönen Prachtstück wird auf einmal noch mindestens eine Deutungsebene hinzugefügt, die meine Augen weit auf riss. Top! Wenn auch insgesamt nicht perfekt & nur der Anfang. Den ähnlichen (& auch guten) "Horsehead" aus Italien, ließ er für mich hinter sich, was auch an seiner knackigen Laufzeit liegen mag. Glauben, Realität, Aufopferung, Schwesternliebe, Alptraum, Himmel, Hölle, Feuer, Erde - hier gibt es keine Grenzen mehr.

Fazit: russisch, bildgewaltig, metaphorisch, biblisch, märchenhaft, höllisch - geht unter die Haut, gruselt, auch wenn eine Geschichte kaum existent ist. Einer der besten russischen Horrorrfilme seit 30 Jahren!