Thierry (Vincent Lindon), 51, beklagt sich mit ruhigen Worten im Arbeitsamt, dass die Umschulung als Kranfahrer sinnlos war, weil er doch keinen Job auf dem Bau erhält. Die Bank bewilligt keinen weiteren Kredit und rät das Haus zu verkaufen, in dem Thierry mit seiner Frau (Karine de Mirbeck) und dem schwer behinderten Sohn (Matthieu Schaller) lebt…
In der kapitalistisch geprägten Arbeitswelt bemisst sich der „Wert“ eines Menschen nach dem Ertrag den er erbringt und nach seiner Systemkonformität. Doch was ist eine Kassiererin noch wert, die nach 20 Dienstjahren Rabattmarken stielt? Was ist ein schwer behinderter Mensch wert, selbst wenn er die Fachhochschule absolviert? Was ist ein alter, einsamer Mann schon wert, der am Monatsende ein wenig Fleisch stielt? Und was ist ein arbeitsloser, 51-jähriger Maschinist noch wert? Thierry steht im Mittelpunkt der Handlung. Immer wieder zeigt die Kamera lange Zeit nur sein Gesicht, wie er geduldig, mit längst gebrochenem Widerstandgeist, doch lange nicht zum alten Eisen gehörend, allein die Demütigung erträgt, nicht mehr selbst entscheiden zu können. Auch das französische Arbeitsamt bietet an, was es halt gerade gibt, die Kreditsachbearbeiterin rät, er solle lieber eine Versicherung abschließen, damit seine Familie abgesichert sei, „falls mal etwas passiert“, im Bewerbungstraining erklären ihm andere Arbeitssuchende nach dem fingierten Vorstellungsgespräch, dass sie ihn nicht einstellen würden und für das Bewerbungsgespräch per Skype hätte er sich gar nicht erst in Schale schmeißen müssen. Als er schließlich einen Job als Sicherheitsmitarbeiter in einem großen Warenhaus annehmen muss, beginnt er zu zweifeln, ob er überhaupt noch ein Teil der Arbeitswelt sein möchte, in der ganze Existenzen wegen ein paar geklauter Bonuspunkte vernichtet werden.
„La Loi de Marché“ (Originaltitel, dt. „Das Gesetz des Marktes“) ist eine bittere Bestandsaufnahme, der man sich nicht verschließen darf. Ein stiller Aufruf zur Rückkehr zu einer menschlichen, sozialen Marktwirtschaft. Der Film von Stéphane Brizé (geb. 1966 in Rennes, „Man muss mich nicht lieben“) hat einen bewusst dokumentarischen Charakter, wobei die Kamera viele erschütternde Momente einfängt. Vincent Lindon („Die Studentin“ 1988), der mit Stéphane Brizé schon „Mademoiselle Chambon“ (2009) gedreht hatte, erhält für sein bewegendes Schauspiel 2016 in Cannes den Preis als Bester Darsteller. (9,5/10)