Review

In alphabetischer Ordnung werden bei Allen immer die Darsteller aufgezählt, die wichtigsten natürlich, aber so von vornherein ein Hickhack um Rang und Namen aus dem Weg gegangen, es soll sich auf andere Art und Weise nach vorne in die Aufmerksamkeit gespielt werden, in anderen Bereichen, in anderen Belangen. Allen auch und vor allem als Schauspielführer, dazu natürlich als Erzähler, oft als Zeichner einer bestimmten Situation, einer speziellen Umgebung oder Milieus, und der Menschen darin, an denen wahrhaft und wahnhaft und wahrhaftig interessiert. Auch hier hört man erst etwas und muss seine eigenen Ideen visualisieren, seine Gedanken in Bilder umsetzen, die dann auch kommen, aber anders gehalten sind als üblich, die sich erweitern und eine neue unbekannte Situation verbreiten. Um Kant geht es, um menschliche Vernunft, um Fragen, um Moral und Entscheidungsfreiheit, um das Leben und Ästhetik, es werden gleich mehrere Gedanken und die Gedanken mehrerer Menschen erzählt, begonnen vom emotionalen Tal des Todes, der "Burn-Out Look hat was.":

Der Philosophieprofessor Abe Lucas [ Joaquin Phoenix ] wird am Braylin College in Rhode Island als Dozent aufgenommen. Er steckt in einer existenziellen Krise, ist depressiv, sieht keinen Sinn in seinem Leben und trinkt übermäßig. Trotzdem fällt er zwei Frauen auf: der Chemieprofessorin Rita Richards [ Parker Posey ] und Jill Pollard [ Emma Stone ], einer seiner Studentinnen, die allerdings in einer festen Beziehung mit ihrem Freund Roy [ Jamie Blackley ]. Auch Rita ist theoretisch verheiratet.

Jemand kennt hier jemand, der jemanden kennt, es gibt viele Gerüchte, es wird Eifersucht und Begehren erregt, es werden Banne ausgesprochen und versprochen, es gibt eine Vorstellung des Professors, der sich um eine neue Stelle bewirbt, aber eigentlich am Ende ist, ausgebrannt, leer und unerfüllt, manchmal dieses, manchmal jenes, manchmal alles auf einmal zusammen, eine Depression und eine Frustration und eine Überreizung und eine Erschöpfung, eine schlechte Mischung eigentlich, kurz vor dem Implodieren oder doch der Explosion. Die Frage, ob es ihm gut geht, kann Phoenix hier so einfach gar nicht beantworten, sie wurde auch nicht aus Neugier gestellt, eher als Ausdruck einer Meinung, man sieht gleich, wie abgehangen der Professor ist, die besten Tage längst vorbei und trotzdem noch gute Tage vor sich; möchte man hoffen und will man meinen.

Es ist mehr eine Vorstellung der Situation, keine Bewerbung, es wird ein Haus dargeboten für die Lehrerenden, das Haus ist "klein, aber sehr komfortabel", es folgt eine Führung, das Philosophische Institut wird später gezeigt, Alkohol schon am frühen Tage, jedenfalls weit vor dem Abend konsumiert, es gibt einen kleinen Empfang, auch dort werden neben Schmeicheleien wie die Begeisterung über das Essay von Situationsethik auch Hochprozentiges, dann aber in Gläser und Flaschen und nicht im Flachmann gereicht. Ein Cocktailempfang, etwas Einführung in die Verhältnisse, in den Klatsch und Tratsch, es wurden mehrere Scotchs sich einverleibt und den oberflächlichen Gesprächen zugehört. Um Wahrheit und Lügen geht es hier, eine theoretische Welt und das echte hässliche elende Leben, um verbale Masturbation, es wird über ihn gesprochen statt mit ihm, es wird ihm zugehört, nicht widersprochen, es wird seiner Lehre vertraut, er doziert, er stolziert, Phoenix hat eine ordentliche Plauze, er ist trotzdem der attraktivste Angestellte hier, er ist jünger als die anderen, er hat noch alle Haare, er weiß zu reden und er gibt auch mal Komplimente, Ideen über Beliebigkeit und Zufall, es wird doch mal widersprochen, das erregt seine Aufmerksamkeit und weiteres Interesse.

Erlösende Momente durch Freude und/oder Vergnügen gibt es hier auch, es geht um den irrationalen Mann, er blickt auf sein Leben zurück, er erzählt viel über sich und lässt sich bewundern, den jungen Mädchen vor allem gegenüber, er lebt von seiner Faszination, das Drama selber produziert, die Lobeshymnen werden von anderen aufgenommen oder abgelehnt. Ein Geschlechterkrieg entsteht hier im Nebenher, die Studentin hat einen gleichaltrigen Freund, der nichts mehr hören will über den Neuen. Es geht um kurze Affären, um die Liebe, um das einfach Wahre, die kurze Ablenkung des Orgasmus, die nicht lange genug anhält um durch das Leben fernab von anderen Freuden und Freunden zu kommen. Worauf Allen hinaus will, weiß man hier noch nicht, nicht in den ersten Minuten, nicht in den weiteren Erzählungen, es geht um Heidegger und Faschismus, genau das, was noch fehlt in der Welt, außerdem eine Schreibblockade, das Schreiben als Atmen gesehen, eine Muße gebraucht, die Lösung einer Blockade, sich dem Mann an den Leib geworfen, an seinen Lippen gehangen, dem Freund geht das Thema an die Nieren, er äußert seine Sorgen mehrfach, er wird ungehört, währenddessen der Mann selber impotent und alles andere als eine Granate im Bett ist. Einmal findet eine Party der jüngeren Leute statt, zu denen er eingeladen wird, er sitzt bloß in der Ecke herum, es wird eine Pistole herumgereicht, es gibt aus Pappbechern Alkohol, es geht um das High sein, es wird eine existentielle Lektion beim Russisch Roulette geboten.

Eine 50/50 Chance ist mehr, als die meisten Menschen im Leben bekommen; solche Sätze werden hier erwähnt, die Bücher ein Triumph des Stils, nicht der Substanz, man mag die Komplexität und die Kompliziertheit, der Schmerz und die Sensibilität und die Innovation des Denkens, es geht um die "kreativen Säfte zum Fließen" zu bringen, es wird Geflirtet und das Flirten analysiert, es will geholfen werden, es werden Vorschläge gemacht, die das Leben beeinflussen und Erfahrungen herstellen und widerrufen, es wird sich im Bedrücktsein entrückt. Einmal geht man an den Klippen spazieren und schaut auf das Meer hinaus, Allen zeichnet sich ein Universum von Personen, von Leid und Verzweiflung und Bezweiflungen, er hat größtenteils, aber nicht ständig Phoenix im Fokus, der Film gehört natürlich trotzdem ihm, er trägt seinen Namen, mal wird einem fremden Gespräch und dies länger zugehört, es geht um eine Trennung, eine Scheidung, um das Sorgerecht, um die Befangenheit des Richters; der Professor macht sich dazu seine eigenen und diesmal sehr morbiden Gedanken. Eine Klavierstunde weiter ist man immer noch berauscht von der Herausforderung, man fühlt sich lebendig durch die Vorstellung eines perfekten Mordes, man spricht darüber, im kleinen vertrauten Kreise, das Leben zurückgekehrt durch eine Zufallsbegegnung und der imaginären Beschäftigung mit einem Verbrechen, eine offenkundige Veränderung, eine Wiedererweckung, ein Anpacken statt des Herum Jammerns, ein Hoch statt ein Tief, es wird geflirtet gar wieder, Allen filmt das, die Landschaft, die Menschen in ihr, die Dialoge intuitiv, es wird der Spätsommer gezeigt, der Beginn vom Herbst, es wird geliebt und diesmal funktioniert 'es', gleich mit zwei Frauen, unterschiedlichen Alters, und dies nicht gemeinsam, "Menschen füllen ihre Einsamkeit mit Klatsch.", es wird der Richter ausspioniert, observiert, eine Obsession betrieben, das fällt selbst der Studentin auf, auch dies erzählt sie uns, Allen schreibt ihre Gedanken auf und lässt uns daran teilhaben, am Glück und am Zufall, an der Liebe und den Affären, an den Träumen und den Plänen, am Spiegelkabinett mit den Zerrspiegeln, vorne die Menschen, hinter das Glitter und der Glitzer.

Zwischendurch wird eine Notbremse gezogen, aus offensichtlichen Gründen, viel zu spät dafür, schon längst die Punkte überschritten; auf der einen Seite zwei Leben studiert, auf der anderen Seite studiert, wie man ein Leben auslöscht, den perfekten Mord, einen mit Gift und Zyankali übrigens, einen getreu der Krimischriftsteller und die der Autoren von Spionageliteratur begeht. Beide Themen werden ab einem gewissen Punkt gleich behandelt, mit derselben Wichtigkeit, schleichen sich im Nachhinein in die Prämisse, getreu und Verderben, ein Crime mit eingeführt, wie Scoop - Der Knüller (2006) oder auch Broadway Danny Rose (1984), wie Manhattan Murder Mystery (1993) oder Bullets over Broadway (1994), ein neues Lebenselixier im konkreten Vorhaben, die Laufroute des Richters streng nachverfolgt, vom Gedanken zur Tat geschritten, dem Täter direkt ins Gesicht geschaut, Phoenix – in einer Paraderolle – mit dem entscheidenden, nicht siegesgewissen Gesichtsausdruck, eine makabre, paradoxe Situation, ein Schwelgen in Gedichten, im Kerzenschein und in romantischen Gefühlen sowie Momente post-leidenschaftlicher Intimitäten. Sex kommt hinzu als Sinnverleihung, die kreativen Kräfte fließen, die vorherige Depression wird als grotesk im Nachhinein gesehen, eine "verrückte Geschichte". "Ich hab jetzt keine Zeit für eine verrückte Geschichte, aber wir sehen uns noch, ja?" Die Gespräche sind besser und vor allem wichtiger und windungsreicher als bei vielen anderen 'neueren' Werken von Allen, man hat einen richtigen Aufhänger, man hat ein Ritual, man hat ein Thema, welches man nicht gleich von vornherein im Kommen und Entwickeln sieht, es geht um Abwehrhaltungen und Fantasien, um Theorien und Disharmonien; "Die Polizei ist uns da bestimmt weit voraus."







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