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KRITIK DER ERSTEN BEIDEN STAFFELNThe Man in The High Castle erzählt basierend auf dem gleichnamigen Roman von Philip K. Dick die Geschichte einer alternativen Welt, in der die Nazis und Japan den zweiten Weltkrieg gewonnen haben und die komplette Welt unter sich aufgeteilt haben. USA sind im Osten von den Nazis besetzt und zählen zum Reich und der Westen gehört zum Großjapanischen Imperium. Es gibt einen Widerstand, anscheinend angeführt (Stimmt das so?) von einem "Mann in the High Castle". Dieser Mann "füttert" die Hoffnungen der Rebellion auch mit Filmaufnahmen einer alternativen Welt, in der die USA den Krieg nicht verloren haben. Erzählt wird diese Geschichte aus mehreren verschiedenen Perspektiven:1. Eine junge Frau, deren Schwester im Widerstand war und vor ihren Augen erschossen wird. Diese junge Frau macht sich auf die Suche nach Antworten - ohne jemals wirklich dem Widerstand angehören zu wollen.

2. Ihr Freund, der Jude ist, dies natürlich in dieser Welt verstecken muss, der eigentlich gar kein Rebelle ist, aber ins Gefängnis gesteckt und gefoltert wird und einige andere schwere Opfer ertragen muss, und dadurch erst so langsam radikalisiert wird.

3. Ein junger Mann, der sich scheinbar dem Widerstand anschliesst und ebenfalls auf der Flucht ist.4. Der japanische Sicherheitsinspektor auf der Westküste, der unmenschlich vorgehen muss, um die Macht der Japaner zu untermalen5. Der japanische Handelsminister, der sehr darauf bedacht ist, den derzeitigen fragilen Frieden aufrecht zu erhalten

6. Der Sicherheitschef auf der Naziseite, auf den gerade ein Attentat verübt wurde

Während die ersten drei Figuren schon als Identifikationsfiguren herangezogen werden könnten (mit deutlichen Abstrichen), sind zumindest die beiden Sicherheitschefs deutlich als Antagonisten auszumachen, beim Handelsminister ist man sehr lange im Vagen.Die erzählte Geschichte trottet vor allem in der ersten Staffel  relativ gemächlich vor sich her, obwohl immer etwas irgendwie passiert, weil es am Anfang augenscheinlich vornehmlich darum geht, ein World Building zu betreiben. Hierbei wird extrem viel Wert auch darauf gelegt, alle beteiligten Figuren möglichst dicht darzustellen, selbst kleinste Nebenfiguren werden so greifbar und ihre Handlungen nachvollziehbar. Am verstörendsten trifft dies beim Nazissicherheitschef zu, der mühelos zu den besten Schurken der Film- und Seriengeschichte avanciert, gerade weil er so ausgereift ist als Charakter. Und spätestens wenn dieser Mann gegen Ende der ersten Staffel felsenfest auf seiner Position und Treue gegenüber einer gewissen anderen Person beharrt, ist man als neutraler Zuschauer wirklich schockiert darüber, wem plötzlich die Sympathien gehören. Dies ist eine Welt voller Grautöne und das wird wirklich genüßlich zelebriert.Die Produktionswerte brauchen sich kein bißchen vor Blockbusterfilmen oder - serien zu verstecken und stellen vieles sogar in den Schatten. Und hier fängt ein bißchen das Problem dieser Serie an:

Sie orientiert sich inszenatorisch mit am Besten was jemals gedreht wurde mit einer unglaublich ästhetischen Inszenierung, dass man teilweise das Gefühl hat, eine Leni Riefenstahl wäre entzückt. Auch die nach wie vor vorhandene (nicht nur) amerikanische Faszination für den nennen wir es mal "Swastika-Kult deutscher Gesinnung" ist in jeder Pore der Serie wahrnehmbar, wenn vor allem gegen Ende der ersten Staffel Hitlers Residenz kinoreif präsentiert wird. Es ist zu jedem Zeitpunkt sicherlich ersichtlich, dass das die Bösen sind und ihre Ansichten mit dem Begriff "Menschlichkeit" nicht einhergehen können, aber dennoch wird beispielsweise dieser Nazichef (Smith) als Identifikationsfigur wirklich brauchbar dargestellt. Und das obwohl er ein extrem manipulativer Mensch ist, der sogar seine ach so hoch gestellte Familie für seine Karriere zweckentfremdet. Das ist erstens ganz großes Kino, keine Frage, aber zweitens, und das ist viel wichtiger: Ganz, ganz dünnes Eis.

Es ist in diesem Fall wieder zweigeteilt (Fluch und Segen), dass mit Rufus Sewell ein absolut erstklassiger Darsteller diesen Mann spielt: Segen hat er doch die richtige Präsenz und das Talent, den Mann zugänglich zu machen, Fluch eigentlich derselbe Grund.Und die übrigen Darsteller stehen da kaum nach.

Es ist auch sehr erstaunlich, wie nah sich die Serie selbst nach zwei Staffeln noch am Originalroman orientiert. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass künftig immer größere Abweichungen kommen werden, zumal ja der Showrunner ausgetauscht wurde.

Wenn es etwas gibt, dass man der Serie nach zwei Staffeln vorwerfen könnte, dann die folgenden Punkte:Es wird im Verlauf der zweiten Staffel immer offensichtlicher, dass es sich um eine Sci-Fi-Story handelt, so dass die dystopische Allegorie immer deutlicher dem fantastischen Element weicht. Dies dürfte sich künftig verstärken und damit auch den Reiz der Serie eher schaden. (Eine ähnlich gelagerte Serie, die vor einigen Jahren aufgrund der zunehmenden Sci-Fi Elemente nahezu in der Obskurität verloren gegangen ist und am Ende nur noch einen Bruchteil ihrer hohen Production Values zur Verfügung hatte, ist Fringe. Es wäre sehr schade, wenn dieses derzeitige absolute Prestige Projekt den ähnlichen Weg einschlagen müßte. Ausschließen kann man es aber nicht). Einhergehend mit diesem Punkt ist auch, dass die Qualität der sehr guten ersten Staffel in der zweiten Staffel leicht unterboten wird. Nicht falsch verstehen, beide Staffeln sind richtig gut und stecken so manch andere Prestige-Serie aus dem gleichen Zeitpunkt sowohl inszenatorisch als auch inhaltlich locker in die Tasche, aber ein Abfall ist deutlich spürbar.Daher Stand nach zwei Staffeln: 9 Punkte, mit Potential in beide Richtungen, je nachdem was die Folgestaffel(n) leisten

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